Der Austritt des Vereinigten Königreichs aus der Europäischen Union (EU) ist weiterhin für den 29. März terminiert. Unklar ist indes, ob es dazu kommen wird und unter welchen Umständen. Von Quentin Fitzsimmons, Fixed Income Portfolio Manager bei T. Rowe Price

Was hat sich in den vergangenen zwei Wochen verändert? Zunächst wurde Premierministerin Mays Austrittsabkommen zum zweiten Mal mit deutlicher Mehrheit abgelehnt. Die Parlamentarier waren von den neuen rechtlichen Zusagen zum Backstop, die May mit der EU ausgehandelt hatte, nicht überzeugt. Das Parlament hat dann zwar einen No Deal-BrExit unter allen Umständen ausgeschlossen, die Abstimmung ist jedoch nicht bindend und nach derzeit geltendem Recht könnte Großbritannien noch

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immer ohne einen Deal austreten.

Schlussendlich unterstrich Unterhaussprecher John Bercow in einer dramatischen Intervention, dass May ihren Deal nicht zu einer dritten Abstimmung vorlegen könne, sofern der Antrag im Wesentlichen der gleiche sei. Die Aussichten für Theresa Mays Deal mit der EU haben sich damit deutlich verschlechtert. Um das Austrittsabkommen erneut den Abgeordneten vorlegen zu können, muss die Regierung einen Weg finden, ihn wesentlich zu verändern. Das wird innerhalb des Zeitrahmens schwierig umzusetzen sein. Dadurch ist die Wahrscheinlichkeit sowohl einer Verlängerung von Artikel 50 als auch eines No Deal-BrExit gestiegen. Jedoch müssten einer Verlängerung alle 27 Staats- und Regierungschefs der EU zustimmen, es ist aber nicht klar, ob sie das tun werden.

Damit sind zur Zeit vier Szenarien möglich:

No Deal-BrExit am 29. März

Sollte die EU einer Verlängerung von Artikel 50 nicht zustimmen oder nur zu Bedingungen, die London für unakzeptabel hält, und zugleich May nicht in der Lage ist, ihren Deal dem Unterhaus erneut vorzulegen, scheidet Großbritannien sehr wahrscheinlich am 29. März ohne Deal aus der EU aus. Das bedeutet, das Königreich würde die EU ohne geltende Übergangsregelungen sowie ohne Übergangszeitraum verlassen. Ein No Deal-BrExit träfe die Kreditmärkte, würde aber auch Investitionsmöglichkeiten bei Unternehmensanleihen schaffen, deren Bewertungen weit unter ihre Fundamentalqualität gefallen sind. Investoren britischer Aktientitel halten entweder nach greifbaren Anzeichen Ausschau, ob, wann und unter welchen Umständen der BrExit eintritt; oder nach einem Schock, der starken Nachlass und damit Investitionsmöglichkeiten bringt. Momentan jedoch haben sie weder das eine noch das andere. Für Aktienanleger bleibt also nur abzuwarten. Die umfangreichen Pfund Sterling-Zukäufe deuten zudem auf eine weitverbreitete Überzeugung hin, dass die Währung wahrscheinlich aufgewertet wird. Sollte es in letzter Minute zu einem No Deal-BrExit kommen oder zu einer Verlängerung von Artikel 50, was nicht in die erhoffte Erholungsphase mündet, könnte diese Position jedoch verwundbar sein.
Eintrittswahrscheinlichkeit: 50%

Verlängerung von Artikel 50

Die britische Regierung erreicht eine Verlängerung von Artikel 50, um mit mehr Zeit einen Deal durch das Parlament billigen zu lassen. Sollte der Deal vom Parlament abgesegnet werden, wird Großbritannien die EU um eine kurze technische Verlängerung des Artikel 50 bitten. In diesem Fall sei es sehr wahrscheinlich, dass eine Bitte um Verlängerung durch die EU gewährt werden würde. Kann die Regierung Mays Deal jedoch nicht erneut dem Parlament vorlegen oder eine Mehrheit dafür gewinnen, wird sie voraussichtlich um eine lange Verlängerung von Artikel 50 bitten. Daran könnten vonseiten der EU jedoch Bedingungen geknüpft sein – beispielsweise ein weiteres Referendum oder Parlamentswahlen, um die politische Pattsituation im Land zu lösen. Unternehmen, die als Vorsichtsmaßnahme Bestände an Pfund Sterling aufgebaut haben, könnten nach einer Verlängerung von Artikel 50 diese abbauen. Das würde in einem langsameren Wachstum resultieren.
Eintrittswahrscheinlichkeit: 40%

Austritt mit Mays Deal und einer Patronatserklärung zum Backstop

Das Parlament stimmt letztlich einer modifizierten Version des Deals zu, welchen die britische Regierung mit der EU ausgehandelt hat. Großbritannien verlässt den Block dann am 29. März.
Eintrittswahrscheinlichkeit: 10%

Vorgezogene Neuwahlen

Premierministerin May entscheidet sich, vorgezogene Parlamentswahlen einzuberufen, um die Mehrheit der regierenden konservativen Partei auszubauen und so eine Durchsetzung des Deals zu vereinfachen. Allerdings ist die Zeit für dieses Szenario mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit abgelaufen.
Eintrittswahrscheinlichkeit: 0%