Um es vorwegzunehmen: Ja, Anleger sollten schon die Verantwortung für ihre Kursverluste übernehmen. Verantwortung zu übernehmen bedeutet nämlich, sich jeweils seines eigenen Mitwirkens an einer unliebsamen Situation bewußt zu sein. Wer sich im Aufschwung großartig fühlte und für besonders clever, teilweise unfehlbar hielt, kann jetzt nur schmollen.

Letztlich liege die Schuld bei den Anlegern, die Fondsmanager hätten nur die Flammen genährt, so zumindest werden britische Fondsmanager zitiert. Liebe Leute, so geht es im Umkehrschluß auch nicht. Auch Fondsmanager sind Anleger. Zwar im größeren Stil, aber eben Anleger. Noch dazu legen sie fremde Gelder an, mit denen es sich bekannthin unbeschwerter umgehen läßt.

Wenn es zutrifft, daß Menschen nun mal ab und an dumme Entscheidungen treffen, so muß man die Fondsmanager und Broker als Entscheidungskatalysatoren betrachten. Sie verstärken diese teils dummen Entscheidungen. Schließlich müssen sie sich immer wiederkehrend der leidigen Frage stellen, warum sie in guten Zeiten seltenst besser als der Index abschneiden, in schlechten dagegen umso häufiger.

Diejenigen, die eine Outperformance erreicht haben, wurden wie Stars abgefeiert. Warum eigentlich? Hat mal jemand hinterfragt, ob die Outperformance überhaupt signifikant war, und zwar im Sinne der Abgrenzung zur Masse? Anders gefragt: Waren es die glücklichen Hände des Fondsmanagers, die für die Outperformance gesorgt haben, oder einfach nur die Größe der ursprünglichen Stichprobe, aus der am Ende zwangsläufig immer einige übrigbleiben? Wenn vor fünf Jahren (1998) meinetwegen in Europa 300 Fondsmanager an den Start gegangen sind (in dieser Boomphase waren es sicherlich weit mehr), sollten selbst jetzt noch immer rund 10 jedes Jahr, also fünf Jahre hintereinander, eine Outperformance ausweisen können (wenn man es als gleichwahrscheinlich annimmt, richtig oder falsch bezüglich der Kurse zu liegen). Und zwar ohne jegliche Fertigkeiten zu besitzen (es hätten auch z.B. Grundschüler sein können) – allein die Statistik rechnet also mit 10 solcher Über-Performer. Würden Sie einem solchen Über-Performer all ihr Geld anvertrauen, nur weil er fünf Jahre in Folge im Plus lag? Wohl besser nicht. Dennoch gilt eine Fünfjahreshistorie bei vielen als Auswahlkriterium, und später ist die Verwunderung dann groß.

Einer der befragten Fondsmanager schlägt eine Art Fortbildungsprogramm für Anleger vor, befürchtet aber, daß seine Kunden beratungsresistent sein könnten. Passend wäre gewesen, wenn er sich selbstkritisch mit einbezogen hätte. Denn der in den Boomjahren ausgebildete Ikonenkult um die vermeintlichen Stars (zur Erinnerung: auch 10 von ursprünglich 300 Leuten ohne jegliche Kenntnisse hätten fünf Jahre hintereinander richtig liegen können) scheint die Herren und Damen etwas dünnhäutig gemacht zu haben. Eigenkritik, nein danke, von wenigen Ausnahmen mal abgesehen.

In einem weiteren Bericht (in einer großen Tageszeitung vorgestern pikanterweise direkt neben den Stellungnahmen der Fondsmanager) erfahren wir, daß die US-Aufsichtsbehörde SEC im Zeitraum 1998 bis 2001 rund 1.600 Verstöße bei US-Brokern, Anlageberatern, Bankern, Anwälten und Wirtschaftsprüfern ausfindig gemacht habe. Da fällt es schwer, einzig der Naivität der Anleger sämtliche Schuld zuzuschreiben.

Die GoingPublic Kolumne erscheint jeweils montags, mittwochs und freitags in Zusammenarbeit mit dpa-AFX.

Autor/Autorin