Gentechnologie verändert künstlich Gene, also Stücke des Erbmaterials, in Bakterien, Hefe- oder Schimmelpilzkulturen. Diese genmanipulierten Organismen werden außer im Bereich der Pharmaindustrie auch zunehmend in der Nahrungsmittelindustrie eingesetzt. Das hat aber nicht mehr viel mit biologischer Produktion zu tun.

Derzeit warten die Biotech-Unternehmen gespannt auf eine Entscheidung des Europäischen Parlamentes, die in dieser Woche getroffen werden soll. Der Vorschlag: Das System der behördlichen Genehmigung bei der Herstellung gen-manipulierter Produkte soll verbessert werden. Jedes Jahr soll eine neue Überprüfung der Unternehmen stattfinden. Verbraucher sollen besser informiert werden. Die Kennzeichnung von gen-manipulierten Produkten soll umfassender werden. Für alle Schäden, die von einem solchen Produkt verursacht werden, sollen die jeweiligen Unternehmen die Kosten übernehmen. Der ganze Bereich der Genforschung soll strikter gefaßt werden, um eine „genetische Verschmutzung“ zu verhindern. Diese findet viel zu oft und unbemerkt statt: Die Pollen von Gen-Pflanzen werden von Wind und Insekten auf Nachbarfelder übertragen und kreuzen sich mit herkömmlichen Pflanzen. Ungewollt verkauft der Biobauer also auch Gen-Produkte.

Die Biotech-Unternehmen wehren sich natürlich mit allen Kräften gegen eine rigorose Kontrolle. Sie führen an, daß bereits im Vorfeld einer behördlichen Genehmigung die umwelt- oder gesundheitsschädlichen Auswirkungen des Produktes untersucht werden. Sie fühlen sich in ihrer Branche außerdem benachteiligt durch die mit einer solchen Entscheidung verbundenen hohen Kosten. Deshalb ihre Drohung: Sollte ein dementsprechendes „Urteil“ gefällt werden, werden die Unternehmen, die in der Biotechnologie tätig sind, nach und nach gezwungen sein, ins Ausland zu gehen. Nur so könnten sie der nachteiligen Gesetzeslage entkommen. Die Konsequenzen würde die EU deutlich zu spüren bekommen. Die Forschung und Entwicklung, einer der wesentlichen Faktoren des volkswirtschaftlichen Wachstums, würde entmutigt werden. Europa würde viele qualifizierte Arbeitsplätze verlieren und zudem international an Wettbewerbsfähigkeit verlieren.

Die Biotechnologie hat zwei Seiten: Auf der einen steht, moralisch ausgedrückt, die Sünde. Menschen beginnen, mit ihrem Erbgut zu experimentieren und ihre eigene Existenz zu verändern. Auf der anderen Seite sollte die Wirtschaftsmacht Europa sich nicht leichtfertig Restriktionen auferlegen, die sich im Wettbewerb nachteilig auswirken.

Fraglich ist, in welche Länder die Biotech-Unternehmen abwandern würden. In den USA ist die Kontrolle genetisch modifizierender Produktion bereits viel weiter fortgeschritten als in Europa. Und bei anderen Ländern sollte man sich fragen, wie lange es wohl dauert, bis auch dort dieses Thema in den Blickpunkt rückt. Und apropos Benachteiligung: Hersteller, die auf die Genmanipulation verzichten, also nicht auf künstliche schnellere und kostensparendere Verfahren zurückgreifen, sollten dafür auch belohnt werden. Eine Kennzeichnung der Produkte würde den relativen Preisvorteil der gen-modifizierten Produkte erklären.

Die GoingPublic-Kolumne erscheint börsentäglich in Zusammenarbeit mit dpa-AFX.

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