Bildquelle: David – Adobe Stock

„Das ist ein Beitrag zur wirtschaftlichen Erholung und ein Beitrag zur Stärkung der Konjunktur.“ So begründete ­Bundesfinanzminister Christian Lindner den Gesetzesentwurf zum Vierten Corona-Steuerhilfegesetz, welches u.a. eine ­weitere Verbesserung der Verlustverrechnungsmöglichkeiten in Aussicht stellt. Eine Detailansicht.

Der Gesetzgeber will mit einer dauerhaften zeitlichen Ausweitung und ­einer Verlängerung des bereits ­betraglich erweiterten Verlustrücktrags den zahlreichen Rufen aus der Wirtschaft nachkommen, den durch die Coronakrise in Engpässe geratenen Unternehmen weitere dringend benötigte Liquidität zur Verfügung zu stellen (siehe auch Corporate Finance Recht 2021, S. 20 f.). Die steuerliche Verlustverrechnung ermöglicht den Steuerpflich­tigen den Ausgleich von erwirtschafteten Gewinnen mit generierten Verlusten. Sind nach dem Ausgleich von Gewinnen und ­Verlusten innerhalb eines Jahres (steuerlich: eines „Veranlagungszeitraums“; VZ) noch nicht ausgeglichene Verluste vorhanden, können diese unter bestimmten Bedingungen in die Vergangenheit (Verlustrücktrag) oder Zukunft (Verlustvortrag) über­tragen werden. Diese Regelung gilt sowohl für die Besteuerung von natürlichen Personen (Einkommensteuer) als auch für ­Körperschaften (Körperschaftsteuer). Das Gewerbesteuergesetz sieht zur Sicherung der Gemeindefinanzen hingegen lediglich einen Verlustvortrag vor.

Erweiterung des Verlustrücktrags auf zwei Jahre

Durch den steuerlichen Verlustrücktrag können – vereinfacht ausgedrückt – Verluste, die bei der Ermittlung des Gesamtbetrags der Einkünfte eines bestimmten Jahres nicht ausgeglichen werden, bis zu einem gewissen Höchstbetrag vom Gesamtbetrag der Einkünfte des unmittelbar vorangegangenen Jahres abgezogen werden.

Der Verlustrücktrag soll ab dem ­Verlustentstehungsjahr 2022 – den angesprochenen langjährigen Forderungen Rechnung tragend – von einem auf zwei Jahre erweitert werden. Damit könnten Verluste, die in dem direkt vorange­gangenen Jahr nicht ausgeglichen werden konnten, in das zweite dem „Verlustjahr“ vorangegangene Jahr zurückgetragen ­werden. Das derzeit geltende Wahlrecht des Steuerpflichtigen, vom Verlustrücktrag ­teilweise abzusehen, soll allerdings mit der Neuregelung der Vorschrift abgeschafft werden. Auf die Anwendung des Verlustrücktrags könnte damit ab dem ­Verlustentstehungsjahr 2022 nur noch insgesamt – zugunsten des Verlustvortrags – verzichtet werden.

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Die Höchstbeträge für den Verlust­rücktrag wurden mit dem Zweiten Corona-Steuerhilfegesetz im Juni 2020 bereits von 1 Mio. auf 5 Mio. EUR bei Einzelver­anlagung (bei Zusammenveranlagung von 2 Mio. auf 10 Mio. EUR) angehoben und durch das Dritte Corona-Steuerhilfegesetz im März 2021 nochmals auf 10 Mio. EUR (bzw. 20 Mio. EUR bei Zusammenveranlagung) erhöht.

Diese ursprünglich auf die Jahre 2020 und 2021 beschränkte Anhebung der Höchstbetragsgrenzen für den steuer­lichen Verlustrücktrag soll nun bis Ende 2023 verlängert werden. Damit würden nicht bereits ab dem VZ 2022, sondern erst ab dem VZ 2024 die Betragsgrenzen auf den alten Rechtsstand von 1 Mio. EUR (bzw. 2 Mio. EUR für zusammenveranlagte ­Ehegatten) zurückgeführt werden.

Schnelle Liquidität durch Rückfluss von Steuern

Der Vorteil des Verlustrücktrags besteht ­darin, dass er zu einem Rückfluss früherer Steuerzahlungen führt und dadurch sofort dringend benötigte Liquidität generiert. Durch die Ausweitung des Verlustrücktrags auf die beiden vorangegangenen ­Jahre wird dieser Effekt nochmals ­verstärkt. Bislang bleibt nach Ausschöpfung der Höchstgrenzen des Verlust­rücktrags aus dem unmittelbar vorangegangenen Jahr „nur“ der Verlustvortrag, welcher ­jedoch keine Liquidität generiert. Ein ­Verlustvortrag wirkt sich auf die zukünf­tige Ertragsteuerbelastung aus und mindert entsprechende Liquiditäts­abflüsse in der Zukunft. Durch die Möglichkeit, noch nicht ausgeglichene Verluste weiter in die Vergangenheit ­zurückzutragen, kann zusätzliche Liquidität generiert ­werden, ­sofern der Unternehmer in dem vorletzten Jahr vor dem ­Verlusteintritt entsprechende Steuerzahlungen geleistet hatte. Dies kann vor allem für mittelstän­dische Unternehmen eine enorme Entlastung bei Liquiditätseng­pässen darstellen.

Abb.1: Beispielrechnung zum Verlustrücktrag, Bildquelle: Ebner Stolz

Ein Fallbeispiel

Die Effekte des Vierten Corona-Steuerhilfegesetzes auf den Verlustrücktrag sollen an einem Beispiel verdeutlicht werden:

Der ledige A betreibt ein Hotel. Der Gesamtbetrag der Einkünfte beläuft sich im Jahr 2020 auf 23 Mio. EUR, 2021 auf 25 Mio. EUR und 2023 auf 12 Mio. EUR. Im Jahr 2022 musste A ­einen Verlust in Höhe von 33 Mio. EUR ­hinnehmen. Das Wahlrecht, auf den ­Verlustrücktrag zu verzichten, wird nicht in Anspruch genommen. Durch den Verlust­rücktrag in das Jahr 2021 erhält A bei einem angenommenen Steuersatz von 45% eine Steuererstattung von 4,5 Mio. EUR. Da sein im Jahr 2022 erwirtschafteter Verlust durch den Rücktrag in das Jahr 2021 noch nicht vollständig ausgeglichen ist (Höchstbetrag: 10 Mio. EUR), ist ein ­weiterer Rücktrag in das Jahr 2020 ­möglich, der nochmals 4,5 Mio. EUR Liquidität ­beschert. Verglichen mit der Ausgangs­situation „vor Corona“ ­bedeuten die neuen Regelungen einen ­Mehrbetrag an flüssigen Mitteln von 8,55 Mio. EUR nur durch den Verlustrücktrag. Durch den Verlustvortrag kann das zukünftige Einkommen unter ­Anwendung der Mindestbesteuerung ­weiter gesenkt werden. Die Effekte der ­verschiedenen Maßnahmen des Gesetzgebers sind in Abb. 1 dargestellt.

Wann die geplante Regelung nichts bringt

Wie das Beispiel zeigt, kann der erweiterte Verlustrücktrag seine Wirkung nur entfalten, wenn in der Vergangenheit auch ausreichend Gewinne erwirtschaftet ­wurden. Konnten in den Coronajahren 2020 und 2021 jedoch nur Verluste eingefahren werden, was sicherlich bei vielen Unternehmen der Fall sein dürfte, läuft die geplante Neuregelung ins Leere. Somit ­besteht die Gefahr, dass der erweiterte Verlustrücktrag für viele Unternehmen zu spät kommt. Eine Einführung dieser Regelung durch das Zweite Corona-Steuerhilfegesetz ab dem Jahr 2020 hätte einen deutlich größeren Effekt gebracht, da dann zahlreicheren Unternehmen ein Gewinn aus den Jahren 2018 und 2019 zur Verrechnung zur Ver­fügung gestanden hätte. Im Rahmen der aktuellen Erweiterung des Verlust­rück­trags wäre es sicher hilfreich gewesen, den Zeitraum für den Verlustrücktrag so weit auszudehnen, dass für diese ertragsstarken Jahre vor der ­„Coronazeit“ ebenfalls eine Verlust­verrechnung möglich wäre.

Hürden für eine schnelle Sanierung

Da dies durch die Begrenzung des Verlustrücktrags auf die Jahre 2020 und 2021 oftmals nicht möglich ist, wäre es aus Sicht vieler Unternehmen wünschenswert, die in den vergangenen Jahren aufgelaufenen Verluste so schnell wie möglich durch Verrechnung mit zukünftigen Gewinnen abzubauen. Durch die sogenannte Mindestbesteuerung dürfen vorgetragene Verluste jedoch nur bis 1 Mio. EUR unbegrenzt, darüber hinaus lediglich mit 60% des 1 Mio. EUR übersteigen­den Gesamtbetrags der Einkünfte ausgeglichen werden. Dies führt trotz der Existenz hoher Verlustvorträge oftmals zu einer Steuer­belastung und steht damit einer schnellen Sanierung nach Überwindung der Krise im Wege. Daher wäre auch die Aussetzung der Mindestbesteuerung förderlich gewesen, die in obigem Beispiel einen zusätzlichen Effekt auf die Liquidität von fast 2 Mio. EUR zur Folge hätte.

Die vorgesehenen Maßnahmen sind grund­sätzlich zu begrüßen, doch ist der Zeitraum, in den der Rücktrag zukünftig erfolgen soll, bereits durch die Krise geprägt. Dies relativiert den Wert der Maßnahme für härter von der Krise betroffene Unternehmen. Hilfreich wäre insoweit ein Rücktrag in die beiden Jahre vor Eintritt der Krise. Zudem sollten die Forde­rungen nach einer Abschaffung der Mindestbesteuerung unbedingt Gehör finden.

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Autor/Autorin

Prof. Dr. Thomas Zinser

Prof. Dr. Thomas Zinser ist Experte für steuerliche und betriebswirtschaftliche Beratung mittelständischer Unternehmen bei Ebner Stolz.

Patrick Wolfram

Patrick Wolfram ist Senior Consultant bei Ebner Stolz mit einem Schwerpunkt in der Beratung mittelständischer Unternehmen.