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Im Zuge des Konflikts zwischen Russland und der Ukraine steigt das Absicherungsbedürfnis von Investoren gegen ­außerordentliche Risiken wie eine Eskalation des Krieges.

Häufig fallen bei einem Unternehmenskauf der Abschluss (Signing) und der Vollzug (Closing) des ­Unternehmenskaufvertrags zeitlich aus­einander. In diesem Zeitraum möchte sich der Käufer vor nachteiligen Veränderungen betreffend die Zielgesellschaft und ihr Geschäft schützen. Ein mögliches Instrument, das oftmals Gegenstand heftiger ­Vertragsverhandlungen ist, heißt Material-Adverse-Change-(MAC-)Klausel. Die praktische Bedeutung und Verwendung von MAC-Klauseln steigt naturgemäß in einem Krisenumfeld.

Die aus der US-amerikanischen M&A-Praxis stammenden MAC-Klauseln sind in Unternehmenskaufverträgen, die deutschem Recht unterliegen, in der jüngeren Vergangenheit eher selten anzutreffen gewesen. Erst im Zuge der COVID-19-Pandemie ­wurden sie wieder verstärkt eingesetzt, und nun führt auch die russische Invasion in die Ukraine dazu, dass MAC-Klauseln vermehrt Gegenstand von Verhandlungen sind.

Verschiedene Arten von MAC-Klauseln

MAC-Klauseln dienen dazu, den Käufer vor wesentlich nachteiligen Veränderungen zwischen Signing und Closing zu schützen, indem als Vollzugsbedingung der Nichteintritt eines sogenannten Material Adverse Change (MAC) vereinbart wird. Bei Vorliegen eines MAC kann der Käufer zurücktreten. MAC-Klauseln gehen zulasten der Transaktionssicherheit und damit typischerweise zulasten des Verkäufers. Mit der sogenannten Störung der Geschäftsgrundlage (§ 313 BGB) bietet das deutsche Recht zwar eine gesetzliche Lösung für Situationen mit wesentlich nachteiligen Veränderungen an. Das ­Instrument wird aber regelmäßig in ­Unternehmenskaufverträgen ausgeschlos­sen, da es in erster Linie zu einer (vorab unberechenbaren) Vertragsanpassung führt.

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Die Ausgestaltung von MAC-Klauseln ist vielschichtig. In der Vertragspraxis ­finden sich einerseits sehr schlanke, generell-abstrakte Formulierungen, die auf die Qualifizierung von Umständen als „wesent­lich“ (material) abstellen, andererseits aber auch sehr differenzierte Ausgestaltungen mit Beispielen, Fallgruppen oder Schwellenwerten. Die Veränderung kann sich auf tatsächlich eingetretene Veränderungen beschränken oder auch zukünftige Verschlechterungen umfassen. Maßgeb­licher Bezugspunkt für die MAC-Klausel ist oftmals das Geschäft der erworbenen Zielgesellschaft (Business MAC). Manchmal wird aber auch auf den Markt der Ziel­gesellschaft abgestellt (Market MAC) oder auch die Finanzierung der Transaktion durch den Käufer (Finance MAC).

Auf dem deutschen M&A-Markt kann man derzeit gerade die Forderung nach MAC-Klauseln erleben, die im Zusammenhang mit der russischen Invasion in die Ukraine stehen (Kriegs-MAC). Bei der Ausgestaltung solcher Kriegs-MAC-Klauseln ist sowohl aus Verkäufer- als auch Käufersicht einiges zu beachten.

Kriegs-MAC-Klauseln mit und ohne NATO

Im Zusammenhang mit der russischen ­Invasion in die Ukraine sind aus deutscher Perspektive grundsätzlich zwei Szenarien der Kriegseskalation zu differenzieren:
(i) der Angriff auf einen NATO-Mitgliedstaat durch die Russische Föderation als sogenannter NATO-Verteidigungsfall und (ii) der Angriff auf die Russische Föderation durch einen NATO-Mitgliedstaat. Im Falle des NATO-Verteidigungsfalls empfiehlt sich eine Bezugnahme der Kriegs-MAC-Klausel auf den Nordatlantikvertrag (insbesondere Art. 5 und 6). Auch die Einbeziehung von Nicht-NATO-Mitgliedstaaten als Angriffszielen ist denkbar.

Insgesamt sollte der Bezugspunkt klarstellend auch negativ definiert werden, d.h., wann keine Kriegs-MAC gegeben ist. So sollte zwischen den Vertragsparteien vereinbart sein, inwiefern z.B. nicht hoheitliche (etwa terroristische Angriffe, Putschaufrufe) oder humanitäre Maßnahmen, wirtschaftliche oder diplomatische Sanktionen, Waffenlieferungen, Geheimdienstoperationen, Aufklärungstätigkeiten, Minenräumungen, Flugverbotszonen, Satel­litenaufnahmen und Cyberattacken etc. in die Definition eines MAC fallen. Ziel sollte es sein, die Kriegs-MAC-Klausel so justi­ziabel wie möglich zu formulieren.

Auswirkungen und Reziprozität

Zu beobachten ist, dass es bei Kriegs-MAC-Klauseln oftmals nicht auf durch den Krieg verursachte Auswirkungen auf die Zielgesellschaft oder ihren Geschäfts­betrieb ankommt. Allein die Tatsache der Existenz eines Krieges oder einer Eska­lation von Kriegshandlungen wird als ­wesentlich genug angesehen, um ausschließlicher Bezugspunkt für den MAC-Eintritt zu sein. Dergestalt eng gefasste Tatbestandsvoraussetzungen für das ­Vorliegen eines MAC erleichtern die praktische Handhabung der Regelung. Der ­bloße Eintritt bestimmter äußerer ­Umstände genügt, um die Einschlägigkeit der entsprechenden Vertragsregelung zu behaupten und zu beweisen. Wären ­zusätzlich die Auswirkung der Kriegshandlungen auf das Geschäft der Ziel­gesellschaft – etwa ihre Vermögens-, ­Finanz- oder Ertragslage – darzulegen und zu beweisen, sähe sich die durch die MAC-Klausel begünstigte Partei erheblich ­höheren Hürden bei der Darlegungs- und Beweislast ausgesetzt, insbesondere im Hinblick auf die Kausalität. Typischer­weise dürfte es freilich schwer zu begründen sein, warum das bloße Vorliegen bestimmter äußerer Umstände, die keine messbare und nachweisbare Auswirkung auf das Zielunternehmen haben, dazu ­führen soll, dass die Transaktion nicht vollzogen oder der Kaufvertrag modi­fiziert wird.

Wie ausgeführt, knüpfen die meisten MAC-Klauseln an das Vorliegen eines MAC ein Rücktrittsrecht des Käufers. Bei einer Kriegs-MAC-Klausel kann u.U. auch die Verkäuferseite daran interessiert sein, vom Vertrag zurückzutreten. Daher bietet es sich an, die Kriegs-MAC-Klauseln beidseitig auszugestalten.

Auf klare Formulierungen kommt es an

Infolge der Invasion der Ukraine durch Russland erleben MAC-Klauseln in Unternehmenskaufverträgen eine Renaissance. Geografisch gesehen erfolgt die kriege­rische Auseinandersetzung an der EU- und NATO-Außengrenze, von Deutschland nicht weit entfernt. Dies sehen auch ausländische Investoren und verlangen u.U. eine Absicherung in Unternehmenskaufverträgen. Dies kann zu einer Forderung nach einer Kriegs-MAC-Klausel ­führen. Bei der Ausgestaltung von Kriegs-MAC-Klauseln ist eine Vielzahl an Punkten zu beachten. Insbesondere sollte versucht werden, eine justiziable Klausel zu verhandeln, die klar formuliert und an eindeutige Voraussetzungen geknüpft ist. Beispiel­kataloge im Sinne einer negativen Abgrenzung helfen dabei.

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Autor/Autorin

Dr. Nikolaus von Jacobs

Nikolaus von Jacobs ist Partner/Rechts­anwalt bei McDermott Will & Emery Rechtsanwälte Steuerberater LLP in München. Der Schwerpunkt seiner Arbeit liegt in der Beratung von Private-Equity- und M&A-Transaktionen. Er leitet die ­deutsche Private-Equity-Praxis.