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Welcher IR-Manager kennt es nicht: das unangenehme Gefühl, wenn im One-on-One-Meeting mit dem Vorstand der ­Gesprächspartner offensichtlich nicht richtig vorbereitet ist. Der vermeintliche Erfolg, einen begehrten Investoren-Slot ­ergattert zu haben, verkehrt sich ins Gegenteil, wenn sich das Meeting als Verschwendung kostbarer Managementzeit ­entpuppt. Letztlich ist die Situation für beide Seiten unbefriedigend – schließlich dürften auch Fonds-Manager wenig ­Interesse daran haben, durch unproduktive Meetings Zeit zu verschenken.

Diesen und weitere Artikel zum Thema IPO, Aktien und Börse finden Sie in der neuen Ausgabe des GoingPublic Magazins 01-2022.

Da drängt sich die Frage auf, wie ­beide Parteien in die missliche Lage hineingeraten sind. MiFID II kann nicht für alles die Schuld in die ­Schuhe geschoben werden – allerdings hat sich die Situation für Emittenten und Investoren durch die sogenannte Trans­parenzoffensive gewiss nicht verbessert.

Vor allem kleinere Unternehmen sind mehr und mehr gezwungen, die Organi­sation von Investorengesprächen selbst in die Hand zu nehmen. Das kostet nicht nur die meist zu knappe Zeit, sondern erfordert auch gute Kenntnisse über und ­Kontakte zu den potenziellen Investoren. Corporate Access im besten Sinne des Wortes bedeutet jedoch mehr – Zugang zum Unternehmen erhalten Investoren nicht zuletzt durch komprimierte Infor­mationen über den Investment Case. Eine Rolle, die eigentlich Analysten zusteht, die im Zusammenspiel mit dem Sales-Team das Corporate-Access-Tandem der Investmentbanken darstellen, das Garant für ­erfolgreiche Investorenmeetings ist. Doch woher nehmen, wenn nicht …?

Research-Angebot weiter auf dem Rückzug

Das Deutsche Aktieninstitut hat jüngst konstatiert, dass sich die Verfügbarkeit von Research über Small und Mic Caps durch MiFID II weiter verschlechtert hat. Hierzulande haben sich im vergan­genen Jahr mit Commerzbank, NORD/LB und Bankhaus Lampe weitere Banken von der Analyse börsennotierter Unternehmen verabschiedet. Darunter leiden vor allem diejenigen Firmen, die es ohnehin schwer haben im Kampf um die Aufmerksamkeit der Anleger: solche mit geringer ­Kapitalisierung und wenig liquidem ­Handel.

Der Rückzug aus dem Research ist ­dabei ein Trend, der sich auch interna­tional beobachten lässt und der analoge Effekte in Bezug auf Sales-Aktivitäten nach sich zieht, wie eine Studie von ­Integrity Research belegt.

Wenn Unternehmen also die Organi­sation von Roadshows und Investoren­gesprächen selbst in die Hand nehmen müssen, sollten sie entsprechend das ­Investoren-Briefing nicht vernachlässigen. Wem das Beauftragen eines bezahlten ­Researchs aus Qualitäts- oder Kostengründen nicht schmeckt, der muss sich nach Alternativen umsehen. Dabei sollten IR-Verantwortliche im Blick haben, dass auch die Zeit und Aufmerksamkeitsspanne von Fonds-Managern begrenzt ist – das ­Anlageuniversum für Investoren in europäische Small und Mid Caps umfasst ­beispielsweise rund 1.700 Unternehmen.

Wie lässt sich in einem solch kompeti­tiven Umfeld das Interesse an einem ­Erstkontakt wecken? Investorenkonferenzen bieten dafür eine gute Plattform, aber auch hier stehen die Unternehmen im ­harten Wettbewerb um die knappe Zeit – denn innerhalb von zwei, drei Tagen können Fonds-Manager nur eine begrenzte Zahl von Unternehmen treffen.

Digitalisierung erleichtert Zugang zu Investoren

Die Digitalisierung öffnet hier auch für die Investor-Relations-Arbeit neue Möglichkeiten. Dem Videoformat kommt dabei eine zunehmend wichtige Rolle zu. Es ­bietet nicht nur die Möglichkeit der ­Visualisierung von Informationen, sondern erlaubt auch das Übermitteln eines persönlichen Eindrucks der handelnden Personen. Vor allem aber korrespon­dieren kurze Clips mit heutigen Gewohnheiten: Sie lassen sich schlichtweg leichter kon­sumieren als fünf oder mehr Seiten ­geschriebener Text.

Der technische Fortschritt ist dabei willkommene Unterstützung. Investorenpräsentationen lassen sich mit überschaubarem Aufwand aufzeichnen und online stellen. Benötigt werden hierfür lediglich ein Rechner mit Kamera und Mikro sowie eine Kommunikationssoftware à la ­Microsoft Teams oder Zoom. Da ist es ein Leichtes, die Inhalte auf die Anforderungen unterschiedlicher Investorengruppen zuzuschneiden, indem vom Elevator Pitch über die Company Presentation bis hin zum Financial Results Update verschiedene Formate angeboten werden. Vor einem Einzelgespräch mit einem Investor lässt sich das passende Format per Link an den Gesprächspartner senden, damit dieser gut vorbereitet ins Meeting kommen kann. Angenehmer Nebeneffekt: Die Gesprächszeit kann effizienter genutzt werden – denn das im Video Erläuterte muss nicht wiederholt werden. Stattdessen kann sich das Gespräch auf die Punkte fokussieren, die den Investor am brennendsten interessieren. Die Qualität der Meetings kann so für beide Seiten deutlich zulegen.

Wer seine Investorenvideos nicht nur auf die eigene Seite stellt, sondern auch auf Plattformen wie seat11a.com platziert, kann dadurch auch neue Investoren auf sich aufmerksam machen, die er bislang noch nicht auf dem Schirm hatte (und vice versa). Dort findet gewissermaßen konstant eine virtuelle Investorenkonferenz statt.

Autor/Autorin

Sanjay Oberoi

Sanjay Oberoi hat 25 Jahre Erfahrung am Aktienmarkt und hat in verschiedenen Funktionen wie Portfoliomanager, Aktienanalyst und Aktiensales gearbeitetet, bei Anbietern wie Fidelity Investment, Allianz Global Investor, Union Investment, Kepler Cheuvreux und M.M.Warburg. Im Jahr 2021 gründete er seat11a.com, eine Video-on-Demand-Plattform, die darauf abzielt, institutionellen und anspruchsvollen Investoren ein effektives Informationswerkzeug zur Verfügung zu stellen.