Wirtschaftlich präsentiert sich Österreich stabil. Allerdings steht den gesunden Unternehmen und den vergleichsweise stabilen Staatsfinanzen fast schon traditionell ein unterrepräsentierter Kapitalmarkt gegenüber. Wie lange kann dieses Missverhältnis noch gutgehen?

Österreich hat gewählt: Die beiden einst großen Volksparteien mussten Einbußen hinnehmen, werden ihre Koalition aber aller Voraussicht nach fortsetzen. Zulegen konnten die Rechtspopulisten von der FPÖ und die relativ neue liberale Gruppierung Neos. Ändern wird sich an der allgemeinen politischen Ausrichtung wohl wenig.

Kapitalmarkt ohne Lobby?

Der Kapitalmarkt hat ohnehin keine besonders gute Lobby in Österreichs Politik. Das bestätigt auch Wiener-Börse-Vorstand Mag. Birgit Kuras im Gespräch mit dem GoingPublic Magazin. In jüngster Zeit habe sich das Verhältnis jedoch etwas entspannt. Ob von der neuen Regierung mehr Verständnis für Kapitalmarktbelange zu erwarten ist, bleibt abzuwarten. Schließlich werden aller Voraussicht nach wieder SPÖ und ÖVP eine inzwischen nicht mehr ganz so große Koalition bilden. Viele Beobachter gehen davon aus, dass es die letzte Wahl war, bei der es für die beiden einstigen Volksparteien für eine gemeinsame Mehrheit gereicht haben wird.

Ob der Kapitalmarkt von der neuen Regierung mehr Unterstützung erfährt, ist also eher fraglich, zumal das Thema im Wahlkampf wenig überraschend keine Rolle spielte. Wünschenswert wäre eine bessere Unterstützung durchaus. Den meisten österreichischen Unternehmen geht es zwar gut, aber zumindest der Mittelstand bekommt inzwischen die Zurückhaltung der Banken bei der Kreditvergabe durchaus zu spüren. Der vierteljährlichen Befragung der Oesterreichischen Nationalbank OeNB zufolge sind die Kreditlinien österreichischer Banken im Firmenkundengeschäft zuletzt fünf Mal in Folge reduziert worden. Ein besserer Zugang zu Eigenkapital wäre also notwendig. Doch fanden in den letzten Jahren kaum Unternehmen den Weg an die Wiener Börse. Auch der österreichische Private-Equity-Sektor kocht schon seit Jahren auf Sparflamme.

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Einschätzung der Banken für die Entwicklung in den nächsten drei Monaten
Quelle: OeNB

Zurückhaltung bei Familienunternehmen

Es sind allerdings nicht nur die Rahmenbedingungen, die für diese Entwicklungen verantwortlich sind. Viele traditionsreiche Familienunternehmen, die in Österreich häufig anzutreffen sind, scheuen vor fremder Einflussnahme durch Investoren zurück. Dabei gibt es in Österreich zahlreiche Erfolgsbeispiele sogenannter Hidden Champions, Weltmarktführer in ihren jeweiligen Branchen – sowohl mit als auch ohne Börsennotierung.

Prof. Georg Jungwirth von der Fachhochschule der Wirtschaft in Graz hat sich bereits in mehreren Studien mit österreichischen Hidden Champions beschäftigt. Seiner Definition zufolge, die sich an die Arbeiten von Prof. Hermann Simon anlehnt, gehören Unternehmen mit einem Umsatz bis zu 200 Mio. EUR, die Nr. 1, 2 oder 3 auf dem Weltmarkt oder Nr. 1 in Europa sind, zu dieser Gruppe. Unter diese Definition fallen knapp 200 österreichische Unternehmen, rund 120 davon sind Weltmarktführer. Ohne die im Vergleich zu Simons Kriterien für deutsche Hidden Champions (3 Mrd. EUR) relativ niedrige Umsatzgrenze von 200 Mio. EUR sind es sogar rund 250 Unternehmen. Bekannte börsennotierte Vertreter sind die relativ großen Gesellschaften Wienerberger und Palfinger sowie der im Dritten Markt der Börse Wien gehandelte Maschinenbauer Binder & Co. Unabhängig von der Größe lohnt es sich, ein Hidden Champion zu sein: Zwei Drittel der in einer Studie von Jungwirth untersuchten Unternehmen wirtschaften profitabler als der Durchschnitt.

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Quelle: Jungwirth, Österreichs mittelständische Weltmarktführer; Pfefferkorn 2008

Gute Wachstumsperspektiven für 2014

Nach einer längeren Phase der Stagnation soll es mit Österreichs Wirtschaft in den letzten Monaten des Jahres wieder stärker bergauf gehen: Das BIP-Wachstum zum Vorjahr soll nach den Prognosen der OeNB im 3. Quartal bei 0,3% und im 4. Quartal bei 0,5% liegen. Die OeNB weist jedoch darauf hin, dass eine Verschärfung der europäischen Schuldenkrise die Wachstumsdynamik schwächen könnte. Im Inland werden die Konjunkturrisiken dagegen als ausgeglichen gesehen. Zudem könne Österreich von besseren Wachstumsaussichten in den USA und Japan profitieren, während die Konjunkturrisiken in einigen Schwellenländern eher negativ wirken. Eher durchschnittlich sind auch die Perspektiven in Mittel- und Osteuropa – traditionell wichtige Märkte für Österreich. Der von der OeKB errechnete Geschäftsklimaindex zeigte zuletzt weder Ausschläge nach oben nach unten. Die Bank Austria zeigt sich für 2014 trotz der genannten Unsicherheiten optimistisch und prognostiziert ein BIP-Wachstum von 1,8%.

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Quelle: OeKB Geschäftsklima-Index Mittelosteuropa

Insgesamt sieht es also recht rosig aus – nicht nur im Hinblick auf die Zahlen. Laut der Befragung „Wie geht’s Österreich“ von Statistik Austria sind 79% der Bevölkerung mit ihrer Lebenssituation zufrieden. Dabei spielen neben materiellen Lebensbedingungen auch weiche Faktoren eine Rolle. Für den wirtschaftlichen Erfolg des Standorts Österreich ist das kein unwesentlicher Baustein. Dass ein funktionierender Kapitalmarkt ebenso eine wichtige Rolle für die Wirtschaft eines Landes spielt, scheint in Österreichs Politik und Gesellschaft dagegen noch nicht so angekommen zu sein (siehe oben).

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