Christoph Karbenk, Capiton Noch viel Potenzial für W&I-Policen Potenzial ist offenkundig vorhanden, denn die Umfrage bei Private-Equity-Fonds ergibt, dass sich auch namhafte deutsche – zum Teil sogar börsennotierte – Adres- sen bislang nicht mit dem Thema haben anfreunden können. Man werde von Versi- cherungsmaklern auf die Möglichkeit von Versicherungslösungen aufmerksam ge- macht, komme einstweilen aber auch gut ohne zurecht und habe nicht vor, das Thema zu forcieren, heißt es. Vor allem wird die Befürchtung geäußert, der zusätzliche Workstream sorge für Verzö- gerungen und eine unnötige Erhöhung der Komplexität. Dem widerspricht Christoph Karbenk, Partner der Capi- ton AG in Berlin. Der renommierte Investor im Mittel- stand leitet inzwi- schen bei jedem geplanten Verkauf den Versicherungs- prozess ein, nachdem man ganz über- wiegend gute Erfahrungen gesammelt hat: „Wesentliche Verzögerungen kön- nen sich Makler und Versicherer gar nicht leisten. Die sind schnell, und man bekommt sehr zeitnah ein Gefühl, was geht – und was voraussichtlich nicht gehen wird.“ Capiton nutzte erstmals 2013 eine Police, und zwar auf der Käuferseite. Ein ausländischer Verkäufer hatte den Versi- cherungsprozess bereits angestoßen und über seine Vendor Due Diligence schon ein W&I-Paket geschnürt. „Wir haben das dann gegengerechnet und am Ende einen anderen Versicherer als den vorgeschla- genen genommen“, erinnert sich Karbenk. Ganz so aufwandsneutral sieht von Alten die Einschaltung einer Versicherung nicht, schließlich denn werde auf den endverhandelten Kaufvertrag und den Due-Diligence- Report des Käu- fers aufgesetzt, so- dass keine Paralle- lität der Vorgänge möglich ist: „Vier bis fünf Wochen bis zur Ausstel- Dr. Ernst Ludes, CV Capital lung der Police sind machbar, diese Zeit muss man aber auch einrechnen.“ Ludes warnt ebenfalls davor, die Erhöhung der Komplexität zu unterschätzen; zudem sor- ge die Einschaltung weiterer Spezialisten auch für erhöhte Kosten. „Wir haben gerade einen Fall gehabt, da ist die Ver- sicherung von der Käuferseite schlicht rausgeschmissen worden.“ Auf der ande- ren Seite sorge allein die Existenz von M&A-Versicherungen aber auch für die Beschleunigung der Verhandlungen. „Kaufverträge sind heute sehr abge- speckt, was die Garantien betrifft“, analy- siert von Alten. Das rühre daher, dass nur noch Mindestgarantien gegeben würden, „und der Rest wird in die W&I- Police geschoben“. Wie Capiton zählt auch VR Equitypart- ner zu den Anwendern: „Wir nutzen W&I- Policen sowohl als Käufer als auch als Ver- käufer im Rahmen eines strukturierten Verkaufsprozesses“, berichtet Geschäfts- führer Christian Futterlieb. Als Verkäufer stößt VR Equitypartner den Prozess an, leitet dann einen Seller-Buyer-Flip ein, sodass der Käufer als Versi- cherungsnehmer fungiert. „Wir nut- zen Versicherungs- makler, richten die Vendor Due Dili- gence aber nicht speziell auf das Underwriting aus“, so Futterlieb. Christian Futterlieb, VR Equitypartner Clean Exit als Sell-Side- Hauptmotivation Der Charme der Police eröffnet sich Verkäufern ganz unmittelbar: „Clean Exit“ lautet die einhellige Antwort von Futter- lieb und Karbenk, wenn es um die Haupt- motivation auf der Sell-Side geht. Doch auch bei den Käufern sind Policen beliebt, so Baos Beobachtung, vor allem, wenn es sich um kleinere Häuser handelt: „Die Vermeidung von Risiken steht hier ganz oben. Ich treffe in Verhandlungen ganz viele Buy-Side-Anwälte, denen es vor allem um die Vermeidung von Risiken geht, denn die können gerade für ein kleines Haus schnell existenzgefährdend werden.“ Während W&I-Policen bei Transak- tionen mit Private-Equity-Fonds bereits Praxis einen gewissen Marktanteil erobert haben, sei bei Privatverkäufen sowie Konzern- Spin-offs noch Zurückhaltung spürbar. „Gerade Unternehmer sind zum Start von Verkaufsprozessen sehr sensibel, wenn es um Kosten geht“, weiß von Alten. Die von Versicherern im Vorfeld der Prüfung erho- bene Gebühr von bis zu 15.000 EUR habe schon potenzielle Kunden abgeschreckt. „Die Fee wird dann zwar bei einem Abschluss angerechnet, sorgt aber den- noch für Zögern.“ Zudem sei der klas- sische Mittelständler der Meinung, seinen Betrieb bis in die letzte Maschine zu kennen, und somit überzeugt, aus gutem Grund sicher zu sein, dass keine versteck- ten Risiken bestehen. Entsprechend räume er als Verkäufer Garantien ein und sei an Policen minder- interessiert. Würden sie doch eingesetzt, sei in diesen Fällen die Haftungsgrenze tendenziell niedriger und damit die Prämie preiswerter. Keine Regel ohne Ausnahme, erklärt Bao: „Private Verkäufer im fort- geschrittenen Alter sind nach unseren Erfahrungen offen für W&I-Policen, da sie einen sicheren Exit wollen, um sich nach dem Verkauf des Unternehmens keine Gedanken mehr machen zu müssen.“ Karbenk berichtet, dass Capiton W&I- Versicherungen bei Transaktionen mit an- deren PE-Häusern häufig nutzt, „bei Corporates haben wir das Instrument aber bis heute nicht eingesetzt, da wir in diesem Segment praktisch auf keinerlei Interesse treffen“. Sven Oleownik hat ganz aktuell ähnliche Erfahrungen gemacht, und das sogar zweifach: Man sei gemein- sam mit M&A-Abteilungen von Konzernen in Unternehmen investiert. Während Vorberatungen zu angedachten Verkäufen habe er das Thema angesprochen, sei aber auf extreme Zurückhaltung gesto- ßen. „Bei Konzernen scheut man die Zusatzkosten und den zusätzlichen Work- stream“, macht Oleownik einen Grund für die Zurückhaltung aus. Zudem zähle ein Clean Exit nicht zu den Hauptmotiva- tionen bei einem Verkauf, da gehe es eher um Portfoliobereinigungen oder andere, konzerninterne Hintergründe. Auf konkrete Nachfrage geben die Vertreter der Transaktionsberater über- einstimmend an, die Möglichkeit der M&A- Versicherungen nicht aktiv in den Verhandlungsprozess einzubringen, so- lange die Gespräche reibungslos ver- laufen. Anders sehe es aus, wenn das Special „M&A Insurance 2019“ 27