Die Medios AG, Großhändler von Specialty Pharma Arzneien und Hersteller von personalisierten Medikationen, ist seit einem Jahr im General Standard der Börse notiert. Parallel legte das Unternehmen gute Geschäftszahlen vor und baut seine Produktionskapazitäten aus. Zeit für ein Gespräch.

 

Plattform Life Sciences: Herr Gärtner, seit rund einem Jahr ist die Medios AG im General Standard der Deutschen Börse gelistet. Was waren die Beweggründe für diesen Schritt und wie fällt Ihr Fazit aus?

Gärtner: Wir erleben einen wachsenden Markt für Specialty Pharma in Deutschland. Vor diesem Hintergrund finden aktuell große Umverteilungsprozesse statt. Wir haben hier eine große Chance erkannt, um an diesem Wachstum zu partizipieren, zumal auch unsere Tochtergesellschaften Medios Pharma und Medios Manufaktur in der Vergangenheit ein klares Wachstum verzeichnen konnten. Zwar konnten wir uns bislang stets ausreichend durch Eigenkapital finanzieren, für das weitere Wachstum haben wir aber verschiedene Finanzierungsoptionen eruiert. Letztlich schien uns der Börsengang sinnvoll, um nicht nur weiteres Kapital zu generieren, sondern auch zusätzliche Investoren zu gewinnen. Auch der Schritt in die Öffentlichkeit und die damit verbundene Transparenz ist für uns als Pharmaunternehmen sinnvoll.

Unser Ziel war es, 30 Mio. EUR einzusammeln, um das operative Geschäft und eine gut strukturierte Firmengruppe aufzubauen. Dieses Ziel haben wir erreicht. Wir konnten eine Immobilie erwerben, unsere Kapazitäten erweitern und weitere Partnerschaften eingehen.

Natürlich ist ein Börsengang mit hohen regulatorischen Anforderungen verbunden, ebenso mit Anforderungen in den Bereichen Investor Relations, Public Relations und Compliance. Dies erfordert entsprechende organisatorische und finanzielle Ressourcen. Schlussendlich muss jedes Unternehmen selbst entscheiden, ob es diese zur Verfügung stellen kann und will. Wenn ein Unternehmen diese Ressourcen aufbringen kann, ist ein Börsengang durchaus sinnvoll. Es wäre wünschenswert, wenn es in Deutschland mehr Börsengänge geben würde.

Medios hat im ersten Halbjahr 2017 durch ein starkes Wachstum überzeugt; das Unternehmen hat seine Prognose bestätigt. Was waren bzw. sind die entscheidenden Faktoren für diese guten Zahlen?

Mit Veröffentlichung unserer Halbjahreszahlen konnten wir unsere Prognose für das laufende Geschäftsjahr sogar auf einen Umsatz von 230 Mio. EUR erhöhen. Das bedeutet eine Steigerung von 44% gegenüber dem Vorjahr.

Das hat verschiedene Gründe. Der Specialty Pharma-Markt in Deutschland ist ein 10 Mrd. EUR-Markt, mit einem jährlichen Wachstum von etwa 10%. Zudem ändern sich die Strukturen des Pharma-Marktes. Heute sind Medikamente wesentlich kostenintensiver und umsatzstärker als noch vor zehn oder 20 Jahren. In der Vergangenheit kannte man Specialty Pharma vor allem aus dem Onkologie-Bereich. Bei der Erstellung von individualisierten Infusionen wurden Faktoren wie Hautoberfläche, Körpergewicht oder Blutbilder berücksichtigt. Heute können entsprechende Erfahrungen auch in andere Indikationsgebiete einfließen, etwa Rheumatologie oder Gastroenterologie. Hier haben wir uns als Medios frühzeitig entsprechend aufgestellt. Schließlich spielt auch die demografische Entwicklung mit einer Zunahme der chronischen Erkrankungen eine wesentliche Rolle.

Im September hat Medios eine erfolgreiche Kapitalerhöhung vollzogen. Wie werden die neuen Mittel nun eingesetzt?

Wir wollen zum einen unser Partnernetzwerk ausbauen, vor allem im Bereich hochspezialisierter Apotheken. Weiterhin wollen wir unsere Produktpalette vergrößern. Aktuell bieten wir etwa 600 verschiedene Wirkstoffe an, im gesamten Bereich Specialty Pharma gibt es rund 1.000. Zudem wollen wir unsere Herstellungskapazitäten weiter ausbauen. Im vergangenen Jahr konnten wir in der Medios Manufaktur rund 50.000 Infusionsbeutel produzieren.

Kurze Zeit später wurde mit dem angekündigten Ausbau der Herstellungskapazitäten für den Bereich Individualisierte Medizin begonnen. Was erhoffen Sie sich von diesem Schritt?

Bislang hatten wir lediglich einen Herstellungsbetrieb in Berlin, mit einem Schwerpunkt auf der Herstellung onkologischer Wirkstoffe. Hier waren wir an unserem Limit angekommen. Deshalb haben wir vor wenigen Wochen einen weiteren Herstellungsbetrieb übernommen, die heutige Medios Individual. Hier wollen wir Anfang nächsten Jahres den Betrieb aufnehmen und uns auf andere Indikationen konzentrieren. Damit können sich unsere Herstellungskapazitäten nahezu verdoppeln. Ein weiteres wichtiges Ziel ist die Digitalisierung. Hier investieren wir eine Menge Geld.

Parallel verfolgt Medios den Ausbau von strategischen Partnerschaften, beispielsweise mit dem Unternehmen Cranach Pharma, sowie eine Steigerung der Zahl der Partnerapotheken. Was können Sie unseren Lesern dazu sagen?

Es gibt in Deutschland rund 20.000 Apotheken, die im Schnitt einen jährlichen Umsatz von etwa 2 Mio. EUR erzielen. Als Medios fokussieren wir uns auf hochspezialisierte Apotheken. Wenn sich beispielsweise eine Apotheke im Erdgeschoss eines Ärztehauses befindet, in dem auf HIV spezialisierte Ärzte praktizieren, dann wird diese Apotheke täglich von HIV-Patienten frequentiert und ist mit entsprechenden Medikamenten ausgestattet. Von diesen Apotheken gibt es circa 1.000 in Deutschland, von denen wir bereits mehr als 100 in unserem Kundenportfolio haben. Diese Zahl wollen wir mittelfristig auf 300 aufbauen.

Cranach Pharma hat sich ebenfalls auf den Vertrieb von Specialty Pharma spezialisiert. Eine wesentliche Expertise des Unternehmens liegt im neurologischen Bereich. So haben wir einerseits eine Ergänzung im Indikationsbereich, andererseits besitzt Cranach keine eigene Herstellung. Das Unternehmen ist ein reiner Großhändler. Hier sehen wir ein großes Ergänzungspotenzial, zumal beide Unternehmen gemeinsam über ein sehr großes Einkaufsvolumen verfügen. Diese Art von Symbiose zwischen einzelnen Akteuren des Marktes, die sich zusammenschließen, nennen wir Partnerschaftliche Intelligenz.

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