Im Gespräch mit dem GoingPublic Magazin erklärt uns Dr. Martin Steinbach, Head of IPO and Listing Services von EY, wie es um die IR-Branche aktuell bestellt ist, wie der Zugang europäischer Emittenten auf dem internationalen Markt ist und wie das Aktieninvestment dem Privatanleger wieder attraktiver gemacht werden kann.

Herr Dr. Steinbach, ganz naiv gefragt: Was hat EY mit Finanzmarktkommunikation und Investor Relations am Hut?

Dr. Martin Steinbach
Dr. Martin Steinbach, EY

Dr. Steinbach: Schon frühzeitig bei der Vorbereitung unterstützen wir Börsenkandidaten beim Aufbau der internen Strukturen und Prozesse, die für die Finanzkommunikation essentiell sind. Dazu zählen die für den Emittenten neuen regulatorischen Pflichten des jeweiligen Kapitalmarktes. Zudem die Vorbereitung des Zusammenspiels zwischen IR und wichtigen internen Abteilungen, z.B. der Finanzabteilung oder dem Risikomanagement sowie der ggfs. neuen Corporate Governance Struktur. In der Zeit nach dem Börsengang unterstützen wir bei der Identifikation und Umsetzung von Verbesserungspotentialen.

Welchen Herausforderungen muss sich die Branche derzeit stellen?

Der Wettbewerb um Kapital ist in den letzten Jahren immer größer geworden, da es faktisch ein globaler Wettbewerb ist. Zudem leben wir  in einer schnelllebigen Zeit, in der sich Informationen immer rascher verbreiten.  Die Aufgabe von IR-Managern ist es, darauf zu vorbereitet zu sein und gekonnt damit umzugehen. Zudem hat die Aktivität der Investoren in der letzten Zeit deutlich zugenommen, was am Beispiel von Proxy Votern auf der Hauptversammlung deutlich wird.  So haben wir es heutzutage nicht mehr mit  08/15 Hauptversammlungen zu tun, was für die IR Arbeit in der Vorbereitung eine neue Herausforderung darstellt.

In den letzten Jahren sind immer mehr Regularien, wie jüngst MiFID II, hinzugekommen. Welche Auswirkungen hat das auf die IR Arbeit?

Die Branche ist dadurch ständig in Bewegung. Der IR-Manager von heute muss  immer auf dem aktuellsten Stand der Regularien bleiben und sich permanent neu ausbilden. Das gilt besonders für Änderungen in den IFRS in der Kommunikation der Finanzzahlen. Er muss auch immer über die aktuellen internationalen Best Practices Bescheid wissen. Schließlich stellenim DAX ausländische Investoren die Mehrheit in der Aktionärsstruktur, wie unsere Studienergebnisse erst kürzlich wieder gezeigt haben.

Zugang zu internationalen Investoren
Zugang zu internationalen Investoren. Quelle: EY

Wenn wir gerade beim Thema sind: Viele Unternehmen blicken in Richtung USA, mit dem Argument, dass es dort mehr Investoren gibt. Welche Rolle spielt das Land für Emittenten?

Das ist ein interessanter Punkt, denn unsere aktuellen Studie mit dem DIRK  zu dem Thema zeigen, dass 66% der IR Manager aus der DACH-Region vollen Zugang zu US- Investoren als gegeben sehen,  auch ohne ein SEC-Listing. Insofern geben Investoren europäischen Emittenten denselben Zugang zu Finanzmitteln unabhängig von der Wahl des Börsenplatzes.

Trotz vieler Neuemissionen im Moment, hinkt Deutschland im internationalen Vergleich in Sachen IPOs hinterher. Was hindert Unternehmen daran, an den Kapitalmarkt zu gehen?

Bisher galten die hohen Transparenzleveln als größte Hürde in Deutschland.  Wir sind gespannt darauf, ob sich etwas ändert, wenn die gesetzliche Verpflichtung der Quartalsinformationen im November 2015 wegfällt. Problematisch sieht es aber nach wie vor bei kleinen Unternehmen im DACH-Raum aus: Je kleiner das Unternehmen, desto schwieriger ist der Marktzugang bei institutionellen Investoren. Unternehmen mit einer Marktkapitalisierung ab 1 Mrd. EUR haben wenig Probleme im Zugang zu wichtigen Intermediären. Bei allem was darunter liegt ist der Zugang zu Investoren und Analysten schwieriger – insbesondere zu Small Cap Investoren , was ein große Herausforderung beim Börsengang und in der Zeit danach darstellt.

EY Grafik Privatinvestoren
Privatinvestoren bei Börsengängen. Quelle: EY

Die mangelnde Bereitschaft von Privatinvestoren, am Kapitalmarkt zu investieren hält nach wie vor an. Was kann die Finanzkommunikation hier tun, damit Private wieder größere Zugänge zum Markt finden?

Teilnehmer der DIRK EY Studie sehen insbesondere steuerliche Anreize als zielführend damit wieder mehr Privatanleger über indirekte und direkte Anlage in Aktien investieren. Viele Banken verzichten mittlerweile auf eine Direktvermarktung von Aktien. Außerdem findet das Thema in der Schulbildung viel zu wenig Beachtung und soll stärker gefördert werden. Ein weiteres Problem ist, dass viele Private durch negative Erfahrungen abgeschreckt sind. Fonds, die eine hohe Diversifikation bieten, müssten also mehr Aufmerksamkeit erfahren. Es ist sehr schade, dass Emittenten zu Privatinvestoren einen geringeren Zugang sehen, da diese oft loyaler, langfristiger orientiert  und weniger aktiv als Institutionelle eingeschätzt werden.

Wie schätzen Sie die Entwicklung der IR-Branche künftig ein?

Einerseits gibt immer weniger Arbeitgeber für Investor Relations, da die Kapitalmärkte laut einer Studie des DAI netto weiter schrumpfen. Umso wichtiger ist es deshalb, an Neuzugängen zu arbeiten, um die IR zu stärken. Andererseits erleben wir gerade eine positive Stimmung bei IPOs. Noch nie gab es so viel Liquidität am Markt wie heute, die verstärkt die Anlage sucht. Zudem lagen viele Börsengänge im zweiten Quartal durchschnittlich um 12,7% über Emission, was sich wiederum positiv auf die Branche auswirkt.  Einziger Wermutstropfen sind die aktuellen geopolitischen Krisen in Europa, wie der Ukraine-Konflikt oder die Schuldenkrise in Griechenland. Trotzdem finde ich es sehr positiv, wie sich die Branche in den letzten Jahren hierzulande entwickelt hat. Wir haben mittlerweile eine vitale IR-Community, die sich von einer Interessengemeinschaft zu einem professionellen Verband entwickelt hat.

Herr Dr. Steinbach, vielen Dank für die spannenden Einblicke

Die vollständige DIRK EY Studie können Sie hier nachlesen

 

Das Interview führte Svenja Liebig

Alles rund um das Thema Investor Relations können Sie auch in der aktuellen Ausgabe des GoingPublic Magazins nachlesen.

 

 

 

 

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