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Das Auskunftsrecht der Aktionäre ist gegenständlich beschränkt. Der Aktionär kann in der Hauptversammlung nicht jede erdenkbare Information verlangen, sondern nur solche Auskünfte, die für eine sachgemäße Beurteilung einzelner Tagesordnungspunkte und hier insbesondere der Beschlussgegenstände erforderlich sind.

Ein besonderes Spannungsfeld ergibt sich, wenn ein Auskunftsverlangen Sachverhalte betrifft, die aufgrund des Verdachts einer Unregelmäßigkeit Gegenstand einer internen oder externen Prüfung sind oder werden sollen. Dies können z.B. interne Prüfungen des Aufsichtsrats oder externe Prüfungen durch einen Sonderprüfer oder eine Behörde sein. Es stellt sich in all diesen Fällen die Frage, wie sich das Auskunftsrecht des Aktionärs zum Kompetenzgefüge in der Aktiengesellschaft verhält und ob mit Blick auf dieses Gefüge Beschränkungen des Auskunftsrechts anzunehmen sind.

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Verhältnis zwischen Auskunftsrecht und aktienrechtlicher Sonderprüfung

Die hier zu besprechende Entscheidung des Landgerichts München I betrifft das Verhältnis zwischen Auskunftsrecht und Sonderprüfung. Zu diesem Verhältnis hatte das OLG Düsseldorf zuletzt entschieden, dass eine laufende Sonderprüfung keine Sperrwirkung entfaltet und das Auskunftsrecht unberührt lässt. Insbesondere müsse sich der Aktionär in zeitlicher Hinsicht nicht darauf vertrösten lassen, dass seine Frage im Rahmen der Sonderprüfung geklärt und beantwortet werde (vgl. zu weiteren Einzelheiten die Besprechung der Entscheidung des OLG Düsseldorf in HV-Magazin 04/2020, S. 32).

Das LG München I knüpft an die Rechtsprechung des OLG Düsseldorf an und entwickelt diese fort.

Die Entscheidung des Landgerichts München I

Bei der beklagten Gesellschaft, war zunächst die Durchführung einer Sonderprüfung beschlossen worden. In einer weiteren außerordentlichen Hauptversammlung sollte der Beschluss dann wieder aufgehoben werden. In dieser weiteren Hauptversammlung stellten Aktionäre diverse Fragen. Diese Fragen waren dadurch gekennzeichnet, dass sie sich mit dem Gegenstand der Sonderprüfung deckten. Der Vorstand sah darin eine Vorwegnahme der Sonderprüfung und verweigerte die betreffenden Auskünfte.

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Das Landgericht München I folgte der durch das OLG Düsseldorf vorgezeichneten Linie und verneinte eine Sperrwirkung der Sonderprüfung. Das Auskunftsrecht werde weder bei einer laufenden Sonderprüfung noch in einer Situation eingeschränkt, in der es um die Aufhebung einer bereits beschlossenen Sonderprüfung gehe.

Eine Vorwegnahme der Sonderprüfung, so das Gericht, sei in einer Auskunftserteilung auch deshalb nicht zu sehen, weil die Auskunftserteilung nicht die gleiche Detailtiefe haben könne und müsse wie die Sonderprüfung.

Zu den geforderten Auskünften selbst entschied das Gericht, dass Auskünfte zum Gegenstand der Sonderprüfung als zur sachgemäßen Beurteilung eines Tagesordnungspunkts „Aufhebung des Beschlusses zur Durchführung einer Sonderprüfung“ regelmäßig erforderlich sind. Mit diesen Informationen könnten sich die Aktionäre ein Bild darüber machen, ob die Aufhebung des Beschlusses gerechtfertigt sei oder nicht.

Übertragbarkeit der Entscheidung auf andere Sachverhaltskonstellationen

Die Argumentation des Landgerichts München I ist deshalb bemerkenswert, weil sie verallgemeinert und auf andere Sachverhaltskonstellationen übertragen werden kann.

Zunächst muss man davon ausgehen, dass die Überlegungen des Gerichts auch für den Fall gelten, in dem erstmals über die Durchführung einer Sonderprüfung beschlossen werden soll. Fragen, die den Gegenstand der Sonderprüfung betreffen, wird man regelmäßig für erforderlich halten müssen, um den entsprechenden Beschlussgegenstand beurteilen zu können.

Offen erscheint hingegen die Frage, wie es sich verhält, wenn Auskünfte nicht zu einem Tagesordnungspunkt „Sonderprüfung“ verlangt werden, sondern z.B. zu einem Tagesordnungspunkt „Entlastung“. Es könnte hier durchaus ein anderer Maßstab gelten. Andererseits erscheint das Argument des Landgerichts München I verallgemeinerungsfähig, wonach die Detailtiefe der Auskunftserteilung nicht mit jener einer Sonderprüfung vergleichbar ist. Dies spräche dann generell für die Erforderlichkeit der Auskunft bzw. das Fehlen eines Rechts zur Auskunftsverweigerung, und zwar ganz unabhängig von der Frage, ob sich das Auskunftsbegehren auf eine eine Sonderprüfung oder auf eine andere Prüfung und hier insbesondere eine interne Prüfung bezieht.

Fazit

Befasst sich die Hauptversammlung mit einem Tagesordnungspunkt, zu dem die Durchführung einer Sonderprüfung beschlossen oder eine bereits beschlossene Sonderprüfung aufgehoben werden soll, müssen Fragen zum Gegenstand der Sonderprüfung regelmäßig als erforderlich angesehen werden. Die Verwaltung wird solche Fragen im Zweifel beantworten müssen.

Weniger eindeutig ist die Pflichtenlage, wenn Fragen zu Sachverhalten, die zugleich Gegenstand einer internen oder externen Prüfung sind, zu einem Tagesordnungspunkt wie etwa der Entlastung gestellt werden.

Der Bundesgerichtshof hat bisher eine vergleichsweise restriktivere Haltung eingenommen, wenn es um die Auskunftspflicht bei Fragen zu Sachverhalten ging, die Gegenstand interner Prüfungen des Aufsichtsrats waren. Legt man allerdings die Argumentation des LG München I aus dem hier besprochenen Urteil zugrunde, wird man sich bei der konkreten Entscheidung über die Auskunftserteilung nicht mehr ohne Weiteres auf den Fortbestand der eher restriktiven Rechtsprechung des BGH verlassen können.

Autor/Autorin

Dr. Thomas Zwissler

Rechtsanwalt Dr. Zwissler berät bei gesellschafts-, bank- und kapitalmarktrechtlichen Fragen sowie in allen Fragen der Unternehmensfinanzierung.

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