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GoingPublic: Herr Speck, vor einem Jahr sagte uns Herr Taverne im Gespräch, klares Ziel sei der SDAX. Mit einer Market Cap von aktuell 335 Mio. EUR sind Sie schon in den Bereich gerückt – allerdings lag sie vor einem Jahr beim Doppelten, doch auch die SDAX-Konkurrenz hat gelitten. Sehen Sie sich auf dem Wege noch gut in der Spur?

Speck: Das würde ich schon sagen. Ja, der SDAX ist unser Ziel. In diesem außergewöhnlichen Jahr müssen wir allerdings akzeptieren, dass dieses Ziel nicht direkt in greifbare Nähe rückt, sondern der Weg dahin einige Umwege nimmt. Aktuelle Themen wie Lieferkettenunterbrechungen und der Krieg in der Ukraine haben auch uns getroffen. Wir nehmen also den ein oder anderen Umweg in Kauf, um dem Ziel ein Stück näherzukommen. Auf viele externe Gegebenheiten haben wir nur geringen bis keinen Einfluss – wir tun jedoch unser Bestes – mit strategischen und operativen Maßnahmen –, um die Auswirkungen zu reduzieren. Dazu gehört auch eine klare und transparente

Woran lag es, dass der Aktienkurs in den vergangenen zwölf Monaten überproportional gelitten hat?

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Ich denke, da hat eine Vielzahl von Faktoren ihren Einfluss genommen. Bekanntlich ist der Kapitalmarkt kein Freund von Un-sicherheiten. Und genau diese haben wir, bedingt durch die Herausforderungen in den Lieferketten, die letzten zwölf Monate erfahren. Wir mussten unsere Produktion, trotz prall gefüllter Auftragsbücher, im-mer wieder abschalten. Dieser unplan-bare Stop-and-Go-Betrieb hat unseren Geschäftsbetrieb erheblich beeinflusst. Wir waren dadurch zweimal gezwungen, unsere Prognosen anzupassen. Eine Inflation von fast 10% und eine Verdreifachung der Zinsen innerhalb kürzester Zeit schüren Ängste an Kapitalmärkten. Die Aktie wird deutlich unter Wert gehandelt. Diese Meinung teilen auch unsere nunmehr acht Analysten.

Ein leidiges Thema: Wir befinden uns in Coronajahr Nummer drei, und streng genommen ist der Krieg um die Ukraine bereits acht Jahre alt. Wie reagieren Sie auf den neuen Status quo bzgl. Liefer-ketten – wie unabhängig kann man sich machen?

Der Engpass bei den Chassis war einiger-maßen früh absehbar. Wir haben deshalb frühzeitig die Tür für neue Lieferanten geöffnet, in kürzester Zeit vier weitere Chassis-Lieferanten aufgenommen und darauf neue Modellvarianten entwickelt. Konkret werden wir ab dem Modelljahr 2023, das übrigens im August dieses Jahres begonnen hat, Wohnmobile auch auf Fahrgestellen von VW, MAN, Mercedes und Ford anbieten. Der FIAT Ducato als Chassis hatte bei uns noch 2021 einen Marktanteil von über 95%. Im Jahr 2022 werden es vielleicht noch 60% bis 65% und Ziel für nächstes Jahr ist eine weitere Optimierung des Markenmixes. Lassen sich andere Hersteller denn so vermeintlich einfach integrieren? Hier hat unsere Mannschaft in den vergangenen Monaten Beachtliches geleistet. Denn um die neuen Fahrgestelloptionen auch zur Marktreife zu bringen, bedarf es umfassender Anpassungen im Produk-tionsprozess und im technischen Design. In Summe haben wir in weniger als einem Jahr mehr als 16 neue Modellvarianten für unsere Premiummarken KNAUS, WEINS-BERG und TABBERT definiert und sogar mit dem KNAUS TOURER CUV ein neues Segment bei Wohnmobilen definiert.

Wie wirkt sich die beschriebene Lage auf die Auftragssituation aus? Sind die Kunden angesichts steigender Inflation noch immer in Kauflaune?

Wir halten seit einem Jahr unseren Auftragsbestand konstant auf rund 1,4 Mrd. EUR oder ungefähr 35.000 Einheiten. Das entspricht aktuell einer Auslastung unserer Werke von mehr als zwölf Monaten. Das gibt uns Planungssicherheit, konfrontiert aber Händler und Kunden mit langen Lieferzeiten. Daher investieren wir in den Ausbau unserer Kapazitäten. In den nächsten Jahren wollen wir die Kapazität sukzessive und einhergehend mit der Marktentwicklung auf 50.000 Einheiten erhöhen. Das heißt in anderen Worten: Die Wachstumsdynamik des Markts ist für Knaus Tabbert weiterhin hoch.

Deutschland soll der größte Markt für Caravans sein. Was macht uns denn dermaßen besonders?

Die Geburt der großen Marken im Caravaning liegt hier in Deutschland. Und mit dem CARAVAN SALON diesen Sommer in Düsseldorf mit über 230.000 Besuchern haben wir auch die mit Abstand wichtigste Messe für Caravaning in Europa bei uns zu Gast. Helmut Knaus war in den 1960er-Jahren einer der Pioniere im Sektor. Alfred Tabbert ebenfalls Gründervater ikonischer Marken in den 1960ern. Vor diesem Hintergrund würde ich beinahe behaupten, wir tragen seither gewisse Caravaning-Gene in uns. Deutschland verfügt über eine wunderbare und abwechslungsreiche Landschaft sowohl in Nord-Süd- als auch Ost-West-Ausrichtung. Die lädt schlicht dazu ein, sie mobil zu erkunden, im wahrsten Sinne zu erfahren. Deutschland hat zudem die entsprechende Kaufkraft als auch eine Altersstruktur, was Stabilität in die Märkte bringt und ein positives Momentum für die Zukunft liefert.

Mit Caravaning verbinde ich … nun, sagen wir: Rentner:innen, so ähnlich wie Golfspielen oder Segeln.

Ja, die geburtenstarken Jahrgänge aus den 1960er-Jahren kommen jetzt ins Rentenalter. Und darüber freuen wir uns sehr! Rufen Sie sich die demografische Entwicklung nicht nur in Deutschland in Erinnerung. Natürlich können sich vor allem die Best Ager die Muße gönnen, mit einem Wohnmobil über einen längeren Zeitraum Länder und Regionen zu erkunden. Mit RENT AND TRAVEL sprechen wir aber auch die Kunden von morgen an. Immer mehr junge Leute bevorzugen diese Urlaubsform und nutzen unsere Miet- und Reiseplattform als Einstieg in die faszinierende Welt des Caravanings. Mit unserer Buchungsplattform RENT AND TRAVEL erkennen wir, dass 40% aller Buchungen in der Altersgruppe von 18 bis 34 Jahren getätigt werden.

Analysten prognostizieren in etwa eine Ertragsverdopplung von 2021 auf 2023. Wodurch kommt diese zustande?

Knaus Tabbert peilt für die nächsten Jahre ein signifikantes Wachstum an. Hinzu kommt eine signifikante und kontinuierliche Verbesserung der Ergebnisqualität in Richtung einer Ergebnismarge von über 10%. Wir werden Versorgungsengpässe, Produktionsstörungen und -stillstände oder das Nachrüsten unfertiger Fahrzeuge aufgrund fehlender Bauteile hinter uns lassen. Dafür schaffen wir gerade mit un-seren innovativen und zukunftsorientierten Produkten, modernen Produktionsstätten mit ausreichender Kapazität, optimierten Prozessen auf der Beschaffungsseite, einer breiteren Lieferantenbasis und qualifiziertem Personal die notwendigen Voraussetzungen. Und nicht zu vergessen: Knaus Tabbert möchte alle Investoren an diesem Erfolg des Unternehmens teil-haben lassen. Daher schütten wir mehr als die Hälfte des Bilanzgewinns, genauer gesagt 60%, an unsere Aktionäre aus.

Das Modethema ESG dürfen wir nicht auslassen – ist das für eine Knaus Tabbert überhaupt ein Aspekt?

Aber natürlich! „Explore the world where you want and whenever you want.“ Diese Urlaubsform ist naturnah und ressourcenschonend. Nachhaltigkeit ist für uns kein Lippenbekenntnis. Nachhaltigkeit findet sich in vielen Bereichen des Unternehmens wieder. Sei es bei der Entwicklung alternativer Antriebssysteme für Wohn-mobile oder unsere E-Power-Modelle. Oder in der Verwertung von Produktionsabfällen zu Energieversorgung unserer Standorte in Mottgers und Jandelsbrunn. Nachhaltig wirtschaften ist aber natürlich weitaus mehr als nur der Umweltaspekt. ESG steht auch für soziales Engagement und verantwortungsvolle Unternehmensführung – darüber könnten wir allein eine Stunde sprechen. Ich sehe ESG als große Chance für die Caravaning-Industrie!

Herr Speck, ganz herzlichen Dank für Ihre Zeit und die ausführlichen Erläuterungen.

Das Interview führte Falko Bozicevic.

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ZUR PERSON

Knaus Tabbert AG CEO Wolfgang Speck.
Foto: © Knaus Tabbert AG

Wolfgang Speck ist seit 2013 CEO von Knaus Tabbert. Zuvor war er mehr als zehn Jahre CEO von Unternehmen aus dem Automobilsektor.

Autor/Autorin

Falko Bozicevic

Falko Bozicevic ist Mitglied des Redaktionsteams des GoingPublic Magazins sowie verantwortlich für das Portal BondGuide.