Die Benennung eines Stimmrechtsvertreters, den die Aktionäre mit der Wahrnehmung ihrer Stimmrechte in der Hauptversammlung bevollmächtigen können, ist bei den meisten Publikumsaktiengesellschaften Standard. Häufig werden Mitarbeiter der Gesellschaft benannt, teilweise aber auch externe Personen und vielfach auch Geschäftsführer oder Mitarbeiter des HV-Dienstleisters.

Anders als bei Kreditinstituten und diesen gleichgestellten Personen, denen das Aktiengesetz mit seinem § 135 eine durchaus detailreiche Regelung widmet, sind die Vorgaben für die Tätigkeit des Stimmrechtsvertreters der Gesellschaft in § 134 Abs. 3 Satz 5 AktG nur sehr rudimentär geregelt. Seit jeher steht daher die Frage im Raum, ob Stimmrechtsvertreter der Gesellschaft über den in § 134 Abs. 3 Satz 5 ausdrücklich in Bezug genommenen § 135 Abs. 5 AktG hinaus noch weiteren Bindungen unterliegen, insbesondere solchen, die § 135 AktG für Kreditinstitute und gleichgestellte Personen vorsieht. Das OLG Hamm (und das LG Dortmund als Vorinstanz) hatte im vergangenen Jahr die Gelegenheit, einige der sich in diesem Zusammenhang stellenden Fragen zu erörtern und zu entscheiden. 

Überlassung von Aktien im Wege der Legitimationsübertragung?
In dem hier zu besprechenden Fall war ein von der Gesellschaft benannter Stimmrechtsvertreter unter anderem als Legitimationsaktionär aufgetreten. Wie der Vertreter übt der Legitimationsaktionär das Stimmrecht aus fremden Aktien aus, allerdings nicht im fremden, sondern im eigenen Namen.

Kreditinstituten und den ihnen nach § 135 Abs. 8 AktG gleichgestellten Personen ist die Teilnahme an Hauptversammlungen als Legitimationsaktionäre untersagt (eine Ausnahme gilt nach § 135 Abs. 6 bei Namensaktien, sofern das Kreditinstitut bzw. die gleichgestellte Person im Aktienregister eingetragen ist). Ob dies generell auch für den von der Gesellschaft bestimmten Stimmrechtsvertreter gilt, hat das OLG Hamm offengelassen. Unzulässig sei das Auftreten als Legitimationsaktionär aber zumindest dann, wenn es sich bei dem von der Gesellschaft bestimmten Stimmrechtsvertreter nicht um einen Mitarbeiter der Gesellschaft, sondern um den an der Hauptversammlung gegen Entgelt mitwirkenden HV-Dienstleister handelt, von dem ein gewerbsmäßiges Handeln anzunehmen sei. Das Landgericht Dortmund hatte als Vorinstanz noch geurteilt, die Überlassung von Aktien im Wege der Legitimationsübertragung sei unkritisch, wenn sie an den von der Gesellschaft benannten Stimmrechtsvertreter erfolge.

Stimmrechtsvertretung auch ohne Weisung?
Kreditinstitute und die ihnen nach § 135 Abs. 8 AktG gleichgestellten Personen dürfen als Vertreter das Stimmrecht aus Aktien nur ausüben, wenn im Zuge der Bevollmächtigung Weisungen erteilt wurden. In Ermangelung einer eindeutigen gesetzlichen Regelung stellt sich die Frage, ob Vergleichbares auch für den von der Gesellschaft benannten Stimmrechtsvertreter anzunehmen ist.

Eine höchstrichterliche Entscheidung hierzu fehlt. In der Literatur ist die Frage umstritten. Der DCGK fordert einen weisungsgebundenen Stimmrechtsvertreter. Das OLG Hamm konnte die Frage offen lassen, da es die zur Überprüfung gestellten Beschlüsse schon wegen der aus Sicht des Gerichts unzulässigen Legitimationsübertragung für unwirksam erklärte. Das LG Dortmund ließ die Frage offen, da es in jedem Fall von einer ausreichenden Weisungserteilung ausging.

Wirksamkeit der Weisung zu nicht angekündigten Anträgen
Im Zusammenhang mit dem Weisungserfordernis stellen sich weitere Rechtsfragen, die noch keine abschließende Klärung gefunden haben. Im vorliegenden Fall ging es unter anderem um die Beschlussfassung über die Abwahl des Versammlungsleiters. Der entsprechende Antrag wurde erst in der Hauptversammlung gestellt. Konkrete Weisungen konnte es zu diesem Beschluss daher nicht geben. Hierzu stellt sich die Frage, ob derartige Fallkonstellationen über eine generalklauselartige Formulierung der Weisung aufgefangen werden können.

Das LG Dortmund erachtete es als Vorinstanz als ausreichend, wenn der Stimmrechtsvertreter eine allgemeine Weisung erhalten hatte, die ihn verpflichtete, stets im Sinne der „vor und in der Hauptversammlung“ vorgelegten Vorschläge der Verwaltung zu stimmen, und zugleich klargestellt sei, dass stets der letzte Vorschlag der Verwaltung zu einem Tagesordnungspunkt oder einem Antrag maßgeblich sei. Für das OLG Hamm hingegen spielte die Frage aus den oben genannten Gründen keine Rolle mehr.

Fazit
Die rechtliche Stellung des Stimmrechtsvertreters der Gesellschaft ist nach wie vor in vielen Punkten unsicher. Insoweit ist zu begrüßen, dass die Entscheidung des OLG Hamm nicht in Rechtskraft erwachsen, sondern dem Bundesgerichtshof zur Überprüfung vorgelegt wurde. Der Bundesgerichtshof hat dadurch Gelegenheit, über den konkreten Anlass hinaus Leitlinien für die Tätigkeit des Stimmrechtsvertreters der Gesellschaft zu entwickeln und in diesem für die Praxis sehr wichtigen Bereich für mehr Rechtssicherheit zu sorgen.

Autor/Autorin