Ein wichtiger Gegenstand der aktienrechtlichen Reform des Jahres 2009 war eine Erweiterung der Teilnahmeformen an der HV. Seither gibt es – überblicksweise dargestellt – folgende Möglichkeiten der Gestaltung der Teilnahmemöglichkeiten an der HV einer österreichischen AG:

Keine reine Online-HV

Eine rein virtuelle HV – sozusagen die „HV im Cyberspace“, die ausschließlich über das Internet abgewickelt wird – ist in Österreich noch immer unzulässig. Die Schaffung der satzungsmäßigen Voraussetzungen und eine praktische Umsetzung der neuen Teilnahmeformen verliefen und verlaufen in Österreich nur zögerlich. Im Jahr 2010 hatte angeblich erst die Österreichische Post AG die Briefwahl in ihrer Satzung verankert. Offenbar hatten damals lediglich DO & CO, die Telekom Austria AG und die OMV die Voraussetzungen für Fernteilnahme und Fernabstimmung geschaffen.

Eine aktuelle Befragung des Cercle Investor Relations Austria (C.I.R.A) bei 40 börsennotierten österreichischen AGs aus dem Jahr 2011 hat gezeigt, dass die „Rezeption“ der erweiterten Teilnahmeformen noch sehr zögerlich erfolgt: Keine einzige der befragten Gesellschaften bietet derzeit die elektronische Fernabstimmung an. Die Möglichkeit der Briefabstimmung wird durch keinen der befragten Large Caps angeboten und von lediglich 5,9% der Mid Caps sowie 17,6% der Small Caps. Lediglich bei der Online-Übertragung der HV sieht es besser aus: Diese Möglichkeit bieten 83,4% der Large Caps, 29,5% der Mid Caps, jedoch keiner der befragten Small Caps. Dabei übertragen 16,7% der Large Caps und 5,9% der Mid Caps die ganze HV – bei 66,7% der Large Caps und bei 23,5% der Mid Caps beschränkt sich die Übertragung auf die Vorstandsreden.

Sicherheitsbedenken und Kostengründe

Hinterfragt man die Gründe der schleppenden Umsetzung der neuen gesetzlichen Möglichkeiten, so werden als vordergründige Argumente manchmal Sicherheitsbedenken genannt. Kostengründe erscheinen da schon plausibler, zumal ja auch die Sicherheitsthemen durch entsprechenden Mitteleinsatz immer lösbar sind. Und manchen erscheint der Aufwand, sozusagen näher zum Aktionär zu rücken, ganz einfach überflüssig, solange der Nachfragedruck nicht hoch genug wird.

Anders stellt sich die Situation ja in Deutschland dar: Schon im Jahr 2010 hatten neun der 30 DAX-Unternehmen ihren Aktionären die komplette HV online angeboten – fünf davon sogar zusätzlich für Nicht-Aktionäre. In der HV-Saison 2011 hatten bereits 25 von 30 DAX-Unternehmen Satzungsregelungen hinsichtlich der Briefwahl implementiert, und 50% derselben boten diese Möglichkeit tatsächlich an. Bereits 14 dieser 30 Unternehmen hatten Satzungsregelungen hinsichtlich der Online-Teilnahme getroffen, wiewohl das praktische Angebot in der Saison 2011 durch erst zwei Gesellschaften erfolgt war. Einer Umfrage des Anlegermagazins „Börse Online“ zufolge konnte 2011 bis auf eine Ausnahme bei allen Unternehmen zumindest die Rede des Vorstands online verfolgt werden, bei zwölf Gesellschaften sogar die ganze HV.

Bedürfnisse internationaler Investoren

Dass mit der Schaffung der Möglichkeit neuer und erweiterter Partizipationsmöglichkeiten an der HV den Bedürfnissen insbesondere internationaler Aktionäre und Investoren Rechnung getragen wird, zeigen Diskussionsbeiträge wie z.B. von Julia Wittenburg von Black Rock anlässlich einer HV-Veranstaltung der Oesterreichischen Kontrollbank im November 2011, wo das klare Postulat „Zur idealen HV gehört die Möglichkeit der elektronischen Beteiligung“ formuliert wurde.

Es liegt auf der Hand, dass in Zeiten, in denen vom Einkauf bis zum Bankgeschäft wichtige Dinge virtuell und auch aus der Ferne erledigt werden können, die notwendige Anreise zu Versammlungen, nur um dort Mitgliedschaftsrechte – meist ja nur das Stimmrecht – ausüben zu können, ein wenig anachronistisch erscheint, zumal es ja tatsächlich auch anders ginge. Der Stimmrechtsvertreter ist oft nur zweite Wahl: Für alle Eventualitäten ist nur gerüstet, wer dabei ist, und sei es auch virtuell.

Schlagzahl erhöhen

Insbesondere börsennotierte Gesellschaften werden, um international kompatible und kompetitive Beteiligungs- und Mitwirkungsrechte bieten zu können, daher auch in Österreich dazu gefordert sein, die Schlagzahl des Näherrückens an den Aktionär und Investor künftig zu erhöhen. Der Trend ist eindeutig, und so sind die Zeichen der Zeit: Die „Last Movers“ auf diesem Gebiet werden wenig Vorteile aus der späten Umsetzung dessen haben, was anderswo schon lange Standard ist.

Ausblick

Insofern wird abzuwarten sein, ob und welche Gesellschaften nun das Namensaktienumstellungsgesetz und allfällige Satzungsänderungen in Zusammenhang damit zum Anlass nehmen werden, mit der „International Best Practice“ aufzuschließen.

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