Blitzlichtgewitter, Finanzjournalisten tummeln sich auf dem Frankfurter Parkett, Händler recken neugierig ihre Köpfe: Es ist immer wieder ein Highlight, wenn neue Unternehmen aufs Parkett springen. An solchen Tagen ist die Börse in Frankfurt geschmückt mit Produkten der Firma. Die Wirtschaftswelt schaut auf den Börsenneuling und vor allem auf den ersten Aktienkurs des Unternehmens.

Henryk Detet, Mitglied des Vorstand und Miteigentümer der cometis AG
Henryk Deter, Mitglied des Vorstand und Miteigentümer der cometis AG

Aber ein Börsengang ist aufwendig und teuer. Das Unternehmen hat Kosten von oft mehreren Mio. EUR und das Management opfert einen großen Teil seiner knappen Ressource Zeit. Aber wofür eigentlich? Was ist das strategische Ziel einer Börsennotierung und damit der Investor Relations Abteilung, neben der Kapitalaufnahme beim IPO? Genau das ist vielen Unternehmen gar nicht klar. Das zeigt das jüngste Investor Relations Panel von cometis, bei der IR-Manager börsennotierter deutscher Aktiengesellschaften befragt wurden.

„Wer sein Ziel kennt, findet den Weg“

Die Hälfte der befragten IR-Manager hat angegeben, dass es keine konkreten Ziele für die Abteilung gibt. Das trifft vor allem auf die mittelgroßen bis kleineren Unternehmen zu. Aber schon der chinesische Philosoph Laotse hat vor über zweitausend Jahren gewusst: „Wer sein Ziel kennt, findet den Weg“. Die anderen irren umher, ohne irgendwo anzukommen – oder kommen irgendwo an, ohne zu wissen, ob sie dort richtig sind. Die Ziele bei einer Börsennotierung können von Unternehmen zu Unternehmen verschieden sein.

Die Medien zum eigenen Vorteil nutzen

Eine Firma kann sich beispielsweise vornehmen, in einen höheren Index aufzusteigen. Das steigert in der Regel den Bekanntheitsgrad des Unternehmens, da Journalisten mehr über Firmen schreiben, die in einem größeren Index vertreten sind. Eine höhere Bekanntheit hat wiederum mehrere Vorteile: Die Nachfrage nach Produkten kann steigen und mehr hochqualifizierte Mitarbeiter bewerben sich bei dem Unternehmen. Es ist also verständlich, dass sich viele Firmen Aufmerksamkeit von der Finanzpresse wünschen. Die aktuelle Berichterstattung über das eigene Unternehmen reicht vielen IR-Managern nicht aus. Das ist ein weiteres Ergebnis der cometis-Umfrage.

Quelle. cometis AG
Quelle. cometis AG

Demnach sind nur 27 Prozent der befragten IR-Manager mit der aktuellen Medienberichterstattung zufrieden. Ein Großteil wünscht sich, dass noch mehr Artikel zu dem eigenen Unternehmen erscheinen. Die Finanzpresse kann auch Aktien auf den Radar von Investoren bringen. Das kann ebenfalls helfen, um gegebenenfalls die Nachfrage nach dem Papier zu stimulieren und damit das Bewertungsniveau oder die Liquidität der Aktie zu erhöhen. Die Umfrage zeigt, auch hier ist noch sehr viel Luft nach oben! Nur 30%  der befragten Manager beurteilen den aktuellen Aktienkurs im Sektorvergleich als angemessen.Ein Großteil findet, dass das eigene Papier im Vergleich zur Peer-Group schlechter bewertet ist. Das trifft vor allem auf kleinere Unternehmen zu. In der Regel schrumpft mit der Größe des Unternehmens auch die Anzahl der IR-Manager stark. Bei vielen Firmen existiert weiterhin kein strategischer Investor Relations Ansatz. Dadurch wird es schwer, Ziele an der Börse überhaupt zu erreichen.

 

Interessenkonflikt Bank versus Unternehmen

Viele Unternehmen verlassen sich bei Börsentransaktionen wie Kapitalerhöhungen, Ausgabe von Anleihen etc. einzig und allein auf die Bank. In der Regel organisiert das Finanzinstitut Roadshows für das Unternehmen und überzeugt Investoren. Nur 40%  der befragten IR-Manager haben sich in der Vergangenheit selbst auf Investorensuche gemacht, obwohl sich das für viele Unternehmen empfiehlt. Der Grund ist simpel: Banken haben ein großes Eigeninteresse. Ihnen geht es vor allem darum, Aktien zu verkaufen. Über die Gebühren verdienen sie schließlich Geld. Dabei spielt es für die Bank in der Regel eine untergeordnete Rolle, an wen sie die Aktien verkauft. Für das Unternehmen kann das jedoch auf Dauer sehr entscheidend sein. So sind viele IR-Manager daran interessiert, einen gesunden Mix an Investoren zu haben, von Fonds, Versicherungen bis hin zu Privatanlegern.

Quelle: cometis AG
Quelle: cometis AG

Es kann aber auch ein Ziel von IR-Managern sein, einen geeigneten Großinvestor zu finden, der hinter der Firmenphilosophie steht und beispielsweise feindliche Übernahmen abwehrt. Für solche Ziele ist es wichtig, nicht die ganze Verantwortung an die Bank abzugeben. Die Studie von cometis zeigt, dass sich Unternehmen bislang nicht ausreichend mit diesem Thema beschäftigen. Der Großteil der Firmen führt keine Analysen zu der Aktionärsstruktur durch. Es kann zu bösen Überraschungen kommen, wenn man die Investoren nicht kennt. Die Aktie kann beispielsweise zum „Zockerpapier“ werden und darunter leidet oftmals nicht nur der Aktienkurs, sondern auch das Image des Unternehmens. Oder aber die Investoren verkaufen im Falle einer feindlichen Übernahme sofort ihre Anteile, weil sie nicht an die Kapitalmarktstory des Unternehmens glauben.

IR-Manager müssen umdenken

Es ist also in vielen Fällen ratsam, dass sich das Unternehmen ebenfalls auf Investorensuche macht, Ziele bestimmt und Strategien festlegt. Das wird in der Zukunft ohnehin immer mehr die Aufgabe von IR-Managern werden. Grund dafür ist eine neue EU-Finanzmarktrichtlinie, die sogenannte  MiFID II. Sie wird das bisherige Geschäft zwischen Unternehmen, Banken und Investoren verändern. Bislang war es so, dass Banken die Gebühren für Roadshows und Analysen an die Investoren weiterreichen konnten, oftmals versteckt. Diese Kosten werden in der Regel auf die Gebühren bei einem Aktienkauf aufgeschlagen. Das soll sich jedoch Anfang 2017 ändern – dann tritt die neue Finanzmarktrichtlinie in Kraft. Von da an muss entweder die Bank für die Roadshows und die Unternehmensanalysen bezahlen oder sie stellt sie den Investoren separat in Rechnung. Der Bundesverband Investment und Asset Management (BVI) erwartet durch diese Änderung, dass die Banken weniger Roadshows und Analysen umsetzen werden. Deswegen wird es für IR-Manager umso wichtiger, mehr Verantwortung für diesen Bereich zu übernehmen und Unternehmen und Aktie bestmöglich zu vermarkten.

Quelle: cometis AG
Quelle: cometis AG

Dazu gehört, sich in der Beziehung mit den Brokern zunehmend in den Fahrersitz zu begeben und diese stärkenorientiert einzusetzen, anstatt nach dem Gießkannenprinzip die Aktivitäten auf alle interessierten Handelsbanken aufzuteilen. Es wird mehr Arbeit auf sie zukommen. Das ist aber auch eine Chance für sie, die Börsennotierung in Zukunft mehr auf die eigenen Ziele auszurichten. Ein Vorteil davon wäre, dass Zeit und Ressourcen des Top-Managements strategisch besser eingesetzt werden können. Das Management muss dadurch nicht mehr auf allen Hochzeiten tanzen, sondern nur noch auf denen, wo es für das Unternehmen  wirklich Sinn macht.

 Fazit

Im Rahmen des cometis-IR-Panels haben nur 27% der IR-Manager geantwortet, dass sie die Börsennotierung voll ausschöpfen. Die anstehenden Veränderungen können eine Möglichkeit sein, dass IR-Manager die Börsennotierung in Zukunft mehr zu ihrem Vorteil nutzen. Ein strategischer Ansatz bietet die Möglichkeit, die eigene Firma langfristig optimal am Kapitalmarkt zu platzieren und die Chancen einer Börsennotierung nicht zu 27%, sondern zu 100%  auszunutzen.

Kurzvita

Henryk Deter ist Mitgesellschafter und Vorstand der cometis AG. Neben der unterjährigen IR- und PR-Arbeit börsennotierter Unternehmen betreute er bislang mehr als 100 Kapitalmarktprojekte, darunter Börsengänge, Kapitalerhöhungen oder -herabsetzungen, Anleiheemissionen, Unternehmenskrisen sowie M&A-Projekte.

Der Artikel ist in der GoingPublic Magazin-Ausgabe 7/8 erschienen

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