Dr. Arndt Stengel, Partner, Clifford Chance

Im Auftrag von Clifford Chance befragte das Forschungsinstitut Economist Intelligence Unit (EIU) weltweit rund 400 Unternehmen unterschiedlichster Branchen mit einem Umsatz von jeweils mehr als 1 Mrd. USD. Die Teilnehmer der Studie – darunter 80 CEOs und 185 andere Mitglieder der obersten Führungsebene – sollten eine Rangfolge der strategischen Motive für grenzüberschreitende M&A-Transaktionen sowie der damit verbundenen Hürden erstellen. Die Umfrage bestätigt ein großes Interesse an Emerging Markets – Deutschland gilt dank seines stabilen Investitionsumfelds jedoch als noch wichtigeres Ziel für M&A-Transaktionen.

Als Hauptmotiv für geplante M&A-Vorhaben nannten die Studienteilnehmer die Stärkung des Kerngeschäfts. An zweiter Stelle standen Wettbewerbsvorteile, gefolgt von dem Wunsch, in besonders wichtigen Volkswirtschaften stärker zu wachsen. Weitere Diversifizierung und Erschließung neuer Geschäftsfelder wurden hingegen seltener als Motiv angegeben.

Die Befragten aus den europäischen Ländern sehen China als wichtigste Region für potenzielles M&A-Geschäft, gefolgt von Deutschland und an dritter Stelle Indien. In Nordamerika teilt man diese optimistische Beurteilung Asiens nicht – dort sieht man China nur noch an zehnter Stelle, Südostasien und Japan auf dem 13. bzw. 15. Platz. Diese Einschätzung scheint auf Gegenseitigkeit zu beruhen: Nur 16% der Befragten aus dem asiatisch-pazifischen Raum nannten Nordamerika als attraktives Ziel für potenzielle M&A-Transaktionen. Deren Pläne beschränken sich meist auf die eigene Region. Am häufigsten wurde dort Südostasien als Ziel genannt, gefolgt von China und Australien/Neuseeland an zweiter und dritter Stelle.

Wachstumsmärkte sind für M&A-Vorhaben besonders attraktive Ziele. Auf die Frage, welche Märkte für Unternehmensfusionen oder -käufe besonders interessant seien, wurde Nordamerika – angesichts der Größe wenig überraschend – am häufigsten genannt. China, Indien und Brasilien rangierten unter den Top-6-Zielen. Die Teilnehmer an der Umfrage gaben weiterhin an, Ausgliederungen vorwiegend in westlichen Volkswirtschaften zu planen, wobei insbesondere Nordamerika, Großbritannien, Deutschland, Frankreich und Italien hoch in den Top 10 rangierten.

37% der Unternehmen gaben an, eine Finanzierung von M&A-Transaktionen durch vorhandene Liquiditätsreserven anderen Finanzierungsformen vorzuziehen. Fast ein Drittel der befragten Unternehmen (30%) betrachtet den Zugang zu Kapital als eine der zentralen Herausforderungen der nächsten zwei Jahre im Bereich der Finanzierung von Transaktionen. Eine erhebliche Bedeutung kommt Wechselkursschwankungen (32%), Volatilität der Preise von Vermögenswerten (27%) und Volatilität der Aktienmärkte (26%) zu.

Quelle: Clifford Chance

 

Als ein Treiber für grenzüberschreitende M&A-Transaktionen wurde entsprechender Druck von Aktionärsseite genannt. Aktionäre nehmen stärker als bisher Einfluss auf M&A-Strategien. Geplante Zusammenschluss- oder Übernahmevorhaben werden intensiver geprüft. Die Aktionäre fordern mehr Mitsprache bei der Unternehmensstrategie – angefangen bei der Verwendung von Liquiditätsreserven bis hin zu Veräußerungs- oder Entflechtungsplänen.

Ein zentrales Hindernis für potenzielle M&A-Transaktionen ist nach Meinung der Befragten ein Übermaß an Regulierung. Als stärkstes rechtliches oder regulatorisches Risiko wird Protektionismus genannt, aufgrund dessen 28% der Umfrageteilnehmer mögliche Beeinträchtigungen für grenzüberschreitende M&A-Transaktionen in den nächsten zwei Jahren befürchten. Nach Angaben vieler Befragter sind die regulatorischen Vorgaben auch in Asien ein möglicher Hinderungsgrund für M&A-Transaktionen (Südostasien 22%; China 21%; Japan 10%; restliches Asien 17%). Das Umfeld in Nordamerika (16%) und Russland (14%) wird in regulatorischer Hinsicht ebenfalls als problematisch wahrgenommen. Auch im Hinblick auf Deutschland – laut der Umfrage eines der drei wichtigsten europäischen Zielländer bei M&A-Aktivitäten – hielten die Befragten für möglich, dass das regulatorische Umfeld hierzulande potenzielle Interessenten abschrecken könnte.

Die gegenwärtige weltweite politische, soziale und wirtschaftliche Unsicherheit hat zur Folge, dass sich europäische Unternehmen zunehmend nach

und anderen partnerschaftlichen Formen der Zusammenarbeit umsehen. 37% der Befragten nannten Joint Ventures und strategische Partnerschaften als bevorzugte Transaktionsstruktur. Kulturelle Differenzen können mit diesen Strukturen überbrückt und Risiken beim Eintritt in neue Märkte gemindert werden.

Fazit

Die Ergebnisse der Umfrage belegen unsere Erfahrungen: Der globale M&A-Markt ist vielfältiger und komplexer geworden; gleichzeitig sind die Marktteilnehmer weniger risikofreudig als vor der Finanzkrise. Ungeachtet des zunehmenden Interesses an den Märkten der Schwellenländer bestätigen die Studienergebnisse, dass sich Deutschland mit seinem stabilen Investitionsumfeld in den letzten Jahren zu einem immer wichtigeren Ziel für M&A-Transaktionen entwickelt hat. Wenn die Sorgen um die Eurozone nachlassen, werden die zahlreichen Faktoren, die für Investitionen in Deutschland sprechen, wieder stärker zum Tragen kommen. Angesichts der günstigen wirtschaftlichen Situation Deutschlands sehen wir die kurz- und mittelfristige Entwicklung daher recht optimistisch.

Autor/Autorin