Für das Verhältnis der Aktiengesellschaft zu ihrem Vorstand ist grundsätzlich der Aufsichtsrat zuständig. Er ist zuständig für die Bestellung und die Abberufung des Vorstands, den Abschluss von Anstellungsverträgen und deren Beendigung. Die Hauptversammlung hat hingegen nur wenige Einflussmöglichkeiten. Immerhin entscheidet sie jedoch jedes Jahr über die Entlastung des Vorstands, was häufig nicht nur als Würdigung der Tätigkeit des Vorstands im abgelaufenen Geschäftsjahr, sondern auch als Ausdruck des Vertrauens für die Zukunft interpretiert wird.

Dr. Thomas Zwissler, Rechtsanwalt und Partner, ZIRNGIBL
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Eine besondere Kompetenz ergibt sich jedoch aus § 84 Abs. 3 Satz 2 AktG. Danach kann die Hauptversammlung beschließen, einem Vorstandsmitglied das Vertrauen zu entziehen. Ein solcher Beschluss hat zwar keine unmittelbare Rechtsfolge. Der Vertrauensentzug ist jedoch ein Grund, der die Abberufung bzw. den Widerruf der Bestellung des Vorstands durch den Aufsichtsrat rechtfertigt, sofern der Vertrauensentzug nicht auf offenbar unsachlichen Gründen beruht.

Auf den ersten Blick scheint § 84 Abs. 3 Satz 2 AktG einen Weg zu eröffnen, die Zusammenarbeit mit unliebsam gewordenen Vorstandsmitgliedern auch dann zu beenden, wenn kein schwerwiegender Pflichtverstoß oder sonst anerkannter wichtiger Grund vorliegt. Tatsächlich gibt es hier aber keinen Automatismus. Der Aufsichtsrat darf dem Votum der Hauptversammlung keinesfalls „blind“ folgen und er darf die Abberufung eines Vorstandsmitglieds nur dann auf den Vertrauensentzug durch die Hauptversammlung stützen, wenn er sich davon überzeugt hat, dass der Beschluss bestimmten Kriterien genügt. Mit diesen Kriterien befasst sich die Entscheidung des BGH.

Der Sachverhalt

Dem Vorstandsmitglied der beklagten Aktiengesellschaft wurden diverse Pflichtverletzungen vorgeworfen, die im Zusammenhang mit der Abgabe eines Angebots standen. Die (Allein-)Aktionärin hielt eine außerordentliche Hauptversammlung ab und beschloss, dem Vorstandsmitglied das Vertrauen zu entziehen. Noch am selben Tag fasste der Aufsichtsrat den Beschluss, die Bestellung des Vorstandsmitglieds zu widerrufen und den Anstellungsvertrag zu kündigen. Das Vorstandsmitglied wandte sich an die Gerichte und beanstandete unter anderem die Wirksamkeit seiner Abberufung.

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