„Smarte Medizin“ – unter dieser Überschrift wird gern der Trend zur Digitalisierung im Gesundheitswesen zusammengefasst. Um die Chancen und Risiken der Digitalisierung abzuwägen, muss man sich die verschiedenen Sektoren ansehen, in denen Digitalisierung stattfindet und Auswirkungen hat.

Auf der volkswirtschaftlichen Ebene betrachtet ist es unstrittig, dass die Ausgaben für Gesundheit seit Jahrzehnten kontinuierlich ansteigen. In einer Veröffentlichung von McKinsey im Mai diesen Jahres fragen die Autoren nach dem bezifferbaren Nutzen von technologie-getriebenen Gesundheitsanwendungen und legen diesen auf 350 bis 410 Mrd. USD bis 2025 fest – auf Basis der bis dahin prognostizierten Gesundheitskosten – alles bezogen auf Daten, die die USA betreffen. Wo manche Anwendung am Anfang sehr teuer war, z.B. bei der Sequenzierung des menschlichen Genoms, sind  Kosten mittlerweile rapide gefallen. An anderer Stelle sind die Kosten für Entwicklung & Forschung noch hoch und die Anwendungsrate ist niedrig, so dass eine Amortisierung noch dauern kann. Wir glauben, die kritische Masse ist dennoch bereits erreicht. Weitere Investitionen in digitale und KI – basierte Gesundheitslösungen werden unser Gesundheitswesen positiv erneuern und die Art und Weise wie wir Leistungen in Anspruch nehmen und vom wem, deutlich verändern.

Unsere Gesellschaft altert, nicht übertragbare Krankheiten wie Diabetes, Herz-Kreislauf Erkrankungen, Demenz, chronische Erkrankungen der Atemwege oder Krebs nehmen zu, und das weltweit. Die große Chance der Digitalisierung im Gesundheitswesen liegt gerade in der Neuordnung des Zugangs von Patienten zu notwendigen Leistungen, der Neuordnung der Anbieter dieser Leistungen, und der Beantwortung der Nutzenfrage – es muss ein System geschaffen werden, das mit mehr,  und mit mehr chronisch Kranken, gut umgehen kann.

Das sensibelste Feld ist dabei die Frage wie man einzelne Patientendaten zusammenfassen und bündeln kann, um Vorteile der Telemedizin in Gänze nutzen zu können. Die Diskussion um eine elektronische Patientenakte in den letzen Jahren hat das gezeigt, und obwohl wir da inzwischen Fortschritte gemacht haben muss das Vertrauen der Allgemeinheit, insbesondere der Ärzte,  in Datensicherheit und -Integrität erst noch gewonnen werden.

Bei  KI-unterstützter Diagniostik ist die Sache einfacher, da ist der Nutzen für den Patienten unmittelbar. In diesem Feld sind wir bereits investiert und hier gibt es weiterhin großen Bedarf.  Technologie-getriebene Anwendungen zur effizienteren und möglichst personalisierten Medikamentenentwicklung sind aus aus Investorensicht immer interessant. Ansonsten sehen wir unseren Fokus bei Lösungen, die einen kollaborativen Ansatz haben und sich darauf konzentrieren, den Experten im Gesundheitssystem digitale Lösungen zur Verfügung zu stellen, die die Interaktion mit dem Patienten einfacher und besser machen, administrative und dokumentarische Aufgaben übernehmen, und im Idealfall mehr Zeit für den Patientenkontakt schaffen. Das heisst, wir verfolgen hier einen B2B Ansatz und investieren in Lösungen, die eine möglichst personalisierte, medizinische Intervention durch den Einsatz von Technologie ermöglicht.

Wir sehen hier interessante Ansätze, durchaus auch aus Deutschland. Allen diesen Lösungen, die gerade von smarten (sic!) Unternehmern in diesem Bereich erdacht werden, muss allerdings Eines gelingen: sie müssen überzeugend darstellen, wie sie Mehrwert im Gesundheitswesen schaffen und dieser Mehrwert muss dann auch seinen Niederschlag in der Kostenerstattung finden. Wir sind hier auf dem Weg, aber es müssen noch ein paar dicke Bretter gebohrt werden, bis wir in diesen Fragen zu einem guten Konsens gelangen. Aufzuhalten ist der Prozess aber nicht mehr.

Autor/Autorin

Holger Garbs ist seit 2008 als Redakteur für die GoingPublic Media AG tätig. Er schreibt für die Plattform Life Sciences und die Unternehmeredition.