Als man hierzulande den Begriff „Aktie“ kaum buchstabieren gelernt hatte, sprossen im Land der unbegrenzten Möglichkeiten die Direktbanken schon allerorten aus dem Boden. Kein Wunder, verfügt die USA doch über einen wohl uneinholbaren Vorsprung hinsichtlich der Verbreitung des Mediums Aktie/Wertpapier.

Der Vorsprung der Entwicklung im Direct Brokerage gegenüber beispielsweise Deutschland konnte man Ende der 90er Jahre größenordnungsmäßig auf ca. zwei Jahre taxieren. Während in Deutschland die Entwicklung gerade erst ins Laufen kam, bröckelten in den Staaten schon die Kurse. Heute stecken sowohl die USA als auch Europa inmitten einer schmerzlichen Erkenntnisphase. Einerseits haben wir heute einen ganz anderen Markt als noch vor zwei Jahren, andererseits erwiesen sich lineare Hochrechnungen mal wieder als Nonsens.

Aus den beiden Brokern Ameritrade und Datek wird ein neues Ameritrade. Es kann von der Größe her mit dem Branchenführer, E*Trade, mithalten. Die Fusion prinzipiell liegt nahe, weil sich beide ohnehin voll auf das Online-Trading konzentrieren, während andere noch ihr Heil über Zusatzleistungen suchen. Zusammen bringen die beiden rund 2,7 Mio. Trading Accounts und 43 Mrd. US-$ an Kundeneinlagen auf die Waage. Ameritrade erwartet Netto-Synergieeffekte von einmalig 100 Mio. US-$ – wenn die Übernahme/Fusion bewerkstelligt sein wird.

Deren Gelingen ist erstens nicht ganz sicher, der Preis gelinde ausgedrückt gewagt und die Sache an sich mit einigen Haken versehen. Denn mit 1,3 Mrd. US-$ zahlt Ameritrade eine stattliche Prämie. Nicht ganz freiwillig sicherlich, denn E*Trade und TD Waterhouse hatten ihrerseits mitgeboten und sorgen so zumindest für eine finanzielle Schwächung des Konkurrenten. So wird ein Datek-Kunde nun mit sagenhaften 1.560 US-$ bewertet. Zum Vergleich: Marktführer E*Trade hat eine Pro-Kopf-Bewertung von knapp über 1.000 US-$, Ameritrade seinerseits gar nur von unter 700 US-$. Die Kunden von Charles Schwab sind über 2.000 US-$ wert, was aber auf einen hohen Prozentsatz an wohlbetuchter Klientel zurückzuführen ist und daher den Rahmen sprengt. Im Kaufpreis nicht enthalten ist übrigens eine für die Branche seltene Cash-Position bei Datek von ungefähr 200 Mio. US-$.

Hier tun sich immerhin zwei profitabel arbeitende Broker zusammen, die sich zudem direkt an Trader richten – ohne zusätzlichen Schnickschnack. Der hochgetriebene Preis sorgt allerdings für Stirnrunzeln und könnte die Fusion in Frage stellen. Die Einsicht der Notwendigkeit zur Konsolidierung ist inzwischen auch schon am hart umkämpften deutschen Markt eingetroffen. Nur daß sich hier leider keine profitabel wirtschaftenden Parteien zusammentun können. Das ist wohl auch der Grund dafür, daß es noch keine größeren Fusionen im Direktbanken-Markt gab, trotz „niedrigerer hoher Bewertungen“. Die Lösung: Es werden weniger – auf die eine oder andere Weise.

Die GoingPublic Kolumne erscheint jeweils montags, mittwochs und freitags in Zusammenarbeit mit dpa-AFX.

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