Für Eigentümer eines nicht-börsennotierten aber börsenfähigen Unternehmens stellt das Dual Track-Verfahren, bei dem das zu veräußernde Unternehmen gleichzeitig sowohl für einen möglichen Börsengang (IPO-Track) als auch für eine außerbörsliche Veräußerung (M&A-Track) vorbereitet wird, eine vorteilhafte Alternative für den Unternehmensverkauf dar. Erfolgreiche Beispiele hierfür sind die Veräußerung der Anteile des Private Equity-Investors TPG am Badarmaturenhersteller Grohe an die japanische Lixil-Gruppe und die Veräußerung der Anteile des Finanzinvestors EQT und des singapurianischen Staatsfonds GIC am Wissenschaftsverlag Springer Science + Business Media an BC Partners.

Wesentliche Vor- und Nachteile

Ein wesentlicher Vorteil des Dual Track-Verfahrens besteht in dem erhöhten Maß an Flexibilität und Transaktionssicherheit für die Eigentümer, da diese sich je nach Verlauf der beiden parallel laufenden Verfahren entweder für den Verkauf ihrer Unternehmensbeteiligung im Wege eines IPO oder einer außerbörslichen M&A-Transaktion entscheiden können, wodurch auch die Abhängigkeit von den Kapitalmarktverhältnissen und potentiellen Kaufinteressenten reduziert wird.

Ein weiterer wesentlicher Vorteil besteht darin, dass sich die Eigentümer gegenüber den möglichen Kaufinteressenten im Rahmen des M&A-Tracks eine bessere Verhandlungsposition verschaffen, da bei einem zu geringen Angebot der Kaufinteressenten noch immer die Alternative eines IPO offen steht. Damit einhergehend besteht für die Eigentümer ein erheblicher Vorteil gerade darin, dass im Rahmen eines Dual Track-Verfahrens relativ lange ein Preisvergleich zwischen den alternativen Verkaufsvarianten möglich ist und somit der Verkaufserlös optimiert werden kann.

Dr. Frank Peter Regelin, Stefan K. Kutscheid
Dr. Frank Peter Regelin und Stefan K. Kutscheid

Nachteile des Dual Track-Verfahrens bestehen in der hohen Komplexität und den hohen Kosten, die der Parallellauf der beiden Verfahren mit sich bringt. Zudem werden auch erhebliche Managementressourcen gebunden. Diesen Nachteilen gegenüber stehen jedoch erhebliche Synergieeffekte.

Koordination und zeitlicher Ablauf

Das Dual Track-Verfahren wird i.d.R. durch eine oder mehrere Investmentbanken oder Finanzberater koordiniert. In zeitlicher Hinsicht orientiert es sich i.d.R. eng am IPO-Track, da der mögliche Emissionszeitpunkt sich einerseits nach bestimmten Zeitfenstern richten wird, in denen Emissionen am Kapitalmarkt überhaupt nur möglich sind, sowie andererseits Fristen für die Erstellung, Einreichung und Prüfung des Wertpapierprospekts und der darin aufzunehmenden Finanzzahlen zu berücksichtigen sind.

Ausgestaltung und Dokumentation

Das Dual Track-Verfahren kann sowohl als verdeckter als auch als (teilweise) offener Prozess ausgestaltet werden. In der Praxis wird häufig ein teilweise offener Prozess durchgeführt, bei dem lediglich den am M&A-Track Beteiligten kommuniziert wird, dass parallel ein IPO vorbereitet wird, so dass ein Wettbewerb zum IPO-Track geschaffen wird und der Druck auf die Käufer einen möglichen Verkaufserlös optimiert.

Das Dual Track-Verfahren beginnt zumeist mit dem Abschluss einer Vertraulichkeitserklärung und einer Absichtserklärung bzw. bei einem Auktionsverfahren mit der Erstellung eines Prozessbriefs.

In der Vertraulichkeitserklärung sollten neben den allgemeinen Verpflichtungen der Beteiligten zur Vertraulichkeit insbesondere auch Hinweise auf das Verbot von Insidergeschäften enthalten sein. Die Vertraulichkeitsvereinbarung enthält auch i.d.R. sog. Standstill-Vereinbarungen, wonach sich der Kaufinteressent für eine bestimmte Zeit nach seinem Ausscheiden aus dem Verkaufsprozess oder dessen Absage aufgrund seiner hierdurch erlangten potentiell insiderrelevanten Informationen, zum Beispiel die Planung, dazu verpflichtet, keine Käufe in Aktien der Gesellschaft vorzunehmen und somit auch nicht an einem möglichen IPO zu partizipieren.

Daneben wird ein Letter of Intent (Absichtserklärung) oder bei einem Auktionsverfahren ein Prozessbrief erstellt, in dem das vorgesehene Verfahren, der Zeitplan und – um mögliche Schadensersatzansprüche auszuschließen – Vorbehalte für den Verfahrensabbruch enthalten sind.

Durchführung der Due Diligence

Im Anschluss daran wird eine Due Diligence für beide Tracks parallel durchgeführt. Hierbei ist zumeist im M&A-Track eine gestaffelte Bereitstellung je nach Bedeutung und Sensibilität der Informationen erforderlich, da im M&A-Track auch Wettbewerber der Gesellschaft teilnehmen können, die gerade keinen Zugang zu sensiblen Informationen erhalten sollen bzw. aus wettbewerbsrechtlicher Sicht auch nicht erhalten dürfen.

Nutzung von Synergieeffekten

Aufgrund der Informationen aus der Due Diligence werden zeitgleich wesentliche Dokumente für beide Tracks erstellt. Hierbei können erhebliche Synergiepotentiale alleine schon dadurch genutzt werden, dass z.B. Darstellungen im Wertpapierprospekts als Grundlage für das Informationsmemorandums bzw. der Roadshow Präsentation für die Management Präsentation (M&A-Track) genutzt werden können, wobei die jeweils unterschiedlichen rechtlichen Anforderungen zu berücksichtigen sind.

Entscheidungszeitpunkt

Die Entscheidung, welcher der beiden Tracks letztlich durchgeführt werden soll, erfolgt typischerweise möglichst spät, ist aber einzelfallabhängig und bestimmt sich aufgrund des Verlaufs des M&A-Track bzw. der Verhältnisse am Kapitalmarkt. In der Praxis wird eine Entscheidung zwischen M&A-Track und IPO-Track insbesondere –  auch aus Reputationsgründen für die Banken –  häufig vor der Veröffentlichung des Prospekts getroffen werden.

Fazit

Im Hinblick auf eine mögliche Verbesserung des Marktumfeldes für Börsengänge in Deutschland stellt das Dual Track-Verfahren eine interessante Alternative für den Verkauf von noch nicht-börsennotierten aber börsenfähigen Unternehmen dar, bei der die Transaktionssicherheit erheblich erhöht und der Verkaufserlös optimiert werden kann.

 

 

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