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Ungewöhnliche Branche für den Kapitalmarkt und genau deshalb ein echter Hingucker: Die Credicore Pfandhaus GmbH emittiert seit November eine börsennotierte KMU-Anleihe. Das Geschäftsmodell ist so einfach wie verständlich – und höchst profitabel. Das musste sich das GoingPublic Magazin unbedingt näher erläutern lassen.

GoingPublic: Herr Meyer, Herr Petersen, vielleicht kurz zum Einstieg, wer Credicore ist und wie das Geschäftsmodell funktioniert.

Meyer: Credicore betreibt ein Pfandhaus an unserem Standort in Hamburg – allerdings im höherwertigen Beleihungssegment, wo es um Luxusuhren, Schmuck und Nischenprodukte wie Kunst oder ­größere Gegenstände wie Fahrzeuge, ­Baumaschinen und Boote geht.

Pfandhäuser gibt es zuhauf, v.a. in Großstädten. Ihr Geschäft unterscheidet sich also recht klar von diesen traditionellen Pfandleihen in meist doch etwas ramschigen Citylagen?

Petersen: Sehr deutlich – diese beiden ­Sachen haben nur den Namen Pfandhaus gemein. Wir bedienen das hochpreisige Segment, das kaum oder in vielen Städten kein Pfandhaus abdeckt, u.a., da dies ­hohen Finanzierungsbedarf bedingt. ­Luxus- und hochpreisige Produkte zu ­lagern bedarf einer ganz eigenen Infrastruktur in Form von Sicherheitssystemen, Versicherungen u.v.a.m. Wir nutzen hierzu Standorte ehemaliger Bankfilialen, wo die hohen Sicherheitssysteme übernommen wurden.

Wie sieht es mit der Verwahrung aus, wenn es nicht um kleinteilige Dinge
wie Uhren oder Schmuck, sondern um Oldtimer, Kunst, Autos oder gar Boote geht?

Petersen: Für Kunstgegenstände haben wir sowohl klimatisierte als auch alarm­gesicherte Räumlichkeiten. Fahrzeuge wie auch trailerfähige Boote werden in einer ebenfalls alarmgesicherten Halle unter­gebracht. Natürlich bedürfen diese Dinge einer regelmäßigen Pflege zum Wert­erhalt. Boote müssen auf einem Trailer stehen – aus dem einfachen Grunde, damit sie sich hier bei uns in Hamburg befinden. Das Limit liegt damit irgendwo bei rund neun Metern.

Gibt es eigentlich eine Statistik – speziell bei Ihnen –, wie oft etwas in die Verwertung geht, statt wieder ausgelöst zu werden?

Petersen: Unser Markt ist gesetzlich geregelt: wie lange ein Pfandgut eingelagert wird, wann eine Versteigerung passieren darf, was mit dem Verwertungserlös ­geschieht, aber auch, welche Zinsen ein Pfandhaus nehmen kann. Grundsätzlich hat ein Kunde sechs Monate Zeit, sein Pfandgut wieder auszulösen, plus gewisser Verlängerungsoption. Anschließend erfolgt eine Versteigerung, aus welcher der Kunde in aller Regel mit einem positiven Ertrag herausgeht, da wir ohnehin nur bis maximal zur Hälfte des Markt- oder Schätzwerts beleihen. Anders als in vielen Ländern fließt also nicht dem Pfandhaus, sondern dem Kunden der Verwertungs­erlös zu – hierzulande wiederum gesetzlich so vorgeschrieben. Fordert der Kunde seinen Verwertungserlös nicht ein, aus welchen Gründen auch immer, geht das Geld an den deutschen Staat.

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Meyer: Nur jeder zehnte bis zwanzigste Pfandgegenstand geht in eine Verstei­gerung. Sowohl wir als auch der Kunde möchten das tunlichst vermeiden. Der einzige plausible Grund, sein Pfandgut nicht wieder auszulösen, wäre eine ­zwischenzeitlich eingetretene Privat­insol­venz des Kunden. Eine Verpfändung ist ein quasi schnörkelloser und problemlos zu arrangierender Überbrückungskredit, wie er von Kundenseite bei Finanzinstituten unmöglich wäre.

Was war bisher das kurioseste Verpfändungsanliegen bei Credicore?

Meyer: Das war ein silberner Mercedes 300 SL Oldtimer mit Flügeltürern, also ein sogenannter Silberpfeil. Der Marktwert wurde taxiert auf 0,6 Mio. bis 1,5 Mio. EUR, und dem Kunden schwebte auch eher das obere Ende vor. Das konnten wir einfach nicht machen, und zwar gleich aus meh­reren naheliegenden Gründen, wie erforderlichen Expertengutachten, extremer Marktnische und schließlich dem Umstand, dass wir sehr viele Finanzmittel in diesem einzelnen Pfandgut verortet und damit zahlreiche kleinere Finan­zierungen nicht mehr hätten machen ­können. Wir mussten schweren Herzens ablehnen.

Petersen: Das war das teuerste poten­zielle Pfandgut, aber nicht das kurioseste: Ich erinnere mich an einen Schausteller, der sein Karussell verpfänden lassen ­wollte. Wie ist dessen Marktwert in Zeiten einer Pandemie? Das mussten wir natürlich auch ablehnen.

Wie profitabel ist dieses Geschäfts­modell?

Petersen: Sowohl die Zinsen als auch die Gebühren sind größtenteils gesetzlich ­reguliert. Die Zinsen pro Monat betragen 1%; dazu kommen 3,5% Gebühren, ebenfalls pro Monat. Ein Kunde kann seine ­Kosten für die in der Regel wenigen Monate also planen.

Helfen Sie uns noch etwas, dies noch genauer zu verstehen: Welche Motive treiben die Kunden normalerweise in Pfandhäuser? Und offenbar gibt es Kunden, die mehrfach erscheinen.

Petersen: Tatsächlich sind rund 60% ­Wiederholungskunden. Geld gegen Pfand ist einfach unschlagbar unbürokratisch. Ein gutes und zugleich typisches Beispiel ist ein Galerist: Der will auf einer anstehenden Auktion ein Bild von z.B. Monet ­ersteigern, für das er schon Abnehmer hat – dafür hinterlegt er bei uns z.B. einen ­Picasso, womit er seinen absehbaren ­Erwerb mittels Überbrückungsfinan­zierung stemmt. Und der kommt mehr als einmal, denn dieses Szenario ist absolut typisch. Die sicherlich nicht niedrigen ­Gebühren für diesen Überbrückungs­kredit wägt er gegen seine Erlöse ab.

Der aktuelle Emissionserlös wäre also zunächst einmal die Erweiterung des stemmbaren Geschäftsvolumens – sprich: Den Silberpfeil 300 SL könnten Sie künftig stemmen?

Meyer: Mit den Erlösen aus dieser Anleihe hätten wir dieses Geschäft nicht schwermütig ablehnen müssen, das hätten wir ganz sicher gemacht. Ein solcher Pfand­gegenstand wäre ein echtes „Big Ticket“ gewesen. Aber richtig: Wir möchten in ­andere große deutsche Städte expandieren, wo in unserer Markt­nische hochpreisiger Pfandgegenstände ähnlicher Bedarf wie in Hamburg besteht. In Zusammenarbeit mit den zwei Finanzinstituten unseres Vertrauens stünden uns sofort adäquate Räumlichkeiten inkl. Sicherheitstechnik zur Verfügung. Aber jeder Stand­ortaufbau kostet erst einmal Vorleistung, die ebenfalls gestemmt werden will. Daher müssen wir uns überlegen, ob unser aktuelles ­Kapitalmarktprodukt dafür bereits ausreicht oder ob wir über weitergehende ­Optionen nachdenken müssen.

Herr Meyer, Herr Petersen, ganz herzlichen Dank für Ihre Zeit und die überaus ­spannenden wie auch teilweise amüsanten Einblicke in Ihr Metier.

ZU DEN INTERVIEWPARTNERN

Karl-Miguel Meyer ist geschäftsführender Gesellschafter der Credicore Pfandhaus GmbH, spezialisiert auf die Einwertung von Goldschmuck sowie Ablauf und Organi­sation. Thomas Petersen ist fachlicher Angestellter und zuständig für den Bereich Kundenakquise.

Autor/Autorin

Falko Bozicevic ist Mitglied des Redaktionsteams des GoingPublic Magazins sowie verantwortlich für das Portal BondGuide (www.bondguide.de)