Dr. Christa Bähr und Dr. Markus Manns, Vorsitzende der Kommission Life Science, DVFA

Life-Science-Unternehmen sehen sich weltweit großen Herausforderungen gegenüber. Je nach Produkt- und Leistungsspektrum haben sie sich durch eine unternehmensindividuelle Anpassung ihrer Strategien und durch innovative Produkte den zunehmenden regulatorischen Anforderungen, Erstattungsproblemen und dem größeren Bedarf nach kosteneffizienten Strategien im Zuge von Obamacare, Rabattverträgen mit Krankenversicherungen und neuen Instituten wie IQWiG und NICE gestellt. Dabei lässt sich vielfach ein strategischer Fokus auf Diversifizierung der Produktpalette, Expansion in Emerging Markets und auf innovative medizinische Produkte beobachten.

Herausforderungen
Eine große Herausforderung ist das sogenannte Patent-Cliff, das noch einige Jahre anhalten wird. Allerdings zeigen die Erfahrungen mit Patentabläufen bei großen Pharma-Unternehmen wie Pfizer, Glaxo und Sanofi, dass es infolge rechtzeitig implementierter Kosteneinsparungen nur zu leichten Gewinnrückgängen gekommen ist. Pharma- und Biotechnologieunternehmen müssen sich zahlreichen regulatorischen Anforderungen stellen. Auf die verschärften Zulassungsbedingungen der FDA haben sie mit verbesserten klinischen Studien (mehr Patienten, längere Studiendauer und klinisch relevantere Endpunkte) reagiert. Mit abnehmendem politischem Druck ist die FDA wieder berechenbarer geworden und hat zuletzt vermehrt Zulassungen erteilt. Ein weltweit zu beobachtender Trend sind zudem Maßnahmen zu Kosteneinsparungen im Gesundheitswesen (Obamacare, Austerity-Maßnahmen in verschiedenen europäischen Ländern, Kosten-Nutzen-Bewertungen durch Institute wie IQWiG und NICE).

Die Herausforderungen im Gesundheitsmarkt erfordern innovative Strategien in allen Bereichen des Gesundheitswesens. Zur Steigerung der Effizienz, Effektivität und Qualität fokussieren sich Life-Science-Unternehmen insbesondere auf folgende strategische Ansätze:

Diversifizierung
Viele Unternehmen diversifizieren in wachstumsstärkere Felder, wie z.B. Impfstoffe, Molekulare Diagnostik, Tiermedizin oder Consumer Health. Roche setzt z.B. auf eine enge Verzahnung von Therapie und Diagnostik und erzielt als Weltmarktführer der personalisierten Medizin rund 20% vom Konzernumsatz mit Diagnostika. Das Generika-Unternehmen Stada hat den Bereich Consumer Health ausgebaut, um die Abhängigkeit von dem restriktiveren Verhalten der Krankenkassen und Rabattverträgen zu reduzieren.

Emerging Markets
Vor dem Hintergrund des prognostizierten hohen Wachstums in den Gesundheitsmärkten der Emerging Markets haben viele Life-Science-Unternehmen ihr Engagement dort ausgebaut und erzielen damit vielfach zweistellige Wachstumsraten (z.B. China-Umsätze in Q1 2013 von Roche +20%). Bei großen Pharma-Konzernen wie Sanofi, Roche und Glaxo machen die Umsätze in den Emerging Markets bereits rund 30% der Gesamtumsätze aus und sind somit auch für das Konzernergebnis von großer Bedeutung. Ein mögliches Problem stellt jedoch der unzureichende Patentschutz in einigen Ländern dar. So hat der Oberste Gerichtshof in Indien Anfang April 2013 das Patent für Glivec, ein äußerst innovatives Krebsmedikament von Novartis, nicht anerkannt.

Viele Unternehmen setzen auf wachstumsstärkere Felder, wie z.B. personalisierte Medizin. Foto: PantherMedia / Luchschen

Innovative Produkte
Der Fokus auf innovative medizinische Produkte sowie Fortschritte bei der personalisierten Medizin ermöglichen eine bessere medizinische Versorgung für die Patienten und dürften sich auch für die Unternehmen durch eine Verbesserung der Wettbewerbssituation und höhere Preise auszahlen. Die Produktpipeline besteht heute nicht mehr aus sogenannten Me-Too-Medikamenten, sondern umfasst innovative Wirkstoffklassen mit messbaren klinischen Vorteilen. Interessante Medikamente in der Pharma-Produktpipeline sind z.B. im Krebsbereich das Immunstimulanz PD-1 gegen Nieren-, Haut- und Lungenkrebs von Bristol Myers, Merck und Roche. Der Cholesterin-Senker PCSK9 von Amgen, Sanofi/Regeneron und Roche wird von führenden Kardiologen als größter Fortschritt der letzten zehn Jahre bei der Behandlung von Herzkreislaufkrankheiten gesehen. In Deutschland hat MorphoSys mit guten Phase-II-Daten seines Anti-GM-CSF Antikörpers zur Rheuma-Behandlung überzeugt. Auch im Medtech-Bereich gewinnen innovative Produkte an Bedeutung. Die „prämolekulare“ Diagnosetechnologie QuantiFERON von QIAGEN ermöglicht deutlich früher als andere Verfahren den Nachweis von Tuberkulose. Das neue winkelstabile Plattensystem LOQTEQ von aap Implantate verbindet die Vorteile der Winkelstabilität mit der Notwendigkeit einer Kompression bei Knochenbrüchen.

Ausblick
Das Patent-Cliff dürfte in einigen Jahren an Bedeutung verlieren. Auf die durch Kosteneinsparungen und regulatorische Änderungen resultierenden Herausforderungen müssen sich Life-Science-Unternehmen jedoch auch zukünftig einstellen. Auf der anderen Seite steigt die Nachfrage durch die Alterung der Bevölkerung, den Nachholbedarf in Emerging Markets und sog. Unmet Medical Needs, die innovative medizinische Produkte erfordern. Das sollte Unternehmen, die ihr Geschäftsmodell frühzeitig anpassen und erforderliche Effizienzmaßnahmen durchführen, interessante Wachstumsmöglichkeiten bieten. Gesundheitsunternehmen mit erfolgreichen Strategien und innovativen Produkten dürften zukünftig am Kapitalmarkt wieder verstärkt als Wachstumsunternehmen wahrgenommen werden, die erforderlichen Finanzmittel erhalten und Investoren interessante Investmentchancen bieten.

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