Auch mit kleineren Minderheitsbeteiligungen von meist weniger als 10% nehmen aktivistische Aktionäre heute erheblichen Einfluss auf das Management deutscher Unternehmen. Das war nicht immer so. Vor dem Jahr 2000 spielte Aktionärsaktivismus in Deutschland keine große Rolle. Bis 1995 mussten Stimmrechtsbeteiligungen bis 25% nicht offengelegt werden. Es hätte sich für einen Aktivisten schon schwierig gestaltet, überhaupt Informationen über andere Minderheitsaktionäre zu erhalten. Heute ist die Aktionärsstruktur partiell per Mausklick verfügbar, die Transparenz ist gestiegen, die Kosten der Kontrolle sind gesunken. Gesunken ist auch die Einflussnahme der Banken, die über Beteiligungen, Depotstimmrechte und Kredite lange als wichtigster Kontrolleur agierten.

Aktionärsaktivisten beteiligen sich in der Regel an gesunden Firmen mit schwacher Bewertung, die gute Exit-Aussichten bieten. Deshalb verfolgt aber nicht jeder Aktivist per se eine kurzfristige Anlagestrategie. So ist der weithin als Aktivist bekannte Guy Wyser-Pratte seit neun Jahren bei der Kuka AG engagiert. Seit 20 Jahren TUI-Aktionär ist Hermes, Verwalter unter anderem der Pensionsgelder der British Telecom. Hermes machte etwa durch den Austausch des Infineon-Aufsichtsratsvorsitzenden von sich Reden. Auch bei TUI – jahrelang hoffnungsloses Schlusslicht im DAX – wurde dies versucht.

Eine empirische Auswertung von 253 potenziell aktivistischen Beteiligungen in Deutschland ab 1999 kommt zu dem Ergebnis, dass Aktienkurse auf die Meldung, mit der ein Aktionär öffentlich eine aktivistische Strategie ankündigt, positiv reagieren: mit Kurssprüngen von im Durchschnitt ca. 8%. Höhere Barmittelbestände bei einer Zielgesellschaft haben einen negativen Einfluss auf die Kursreaktion. Der Kapitalmarkt reagiert also durchaus differenziert und bewertet die Glaubwürdigkeit des aktivistischen Ansatzes. Die Hauptversammlungspräsenz stieg nach dem Beteiligungserwerb durchschnittlich um 7,3% auf im Mittel ca. 54%, ein Zeichen gelebter Aktionärsdemokratie. Ebenso ist ein erheblicher Anstieg im Börsenhandelsvolumen der meisten Zielgesellschaften vor und während des Zeitpunkts der Veröffentlichung festzustellen. Diese Effekte sind positiv zu bewerten.

Abschließend kann das Phänomen des Shareholder Activism in Deutschland noch nicht beurteilt werden. Fälle, wie der oft angeführte Angriff des Hedgefonds The Children’s Investment Fund (TCI) auf die Deutsche Börse im Jahr 2005, sind jedenfalls nicht repräsentativ. TCI verbündete sich mit anderen Aktionären, stürzte den Aufsichtsratsvorsitzenden und verhinderte die geplante Übernahme der London Stock Exchange (LSE). Dies war durch eine HV-Präsenz von im Vorjahr unter 30% und durch eine Sonderregelung in der Satzung (Abberufung von Aufsichtsratsmitgliedern mit 50 statt 75% der Stimmen auf der HV) begünstigt worden. Bewertet man die Einflussnahme nur anhand der späteren Entwicklung des Börsenkurses der LSE, so handelte es sich hierbei um eine Wertvernichtung – denn dieser hat sich zwischenzeitlich nahezu verdoppelt.

Angesichts des heutigen Kenntnisstandes und insbesondere der Erkenntnisse unserer Studie besteht sicherlich kein Grund zur Panik, wenn aktive Investoren als neue Aktionäre auf der nächsten HV auftreten. Eher besteht die Hoffnung, dass alle Shareholder davon künftig profitieren.

 

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