Im Zuge eines Aktientauschs und der Fusion mit dem US-Unternehmen Vital Therapies ist der Münchener Immunic AG vor wenigen Tagen ein Listing an der New Yorker Nasdaq gelungen. In unserem „5 Fragen“ erläutert Immunic-CEO Dr. Daniel Vitt die Hintergründe des Geschehens und gibt einen Ausblick auf die kommenden klinischen Entwicklungen im Unternehmen.

Plattform Life Sciences: Herr Vitt, vor wenigen Tagen gab die Immunic AG die Fusion mit dem US-Biotech-Unternehmen Vital Therapies bekannt. Im Zuge eines Aktientauschs erfolgte schließlich auch ein Listing an der New Yorker Nasdaq. Was hat die Immunic zu diesem Schritt bewogen?

Daniel Vitt: In den letzten Monaten haben wir verschiedene Wachstumsoptionen für die weitere Entwicklung von Immunic analysiert, unter anderem eine klassische Serie B-Finanzierung oder einen traditionellen IPO. Über einen Reverse Takeover mit dem US-amerikanischen Unternehmen Vital Therapies sind wir unserer Ansicht nach am besten dazu in der Lage, die Entwicklung unserer wachsenden klinischen Entwicklungspipeline und unserer drei Produktkandidaten im Bereich chronischer Entzündungs- und Autoimmunerkrankungen weiter voranzutreiben. Vor allem für unsere laufenden und geplanten Phase 2-Studien in den chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen Colitis Ulcerosa und Morbus Crohn ist der Weg an die Nasdaq ein wichtiger Schritt für die erfolgreiche weitere Entwicklung. Nicht zuletzt genießt die Nasdaq als Börsenplatz ein hohes Ansehen und wir freuen uns, in Zukunft Teil davon zu sein.

Wurde die Alternative eines „klassischen“ IPOs denn auch erwogen?

Ja, wir haben auch einen klassischen IPO in Betracht gezogen und von Anfang an verschiedene Optionen evaluiert. Ein Listing an der Nasdaq erschien uns ein sinnvoller Weg, unsere bevorstehenden Ziele und Meilensteine zügig umzusetzen. Vor allem Zeit- und Kostenvorteile haben am Ende aber klar zur Entscheidung für den Reverse Takeover mit einem US-amerikanischen, an der Nasdaq gelisteten Unternehmen geführt.

War der Börsengang die Voraussetzung für die Fortführung des klinischen Forschungsprogramms der Immunic AG, insbesondere mit dem Hauptkandidaten IMU-838? Oder hätte benötigtes Kapital auch anderweitig akquiriert werden können, eventuell durch die Zusammenarbeit mit einem strategischen Investor?

Das ist ein sehr valider Punkt: Eine Entwicklungspipeline mit aktuell drei Produkten und mehreren geplanten oder bereits laufenden Phase 2-Prüfungen von Medikamentenkandidaten bringt einen wachsenden Kapitalbedarf mit sich. Das Nasdaq-Listing eröffnet hier global betrachtet sicher die besten Möglichkeiten, wie wir die Immunic in Zukunft positionieren und finanzieren. Durch diese Transaktion in Verbindung mit den überzeugenden Daten aus unseren klinischen Studien sind wir gut positioniert, um unsere Vision der Bereitstellung neuer und besserer Behandlungsoptionen für Patienten mit Entzündungs- und Autoimmunerkrankungen umzusetzen.

Was sind nun die nächsten Schritte mit IMU-838? Sicher wird noch weiteres Kapital für die Entwicklung benötigt.

Unsere Phase 2-Studie mit IMU-838 in Colitis Ulcerosa verläuft wie geplant. Wir schließen derzeit regelmäßig Patienten in die Studie ein und sind bereits in mehr als 60 Zentren in acht Ländern aktiv. Die Daten aus dieser Studie erwarten wir für das zweite Quartal 2020. Zusätzlich zur Indikation Colitis Ulcerosa planen wir, in diesem Jahr Phase 2-Studien in Morbus Crohn und Multipler Sklerose zu starten. Die Vorbereitungen dafür laufen bereits. Zudem haben wir eine Zusammenarbeit mit der Mayo Clinic in den USA. Die Gruppe des bekannten Gastroenterologen Keith Lindor plant die Durchführung einer Phase 2-Studie mit IMU-838 in Patienten mit primärer sklerosierender Cholangitis (PSC). Immunic tritt hier nicht als Sponsor auf, wird aber voraussichtlich die benötigten Tabletten zur Verfügung stellen. Die Studie ist seitens der Mayo Clinical über eine Förderung durch die National Institutes of Health (NIH) finanziert.

Neben unserem am weitesten fortgeschrittenen Programm IMU-838 möchte ich aber auch die zwei weiteren Programme IMU-935 und IMU-856 erwähnen: IMU-935 ist ein einzigartiger inverser Agonist von RORγt und befindet sich derzeit in der präklinischen Entwicklung. Eine Phase 1-Studie wird voraussichtlich Mitte 2019 beginnen. IMU-856 haben wir im November 2018 von der japanischen Daiichi Sankyo im Rahmen eines Options- und Lizenzvertrages erhalten. Das Programm wurde von Daiichi Sankyo Venture Science Labs neu entwickelt und zielt auf die Verbesserung der intestinalen Barrierefunktion ab. Das Programm befindet sich derzeit in der präklinischen Phase. Den Start von Phase 1-Studien erwarten wir im ersten Halbjahr 2020.

Im Rahmen der Transkation mit Vital Therapies haben unsere bestehenden Investoren eine zusätzliche Finanzspritze in Höhe von ca. 26 Mio. EUR bei Closing zugesagt. Alles in allem sind wir für die Weiterentwicklung von IMU-838 und den anderen beiden Programmen sehr gut aufgestellt. Mit Blick auf den Cash-Bestand werden wir zum Closing unter Berücksichtigung des Investments der bestehenden Investoren voraussichtlich bis in das dritte Quartal 2020 und damit über die wesentlichen bevorstehenden Meilensteine hinaus finanziert sein. Das beinhaltet Ergebnisse aus den Phase 2-Studien mit IMU-838 in mehreren Indikationen sowie das Vorantreiben unserer präklinischen Programme IMU-935 und IMU-856 in Richtung klinischem Proof-of-Concept.

Wo sehen Sie die Vorteile eines derartig schnellen und vergleichsweise kostengünstigen Börsengangs, wie ihn die Immunic AG nun vollzogen hat? Würden Sie diese Art des Börsengangs auch anderen deutschen Biotech-Firmen empfehlen?

Ein solches Vorgehen bietet gegenüber einem klassischen IPO finanzielle Vorteile, einen schnelleren Zugang zur Nasdaq und mehr Liquidität. Für uns hat allerdings im speziellen Fall vieles gestimmt, sodass man das sicherlich nicht zum Patentrezept erheben kann. Und die formalen Anforderungen sind auch für einen Reverse Takeover oder ähnliche Transaktionen sehr hoch und am Ende die gleichen für alle an der Nasdaq notierten Gesellschaften. Es werden innerhalb kurzer Zeit viele Ressourcen benötigt, um einen erfolgreichen Gang an die Börse zu gewährleisten. Wer einen Reverse Takeover in Betracht zieht, sollte dies vorher sorgfältig prüfen.

Rückblickend auf die letzten Wochen haben wir für uns die richtige Entscheidung getroffen. Wir glauben, dass die Transaktion für Immunic transformativ sein wird und ein Unternehmen schafft, das das Potenzial hat, einen erheblichen Shareholder Value zu generieren. Nach Abschluss dieses Prozesses werden wir über die Ressourcen verfügen, unsere wichtigsten Ziele und Meilensteine, insbesondere für die klinische Entwicklung unserer Programme, zu erreichen.

Autor/Autorin

Holger Garbs ist seit 2008 als Redakteur für die GoingPublic Media AG tätig. Er schreibt für die Plattform Life Sciences und die Unternehmeredition.