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Seit dem 28 Januar 2022 gelten in Deutschland die neue EU-Tierarzneimittelverordnung und das neue Tierarzneimittelgesetz. Der neue Rechtsrahmen bringt für die pharmazeutische Industrie, Behörden, Tierärzte und Tierhalter einige Veränderungen mit sich. Bis zum 27. Januar 2022 waren das Human- und das Tierarzneimittelrecht in Deutschland im Wesentlichen national und einheitlich im Arzneimittelgesetz geregelt. Ab dem 28. Januar 2022 werden die beiden Rechtsgebiete getrennt. Von Marc L. Holtorf und Dr. Julia Traumann

 

Die Neuregelung des Tierarzneimittelrechts erfolgt dabei insbesondere in zwei wesentlichen Rechtsakten unterschiedlicher Normgeber: zum einen in der (in allen EU-Mitgliedsstaaten unmittelbar geltenden) EU-Tierarzneimittel-Verordnung[1] („VO„), zum anderen im nationalen deutschen Tierarzneimittelgesetz[2] („TAMG„).

Marc L. Holtorf, Pinsent Masons.

Die tiefgreifende Änderung erschöpft sich aber nicht in der Schaffung eines neuen Rechtsrahmens, sondern führt zu zahlreichen materiellrechtlichen Änderungen, von denen nachfolgend lediglich einige wenige kurz dargestellt werden können.

Hintergrund des neuen Tierarzneimittelrechts

Hintergrund der Neuregelung ist das Ziel des europäischen Normgebers, einen modernen, einheitlichen Rechtsrahmen für Tierarzneimittel zu schaffen, der dem wissenschaftlichen Fortschritt, den aktuellen Marktbedingungen und der wirtschaftlichen Realität entspricht. Dabei soll ein hohes Schutzniveau für Tiergesundheit, Tierschutz und Umwelt sowie der Schutz der öffentlichen Gesundheit – auch im Sinne des sog. One Health Gedankens – gewährleistet werden.

Dr. Julia Traumann, Pinsent Masons.

Entsprechend wurden bei Verabschiedung der VO sechs Ziele angegeben: (1) Harmonisierung des Europäischen Binnenmarktes für Tierarzneimittel, (2) Stärkung des Europäischen Binnenmarktes, (3) Reduktion des Verwaltungsaufwandes, (4) Förderung von Innovationen, (5) Bieten von Anreizen, um die Verfügbarkeit von Tierarzneimitteln zu erhöhen, und (6) Verstärkung der Maßnahmen der EU im Kampf gegen Antibiotikaresistenzen.

Das TAMG füllt wesentlich die Spielräume für nationale Regelungen aus, die die VO den nationalen Normgebern eingeräumt hat. Zweck des TAMG ist, für den sicheren Verkehr mit Tierarzneimitteln und veterinärmedizinischen Produkten, einer neugeschaffenen Kategorie, zu sorgen und deren Qualität, Wirksamkeit und Unbedenklichkeit zu gewährleisten.

Einige wesentliche Inhalte

Verringerung des Antibiotikaeinsatzes: Der Einsatz von Antibiotika bei Tieren wird eingeschränkt und kontrolliert, um die Entstehung und Verbreitung von Antibiotikaresistenzen zu begrenzen. Beispielsweise wird die prophylaktische Anwendung von Antibiotika bei Tiergruppen und die Anwendung bestimmter Antibiotika, die der Humanmedizin vorbehalten sein sollen, untersagt. Zusätzlich werden die Meldung und Erfassung der Antibiotikaverbrauchsmengen bei unterschiedlichen Tierarten vorgeschrieben.

Einrichtung von Datenbanken: Die Europäische Arzneimittelagentur (EMA) richtet drei Datenbanken der EU ein: (1) die Produktdatenbank zur Speicherung aller zugelassenen Tierarzneimittel, (2) die Pharmakovigilanz-Datenbank zur Meldung und Erfassung von Fällen, in denen der Verdacht auf unerwünschte Ereignisse besteht, und (3) die Herstellungs- und Großhandelsvertriebsdatenbank mit Angaben u.a. zur Erteilung, Aussetzung oder dem Ruhen oder Widerruf der Erlaubnisse für die Herstellung und den Großhandelsvertrieb durch die zuständigen Behörden.

Zulassung von Tierarzneimitteln: Nach der VO sind Zulassungen nunmehr sofort und unbefristet gültig. Die Überwachung eines Tierarzneimittels erfolgt nach der Zulassung kontinuierlich im Rahmen des sog. Signalmanagements. Ausnahmen dieser Regelung sind Zulassungen für begrenzte Märkte und Zulassungen unter außergewöhnlichen Umständen. Für diese ist eine Überprüfung alle 5 Jahre bzw. jedes Jahr vorgesehen. Die frühere Möglichkeit einer Standardzulassung entfällt. Voraussetzung für eine Standardzulassung für Tierarzneimittel war, dass die erforderliche Qualität, Wirksamkeit und Unbedenklichkeit erwiesen und eine Gefährdung von Mensch oder Tier nicht zu befürchten war.

Parallelhandel: Der Parallelimport beruhte bislang im Wesentlichen auf Richterrecht. Die VO schafft eine neue Rechtsgrundlage. Für den Zweck des Parallelhandels mit Tierarzneimitteln ist danach sicherzustellen, dass das Tierarzneimittel, das aus einem Mitgliedsstaat (Bezugsmitgliedsstaat) bezogen wird und in einem anderen Mitgliedsstaat vertrieben werden soll (Bestimmungsmitgliedsstaat), die gleiche Herkunft hat wie das Tierarzneimittel, das in dem Bestimmungsmitgliedsstaat zugelassen ist. Tierarzneimittel haben dann die gleiche Herkunft, wenn sie kumulativ vier Bedingungen erfüllen, darunter u.a. dieselbe Darreichungsform. Die VO enthält darüber hinaus weitere Vorgaben, etwa zur Benachrichtigungspflicht gegenüber dem Zulassungsinhaber.

Versand: Für verschreibungspflichtige Arzneimittel gilt ein strenges Versandhandelsverbot, von dem es nur wenige Ausnahmen gibt. Nicht verschreibungspflichtige, aber apotheken­pflichtige Tierarzneimittel dürfen von Apotheken und Tierärzten im Rahmen ihres tierärztlichen Dispensierrechts, frei verkäufliche Tierarzneimittel von Apotheken, Tierärzten und Einzelhändlern „mit Sachverstand“, jeweils sowohl nach Deutschland als auch in andere EU-Länder, versandt werden.

Umwidmungskaskade: Die sog. Umwidmungskaskade wird flexibler. Das Behandeln mit Arzneimitteln aus anderen Mitgliedsstaaten oder sogar Drittstaaten ist möglich.

Ausblick

Die Neuregelung des Tierarzneimittelrechts führt rechtlich gesehen allein schon wegen der Aufteilung in unionsrechtliche und nationale Vorschriften zu einer Erhöhung der Komplexität. Es werden sich zahlreiche neue Rechtsfragen stellen. Insgesamt wird das Tierarzneimittelrecht aber einheitlicher, transparenter und moderner und dürfte sich mit der Zeit bewähren.

 

 

ZU DEN AUTOREN

Marc L. Holtorf ist Rechtsanwalt, Partner, Fachanwalt für Gewerblichen Rechtsschutz, und Head of German Risk Advisory Services and Life Sciences bei der Pinsent Masons Rechtsanwälte Steuerberater Solicitors Partnerschaft mbB, München.

Dr. Julia Traumann ist Rechtsanwältin, Legal Director und Fachanwältin für Gewerblichen Rechtsschutz bei der Pinsent Masons Rechtsanwälte Steuerberater Solicitors Partnerschaft mbB, München.

[1] Verordnung (EU) 2019/6 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Dezember 2018 über Tierarzneimittel und zur Aufhebung der Richtlinie 2001/82/EG.

[2] Gesetz zum Erlass eines Tierarzneimittelgesetzes und zur Anpassung arzneimittelrechtlicher und anderer Vorschriften vom 27. September 2021.

Autor/Autorin

Marc L. Holtorf und Dr. Julia Traumann