Inhaltsverzeichnis

In Deutschland finden Biotech-Start-ups günstige Startbedingungen vor: Kapital im Pre-Seed- und Seed-Bereich ist ausreichend vorhanden, vielfältige Förderprogramme erlauben eine exzellente Forschung. Aber reicht das langfristig aus, um ein belastbares und volkswirtschaftlich tragfähiges Ökosystem aufzubauen und zu erhalten? Welche Veränderungen im Mindset erleben wir? Am traditionsreichen Life-Sciences-Standort Heidelberg lud die Plattform Life Sciences zum Gespräch.

Plattform Life Sciences: Herr Domin, womit überzeugt Heidelberg als Biotechnologie­standort und darüber hinaus die Metropolregion Rhein-Neckar?

Domin: In der Region finden sich neben ­exzellenten Forschungseinrichtungen viele gesunde mittelständische Unternehmen unterschiedlichster Größe, ergänzt durch Standorte der Großindustrie. Speziell für Heidelberg ist die Medizin im Zusammenspiel mit den Biotech- und Pharmaunternehmen ein prägendes Thema, neben anderen wichtigen Fachrichtungen und Fakultäten. Mitte der 1990er-Jahre konnte der BMBF-BioRegio-Spitzencluster-Wettbewerb gewonnen werden; 2008 konnte man erneut in der ersten Runde des Spitzencluster-Wettbewerbs mit „Biotech“ überzeugen, zusätzlich mit der gedruckten organischen Elektronik. Im Vergleich zu Standorten wie München, Berlin oder Köln überzeugt in Heidelberg der starke Fokus auf die Onkologie, ergänzt durch die Einrichtungen der Uniklinik. ­Hervorheben möchte ich beispielsweise das Nationale Centrum für Tumorerkrankungen.

Welche Stellung genießt Heidelberg aus Sicht der Investoren?

Pfister: Die meisten relevanten Investoren im Biotechsektor sind im Raum München angesiedelt, und das hat sicher seine Gründe. ­Andererseits, etwa im Vergleich zu Nordrhein-Westfalen, überzeugt Heidelberg durch seine kurzen Wege.

Bialojan: Natürlich würden wir uns auch hier vor Ort mehr ansässige Investoren wünschen. Andererseits gibt es eine starke, auch aus der Geschichte gewachsene Konzentration von Großkonzernen, wie BASF, Roche, Abbott, AbbVie, Boehringer oder ­Sanofi, die sich ebenfalls im hiesigen Cluster engagieren.

Kalkbrenner: Entsprechend der politischen Organisation des Landes ist Deutschland sehr regional aufgestellt. Folglich sind auch die ­Engagements der Investoren sehr viel breiter gestreut als etwa in Großbritannien oder Frankreich, wo sich die Szene auf ­wenige große Zentren konzentriert. Heidelberg gehört ohne Zweifel zu den besten ­Forschungszentren im Land. Aber das ­bedeutet nicht automatisch, dass man hier auch die besten Firmen gründen oder die beste Translation in Richtung Biotech ­erreichen kann.

Der Technologiepark Heidelberg feiert heuer sein 35-jähriges Jubiläum. Auf welche Meilensteine können Sie zurückblicken?

Domin: Die vergangenen Jahrzehnte haben einige erfolgreiche Biotechunternehmen hervorgebracht. Hilfreich war auch die ­Unterstützung aus dem Bereich der SAP-Gründer Dietmar Hopp und Klaus Tschira, die sich wiederholt im Biotech-, aber auch im Therapie- oder Translations- und Ausgründungsbereich engagiert haben. Der Technologiepark konnte sich in all den ­Jahren durch ein konsequentes Wachstum auszeichnen. In den vergangenen Jahren kam dann immer mehr das aktiv unter­stützte Thema Technologietransfer hinzu, in Zusammenarbeit mit den Translationsstellen der verschiedenen Forschungs­einrichtungen vor Ort, beispielsweise durch Gründung der Heidelberg Startup Partners. Hier geht es nicht um Flächenangebote, ­sondern darum, – etwa mit dem Cluster BioRN – beim Brückenbau zwischen Academia und der Industrie eine aktive Rolle zu spielen. Dabei schauen die Heidelberg ­Startup Partners ganz bewusst auf die ­frühen Entwicklungsphasen in den Forschungseinrichtungen, auch in Zusammenarbeit mit den großen Pharmakonzernen.

Bialojan: Der Fokus hat sich in den letzten Jahren eindeutig auf den Schwerpunkt Translation verlagert. Angesichts der hohen Dichte an exzellenten Forschungseinrichtungen wäre es fatal, dieses Potenzial nicht zu fördern. Das ist ja die bekannte Krux, dieses vorhandene ­Potenzial zu identifizieren und zu aktivieren.

Kerber: Insgesamt ist es kennzeichnend, dass die Zusammenarbeit mit der Industrie immer früher stattfindet. Nicht nur die Ausgründungen stehen im Mittelpunkt, sondern auch Kollaborationen und Public-Private Partnerships zwischen Industrie, Forschungseinrichtungen und Universitäten.