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Trotz einiger Megadeals von Pharmariesen wie Pfizer und Amgen waren die M&A-Aktivitäten in den Life Sciences im ­vergangenen Jahr insgesamt rückläufig. Laut Deloitte[1] hat sich die Anzahl der Deals von 406 mit einem Gesamtvolumen von 305 Mrd. EUR (2021) auf 198 mit einem Volumen von 135 Mrd. EUR (2022) sogar mehr als halbiert. Der Appetit ist ­jedoch weiterhin groß. Von Dr. Elisabeth Lackner

 

Gerade im Zuge der COVID-19-­Pandemie hat der Bereich der Life Sciences weiter an Attraktivität ­gewonnen; er gilt als fundamental gut abgesichertes Wachstumssegment. Kein Wunder, dass das Interesse vor allem in Private-Equity-Kreisen hoch ist und bleibt. Das hat auch die Preise für potenzielle Übernahme­kandidaten in die Höhe getrieben, obwohl Kredite zur Finanzierung der Transaktionen durch die steigenden Zinsen deutlich teurer geworden sind. Der Life-Sciences-Sektor ist resilient, aber er ist nicht immun – wenn die Gesamtwirtschaft umschwenkt, merkt man das. Tatsächlich erlebt man dieses Jahr auf Konferenzen zum ersten Mal seit vielen Jahren, dass die Stimmung in der Industrie etwas gedämpft ist.

Zunehmende Konsolidierung in attraktiven Wachstumssegmenten

Die Life-Sciences-Branche wurde in den vergangenen 20 Jahren durch eine Reihe großer Unternehmen bzw. Private-Equity-Gesellschaften merklich konsolidiert. Das zeigt sich besonders deutlich bei den Laboren. Gerade auf dem europäischen Markt findet man nicht mehr so viele „right-sized fish“, also mittelgroße Labore mit einem breiten Dienstleistungsangebot. Diese sind entweder bereits in die Serviceplattformen der großen Player integriert oder die vorwiegend familiengeführten Unternehmen wollen nicht verkaufen.

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Doch handelt es sich bei den Life ­Sciences um eine Outsourcing-Industrie. Der Bereich ist viel zu vielfältig und komplex, als dass ein einziges Unternehmen sämtliche Kundenbedürfnisse erfüllen könnte. Hier ist vielmehr Flexibilität ­gefragt, wie es sich auch in der Pandemie gezeigt hat. Die Branche zeichnet sich durch eine hohe Dynamik aus, mit jedem neuen Therapieansatz – beispielsweise mRNA oder Gentherapien – werden auch neue Technologien, Analytik und Dienstleistungen benötigt. In diesem Markt kann man nur bestehen, wenn man diese Entwicklungen antizipiert und technisch, ­regulatorisch wie auch wissenschaftlich auf dem neuesten Stand ist.

Konzentration auf kleine bis mittelgroße Speziallabore

Um als Anbieter von Labordienstleistungen zu wachsen, würde man in einer idealen Welt zunächst eine breite Plattform an Dienstleistungen aufbauen (Volume), bevor gesamte Wertschöpfungsketten integriert (End-to-End) und mit Speziallaboren ­ergänzt werden (Value). In der realen Welt muss man natürlich auch Opportunitäten wahrnehmen. Ein Ansatz kann darin ­bestehen, sich auf Premium-Speziallabore in attraktiven Nischen zu konzentrieren. Im Erfolgsfall kann diese Strategie dazu verhelfen, eine Führungsrolle in den entsprechen Marktsegmenten zu übernehmen.

Dabei ist auch als CDMO z.B. weniger die Produktion von Medikamenten im großen Maßstab interessant als vielmehr die Bereitstellung kleiner Chargen unter cGMP-Bedingungen für klinische Studien. Der Markt braucht Akteure, die vielerlei Services unter einem Dach anbieten, aber flexibel und schnell auf die Bedürfnisse der Kunden reagieren können.

One Business, one Culture

Um Akquisitionen nachhaltig erfolgreich zu machen, müssen die akquirierten ­Unternehmen schnell und vollständig ­integriert werden, mit einheitlichem ­Zugang zu Infrastruktur und Distribu­tionskanälen des Konzerns sowie dem ­gemeinsamen Außenauftritt gegenüber den Kunden: one Business, one Culture. Das bedeutet auch eine reibungslose Integration der Beschäftigten in die eigene ­Unternehmenskultur.

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Dabei bleiben die Gründer vorzugs­weise im Management – schließlich kennen sie das Unternehmen und ihre Kunden am besten und bringen ihre jahrelange ­Expertise und ihr Netzwerk mit in die Gruppe. Das ist für viele keine leichte ­Umstellung, vom Entrepreneur zum Corporate-Typ. Außerdem treffen sie im Konzern auch auf Partner oder Kollegen, die zuvor noch Konkurrenten waren. Während die technische Integration oft in sechs bis zwölf Monaten abgeschlossen ist, kann es daher durchaus mehrere Jahre dauern, bis ein Unternehmen auch kulturell vollständig eingegliedert ist. Schon das ­Kaufen ist oft nicht einfach, aber richtiges Integrieren ist wirklich schwierig.

ESG als Qualitätsmerkmal

Eine enorm wichtige Rolle im M&A-Prozess spielt auch ESG. Früher wurde es als ungewöhnlich oder lästig angesehen, die Fragebögen zu bearbeiten, mit denen ­Investoren die Einhaltung strenger Umwelt- und Nachhaltigkeitsanforderungen kontrol­lierten. Heute sind Nachhaltigkeit, Gleichberechtigung, Diversität und Nullemission für das Management anerkannte Ziele ­guter Unternehmensführung.

Diese Governance durchdringt den gesam­ten Konzern, auch bei der Integration neuer Unternehmen sowie bei der Einstellung junger Talente. Die Nachfrage der Kunden nach Dienstleistungen, die sie auf ihrem Weg zu mehr Nachhaltigkeit unterstützen, ist erheblich. ESG ist heute ein Qualitätsmerkmal und nicht zuletzt ein wichtiges Kriterium, das für Entrepreneure beim Verkauf an einen Konzern mit hohen ESG-Standards ausschlaggebend sein kann.

[1] Deloitte (2023): M&A trends in life sciences: Deal-making in 2022. www2.deloitte.com/content/dam/Deloitte/us/Documents/

ls-ma-bi-annual-deal-trends-2023.pdf

Dieser Artikel ist in der aktuellen Ausgabe Finanzieren & Investieren 2_23 erschienen, die Sie hier herunterladen können.

Autor/Autorin

Dr. Elisabeth Lackner

Dr. Elisabeth Lackner ist Beraterin von Element Materials Technology, einem führenden Unter­neh­men im Bereich der Prüf-, Inspektions- und Zertifizierungs­dienst­leistungen (TIC), und treibt die ehrgeizige Wachstumsstrategie des Unternehmens im Bereich der Life Sciences voran. Durch zielgerichtete Akquisitionen plant Element in Europa den Aufbau einer integrierten Serviceplattform für die Life-Sciences-Branche, die die gesamte Wert­schöp­fungskette von der ganz frühen Forschung, Discovery über die Präklinik und durch die gesamte klinische Phase bis hin zur Vermarktung abdeckt.