Plattform Life Sciences: Aber wie kann erreicht werden, dass solche Unternehmen vor dem Aufkauf bewahrt werden?

Birner: Das ist schwierig, weil auch die Interessen des Kapitalmarkts berücksichtigt werden wollen. Am Ende möchte ein Investor seine Rendite einfahren. Und kommt ein IPO nicht infrage, geht dies nur über einen Verkauf.

Spillner: Fonds laufen grundsätzlich nicht unendlich. Wenn sich also eine attraktive Möglichkeit für einen Exit ergibt, dann ist man natürlich aus Sicht des Return on ­Investment dazu geneigt, diese auch zeitnah zu ziehen. Doch selbst die Unternehmen, die realistisch über eine IPO-Option nachdenken, zieht es im Zweifelsfall an die Börsen nach Nordamerika oder in die Benelux-­Staaten.

Plattform Life Sciences: Wie gut klappt die Zusammenarbeit innerhalb der Branche oder innerhalb der Cluster?

Domdey: Es gibt den Arbeitskreis der Bio-­Regionen, der bestrebt ist, eine gemeinsame Öffentlichkeitsarbeit zu betreiben. Trotzdem spielen zuweilen auch regionale ­Interessen eine Rolle. Entscheidend ist jedoch, dass es uns gelingt, Menschen mit Vermögen anzusprechen, auf dass diese in Biotechnologie investieren. Hier ist eine ­Arbeit über die Medien vielleicht gar nicht so zielführend, eher eine Ansprache der ­Politik. Es müssen Incentives geschaffen werden, dass Menschen, die beispielsweise nicht in Immobilienfonds investieren wollen, sich andere interessante Anlageklassen suchen.

Honold: Länder wie Dänemark, Frankreich oder Italien haben Fondsmodelle geschaffen, in denen der Staat und Privatanleger ­gemeinsam in risikoreiche Anlagen inves­tieren können. Hier fungiert der Staat als ­Garantiegeber. Ein weiteres Incentive wäre beispielsweise ein Wegfall der Abgeltungssteuer für langfristige Investitionen ab zehn Jahren.

Biotech-Standort Deutschland: „An den Hochschulen mangelt es an Patentrichtlinien.“
Plattform Life Sciences: Wo sehen Sie den Biotechstandort Deutschland im internationalen Vergleich?

Birner: Lässt man die USA einmal außen vor, dann kann man Deutschland ohne Probleme unter den Top 5 verorten. Ich bin sehr optimistisch, dass künftig auch vermehrt ausländische Investoren wieder nach Deutschland zurückkommen, auch der ­Brexit wird Geld nach Deutschland zurückbringen. Die Gegenfinanzierung aus den ­europäischen Fördertöpfen wird in Groß­britannien zurückgehen und im Gegenzug positive Effekte in Skandinavien, Deutschland oder der Schweiz und Frankreich ­auslösen. Zudem wird sich eine neue ­Währungsstabilität einstellen, denn der Hype um den Dollar und Amerika ist vorbei.

Auf der Forschungsseite ist weiterhin sensationell, was in Deutschland geleistet wird. Bei den Patentanmeldungen ist Deutschland weit vorne mit dabei. Was ­zunehmen wird, ist der Wettbewerb um Standorte. So existiert beispielsweise in ­Österreich eine gut ausgebildete Service-Struktur, etwa im Hinblick auf klinische ­Studien. Meine Sorge ist, dass durch diesen Wettbewerb der Aufbau einer bleibenden ­Industrie gefährdet wird. Je transportabler die Assets, desto größer das Risiko für die einzelnen Standorte.

Dr. Siegfried Bialojan, EY

 

„Das Interesse der Investoren an deutscher Biotechnologie ist wieder gewachsen.“

 

Domdey: In der Tat besitzt Deutschland eine exzellente Forschungsexpertise, diese war die Grundlage der ersten Gründerwelle zu Beginn des Jahrtausends. Und diese Welle ist nicht an der mangelhaften Technologie gescheitert, sondern an fehlendem Managementwissen, weil dort einfach zu wenig ­Erfahrung vorhanden war.

Inzwischen gibt es viele erfahrene Manager, die aus der zweiten in die erste Reihe vorgerückt sind. Wir müssen uns nicht mehr darauf verlassen, dass jemand aus der ­Pharmaindustrie kommt und eine Sicht der Dinge verbreitet, die der Entwicklung eines Biotechunternehmens vielleicht nicht zuträglich ist.

Spillner: Ein wichtiges Thema ist der Technologietransfer. Dort gibt es im internationalen Vergleich aber auch innerhalb Deutschlands große Unterschiede in der Professionalität. Einige Institutionen sind im pragmatischen Sinne sehr weit und verfügen über gute wirtschaftsorientierte Ansätze, die auch zur Industrie passen.

Honold: An den Hochschulen mangelt es zum Teil erheblich an Patentrichtlinien. ­Einige Hochschulen haben sie, andere hingegen nicht. Das kann teilweise zu großen Verzögerungen bei der Umsetzung führen.

Bialojan: Der IPO-Boom ist in den letzten Jahren hierzulande leider ein wenig ins Hintertreffen geraten. Das mag an den ­Geschäftsmodellen liegen, zum Teil aber auch an Finanzierungsmodellen. Da sind Länder wie die USA, aber auch einige europäische Länder weiter.

Auf der anderen Seite ist das Interesse der Investoren an deutscher Biotechnologie wieder gewachsen. Das ist ein positiver Trend, der die deutsche Szene wieder ein wenig ­näher an die Spitze heranbringen kann.

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