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Auch namhafte Unternehmen versammeln ihre Aktionäre in dieser Saison bevorzugt am 17. Mai. Diese Terminkonzentration verhindert Kontrolle. Der Aktionärsdemokratie droht erheblicher Schaden. Kosten, Fehler und Missbrauch werden zunehmen.

Die virtuelle Hauptversammlung soll nach der Vorstellung ihrer Verfechter die Aktionärsbeteiligung vereinfachen und Kosten senken. Doch eine bislang noch nicht ausreichend beachtete Folge der virtuellen HV ist der Wegfall des Korrektivs der Raumverfügbarkeit. Diese gewährleistete bisher, dass Unternehmen wegen der begrenzten Zahl ausreichend großer Veranstaltungsräume an den HV-Orten automatisch gezwungen waren, ihre HV-Termine zu entzerren. Alle am selben Tag – das ging nicht. Das Funktionieren der Aktionärsdemokratie konnte nicht durch eine Konzentration der HV-Veranstaltungsdaten auf einen oder wenige Tage ausgehebelt werden. Dies war wichtig, denn aus dem Markt ist bekannt, dass manche Unternehmen ihre HV z.B. gerne auf den HV-Tag der Deutschen Bank legen, um das Erscheinen kritischer Aktionäre zu verhindern.

Mehr als 35 Hauptversammlungen

Mit der virtuellen HV droht nun aber eine neue Entwicklung. Ausweislich der einschlägigen HV-Kalender finden diese Saison mehr als 35 Hauptversammlungen relevanter Unternehmen just am 17. Mai statt, dem Tag der HV der Deutschen Bank. Dazu gehören zahlreiche Unternehmen, bei denen es sich als Aktionär besonders lohnt, genauer hinzuschauen, auch Blue Chips wie Vonovia und E.ON. Diese Häufung ist signifikant, denn an allen anderen Tagen der HV-Saison finden sonst nicht mehr als 15 Hauptversammlungen statt.

Diese HV-Konzentration macht Sorgen. Zunächst: Die Gesellschaften können eine ordnungsgemäße HV-Durchführung kaum noch sicherstellen, wenn die wenigen großen HV-Dienstleister an einem Tag mehrere Aktionärsversammlungen abwickeln müssen. Personalengpässe werden spürbar werden, EDV-Abläufe werde instabil.

Entzerrung verhindert Missbrauch

Noch wichtiger: Kritische Aktionäre und Vertreter institutioneller Anleger (Fonds, KAG), die genauer hinschauen, werden fernbleiben, da sie immer nur eine HV besuchen können. Unternehmen, die etwas zu verbergen haben, könnten also absichtlich den 17. Mai gewählt haben, um zu verhindern, dass bei ihrer HV Aktionäre mit kritischem Blick erscheinen. In Japan nahm dies bizarre Züge an: Dort konzentrieren tausende Gesellschaften ihre HV auf einen Tag. Nicht erst seit Wirecard ist aber klar: Weniger Aktionärskontrolle erhöht die Wahrscheinlichkeit von Finanzskandalen und senkt die Performance. Aktionäre sollten also das Phänomen der HV-Terminkonzentration im Auge behalten und bei ihren Gesellschaften auf eine Entzerrung drängen – durch kritische Fragen auf der HV.

Autor/Autorin

Dr. Marc Liebscher

Marc Liebscher ist Rechtsanwalt und Vorstandsmitglied der Schutzgemeinschaft der Kapitalanleger (SdK).