Der Kapitalmarkt hat sich also ganz im Gegenzug zu den frühen 2000er-Jahren in den letzten Jahren dazu entschlossen, den Wert von Phase-I-, Phase-II- und zum Teil auch von Phase-III-Projekten von Pharma Unternehmen signifikant zu diskontieren. Als Unternehmer ist es nicht unsere Aufgabe, den Kapitalmarkt zu beurteilen, sehr wohl aber ist es unsere Aufgabe zu versuchen, ihn zu verstehen, um mögliche weitere strategische Schritte einleiten und beurteilen zu können.

Nun ist jedes Biotechnologieunternehmen natürlich eine Sondersituation, doch es drängen sich natürlich Fragen auf: Was wird der Basiswert der möglichen nächsten Finanzierungsrunde für ein Biotechnologieunternehmen sein? Oder: Welcher Austauschwert von Aktien ist strategisch angebracht? Oder: Was ist tatsächlich wertoptimal, lieber früher als später sein Unternehmen zu verkaufen? Und hierbei wird schon eine für viele Unternehmen gewagte Vorabhypothese gemacht, nämlich zu glauben, dass eine Finanzierung überhaupt möglich ist.

Die Preisfindung bei privaten Finanzierungsrunden ist hier ja nur zu oft durch die Merkmale eines klaren Käufermarktes in den letzten Monaten mehr als asymmetrisch gestaltet worden. War vor einigen Jahren der Begriff der „Downround“ noch kaum bekannt, so ist dies heute zur Realverfassung vieler Finanzierungen geworden. Für öffentliche Unternehmen steht bei der Kapitalsuche zumindest eine etwas breitere Investorenbasis zu Verfügung, doch viel besser ist die Situation in Europa für gelistete Unternehmen im Gegensatz zu den privaten Unternehmen auch nicht. Aber für viele Unternehmen ist es gar nicht mehr die Frage, ob Up- oder Downround, sondern einfach die Frage: Wie schaut eine Überlebensstrategie aus?

Die Struktur vieler Unternehmen hat für zahlreiche Investoren zu digitalen Risiken geführt, die zunehmend nicht mehr getragen werden können. In den letzten Jahren sind leider zu oft die Hoffnungen nach medizinischen Phase-II-Durchbrüchen der Realität von klinischen Daten, die der natürlichen Ausfallrate unserer Industrie entsprechen, gewichen. Diese generelle Investitionsernüchterung ist nicht die Schuld eines einzelnen Ereignisses, es ist die Serie, die uns heute leider alle in eine Situation gebracht hat, in der Unternehmensfinanzierungen ähnlich schwierig geworden sind wie neue wissenschaftliche Produktansätze zu finden.

Dennoch bin ich mehr als je zuvor davon überzeugt, dass wir heute bei weitem bessere klinische Ideen und Technologieplattformen haben. Es ist also nur eine Frage der strategischen Unternehmensformierung, um aus diesen werthaltigen Komponenten auch werthaltige strategisch langfristige Unternehmenskonstellationen zu schaffen. Die Antwort der „kritischen Unternehmensgröße“ ist schon oft zitiert worden, doch mehr denn je scheint jetzt die Zeit gekommen, aus digitalen biotechnologischen Einzelunternehmensrisiken Portfolios von Biotech-Werten zu bauen. Nur so kann eine Investitionshypothese neu geschrieben werden, die es professionellen Investoren und auch Privatpersonen erlaubt, an unserer Industrie teilzuhaben und Rückschläge genauso wie Erfolge optimal in strategische Werte umzusetzen.

Von Dr. Werner Lanthaler, CEO, Evotec AG

Ursprünglich erschienen in der GoingPublic Ausgabe 07/2010.

 

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