Bildnachweis: Bild: vfa, Martin Joppen.

Teil 3
Der Weltkrebstag am vergangenen Donnerstag wird medial meist sehr schnell abgehandelt, und dann war es das auch wieder – wir verlängern die kleine Serie nun einfach zunehmend unabhängig von diesem „Tag des…“-Echos und bündeln einige aktuelle, subjektiv ausgewählte Schlaglichter aus den bundesdeutschen Gesundheits-Innovations-Regionen. (Die anderen Folgen der Serie finden Sie hier: https://www.goingpublic.de/life-sciences/maerkte-life-sciences/hintergrund-weltkrebstag-eine-kurze-serie-zu-neuntwicklungen-von-krebsmedikamenten/ )

Da war noch was in Bayern

Als Einschub und kurzer Reminder zur ersten Folge aus dem bayerischen Raum sei hier nur angemerkt: natürlich gäbe es dort noch viel mehr zu entdecken, bzw. auch Dinge auf die man wegen ihrer überdeutlichen Sichtbarkeit und Präsenz nicht einmal großartig hinweisen muss (beispielsweise das eine ganze Region prägende riesige Forschungs-, Entwicklungs- und Produktionszentrum von Roche Diagnostics in Penzberg bei München, bei dem die biotechnologische Produktion von Krebsmedikamenten einen fermentergroßen Schwerpunkt bildet). Oder spannende weitere start-ups wie eine Firma Tubulis, die als Berlin-Münchner Tandemunternehmen im letzten Jahr eine schöne 10-Mio-SerieA-Finanzierung erhalten hatte, und mit ihrer Technologieplattform den „ADCs“ (antibody drug conjugats) ganz neuen Schwung und neue Möglichkeiten verschafft. Oder auch im Norden Münchens die spannende Firma ITM, deren Isotopentechnologie jeweils in Windeseile aus dem Forschungsreaktor der TUM in Garching beliefert werden muss, da die geringen Halbwertzeiten den zielgerichteten Strahlungseffekt in Diagnostik und Therapie eben nur kurzfristig vermitteln (so genannte „theranostics“ – das Kunstwort für die molekulare Verschmelzung von Bildgebung und Behandlung am Detektionsort, etwa dem Tumorgewebe)…, aber, wir wollten den Blick ja schweifen lassen. Und damit nun zum 3. Teil, und einem weiteren Überblick, diesmal Donauaufwärts.

Wissen, wie es geht: Produktions-Know-How in Laupheim-Biberach

An der bayerisch-baden-württembergischen Grenze hat sich über die letzten Jahre im kleinstädtischen Laupheim die Firma Rentschler einen Namen als Auftragsproduktion gemacht, die es in Zeiten von, na, Sie wissen schon…, auch bei der Herstellung von Impfstoff schon in die eine oder andere Nachricht geschafft hat. Ursprünglich sind aber eher die biopharmazeutischen Produkte unterschiedlichster Pharma- und Biotechnologieunternehmen in den Zell-Linien und den großen Fermentationstanks vermehrt, aufgereinigt und analysiert worden, bzw. diese Prozesse en detail mit der Kundschaft und den Zulassungsbehörden besprochen und erfolgreich auf die Schiene gehoben worden. Mit der noch ein wenig weiter westlich gelegenen Großproduktion bei Boehringer Ingelheim in Biberach, die auch nicht nur für den Eigen-Pharma-Bedarf, sondern auch für externe Kunden produzieren, hat sich in dieser schwäbischen Region sogar ein bundesweit, ja international bedeutender Produktionsstandort für Biopharmazeutika entwickelt – der sich sogar mit eigener Hochschule und passenden Bildungs- und Weiterbildungsangeboten sehr intensiv um den eigenen Mitarbeiternachwuchs kümmert. Eine Facette, die bei der Betrachtung, wo denn eigentlich die Krebsmedikamente herkommen, durchaus einen Platz im Hinterkopf verdient hat.

Freiburg, die Wiege der Antikörper

Wandert man weiter südwestlich kann man je nach Kompass und Wanderkondition in Freiburg oder in Tübingen landen, beides interessante Orte, wenn man eine Krebsforschungs-Landkarte malen wollte: Freiburg nicht nur aus historischen Gründen und der bahnbrechenden Forschung über monoklonale Antikörper des nobelpreisgewürdigten Georges Köhler, der damit den gesamten Antikörper-Bereich der Biotechnologie- und Pharmawelt überhaupt erst möglich gemacht hatte. Sondern auch zu neuesten Entwicklungen etwa einer AVA LifeScience, die genau aus dieser Köhler-Schule stammend heute hochspezifische Antikörper für die Diagnose (und zukünftig auch Therapie) von schwierigen Spezialfällen der Leukämie-Erkrankungen entwickelt. In Tübingen trifft man auf der diagnostischen Seite beispielsweise eine Firma CeGaT, die eng verbunden mit der Pathologie des Uniklinikums die dortigen tiefgehenden molekularen Untersuchungen und genomischen Analysen durchführt. Wenn nicht gerade, na, Sie wissen schon…herrscht und Großteile der Diagnostik von einem Pandemiegeschehen beherrscht werden, kümmert man sich dort auch um die Neuentwicklung bzw. Forschung an neuen Ansatzpunkten für eine bessere Krebstherapie, etwa, in dem so genannte Krebs-Neoantigene in Kollaboration mit Biotech/Pharma als neue Medikamententargets überprüft werden.

Das Neckar-Valley, ein Biotech-Biotop

Ebenfalls in Tübingen beheimatet ist die Firma immatics, der es in einem Pandemie-Sommerloch 2020 gelungen ist über das SPAC Arya Sciences an die US nasdaq zu schlüpfen – mit dem schönen Nebeneffekt dabei rund 250 Mio $ als Fusionsgabe einzustreichen. Dieses Geld wird sicherlich gut gebraucht, um die teure klinische Forschung der immatics-Technologieplattform zu finanzieren, die im Bereich der Immun-Zelltherapie angesiedelt ist. Im Wettlauf der verschiedenen Immuntherapie-Ansätze (CAR-T, bispecifics, Dendritic Cells…) wird es spannend sein, zu beobachten wie die so genannte TCR-T-Technologie von immatics, die verschiedene Vorteile gegenüber den anderen Ansätzen verspricht, die nächsten klinischen Schritte meistert.
Die Reise durch den Südwesten hat nun schon das Auge auf interessante Schürfgründe bei innovativen Ansätzen der Krebsbekämpfung gelenkt, da kommt noch Heidelberg in den Blick: mit dem Deutschen Krebsforschungszentrum, dem Technologiepark und ansässigen europäischen Einrichtungen und Organisationen und regionalen Cluster-Agenturen wie BioRN ein pulsierendes Zentrum, wie wir schon im Abschnitt über die „Nationale Dekade gegen den Krebs“ des BMBF angeschnitten hatten. Dort einzelne Leuchttürme herauszustellen, würde jedoch das halbe Internet füllen und wir wollen uns auch einmal wieder selbst zur Kürze anhalten.

Darum blicken wir zum heutigen Abschluss gerade noch auf das zur Stadt namensgleiche Unternehmen „Heidelberg Pharma“, auch weil dessen Technologieplattform in gewisser Weise den Bogen zurückspannt zum bayerischen Einschub und der Firma Tubulis: auch hier geht es um die so genannten ADC-Technologie. Heidelberg Pharma ist dabei das erste Unternehmen, das den Wirkstoff Amanitin für die Verwendung bei Krebstherapien einsetzt und entwickelt. Amanitine sind Naturstoffabkömmlinge des Giftes aus dem Grünen Knollenblätterpilz, die hochselektiv das Enzym RNA-Polymerase II hemmen und zum Zelltod führen. Die „Kunst“ besteht hierbei also darin, einzelne Zellen, nicht aber den Gesamtorganismus zu töten. Dafür verwendet das Unternehmen seine innovative ATAC-Technologie (Antibody Targeted Amanitin Conjugates). Diese proprietäre Technologieplattform wird für die Entwicklung eigener therapeutischer Antikörper-Amanitin-Konjugate sowie im Rahmen von Kooperationen mit externen Partnern eingesetzt, um eine Vielzahl von ATAC-Kandidaten zu erzeugen. Gerade hat die FDA eine Genehmigung für die Phase-1a-Studie mit dem am weitesten entwickelten Antikörper-Projekt von Heidelberg-Pharma erteilt.

Soviel also aus dem Süd-Südwesten der Republik, in weiteren Teilen der Serie werden wir uns nach Norden vorarbeiten, so es die Schneewetterlage zulässt… 😉

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