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Die SRD-II-Regulatorik (in Deutschland mittels ARUG II national umgesetzt) ermöglicht Emittenten innerhalb der EU die Identifikation ihres Aktionariats und damit auch die direkte Kommunikation. Die Bundesanzeiger Verlag GmbH unterstützt Emittenten in der Umsetzung dieser Möglichkeiten mit der „Deutschen Plattform für Aktionärsidentifikation und -information“ (DPAii). Tobias Ramolla, Head of IR Solutions, erklärt im Interview, welche Herausforderungen und Chancen die SRD-II-Regulatorik bietet.

HV Magazin: Nach europäischem Recht, der SRD II, haben börsennotierte Gesellschaften jetzt die Möglichkeit, ihre Aktionäre zu identifizieren. Wie erleben Sie bisher die Reaktionen auf SRD II?

Deutschland war die erste Reaktion sehr verhalten und die handelnden Akteure im Markt aufgrund der Komplexität der Änderungen nicht durchgängig vorbereitet. Dies führte dazu, dass die ersten Auskunftsersuchen nur schleppend liefen und inhaltlich unvollständig waren. Mittlerweile liefert der Prozess des Auskunftsersuchens nach SRD II hervorragende Ergebnisse und immer mehr Emittenten nutzen die neuen Möglichkeiten, um ihre IR-Arbeit zu erleichtern.

Wie haben Sie darauf reagiert?

Wie gesagt: Es war ein schleppender Start, aber wir haben Wege gefunden, damit umzugehen. Indem wir ein breites Netzwerk an Intermediären innerhalb der EU aufgebaut und unabhängig von deren gesetzlicher Verpflichtung bilaterale Lösungen gefunden haben, konnten wir die Identifikationsquote auf Endaktionärsebene sukzessive zuletzt auf über 90% steigern. Dabei erstrecken sich die Auskunftsersuchen teilweise auch auf das außereuropäische Ausland, wo wir unabhängig von der SRD-II-Regulatorik dennoch schon ausgezeichnete Ergebnisse erzielen.

„Die Unternehmen können mit der neuen Regulatorik ihr Aktionariat effizienter, einfacher und kostengünstiger identifizieren.“

Welche Chancen bieten sich den Emittenten durch SRD II?

Die Unternehmen können mit der neuen Regulatorik ihr Aktionariat effizienter, einfacher und kostengünstiger identifizieren.  Beispielsweise waren Privatanleger mit weniger als 3% Anteil bisher praktisch nicht zu identifizieren. Der Retailmarkt kann je nach Größe des Emittenten aber auch 30% bis 35% des Aktionariats ausmachen. Dies führte zum Teil zu unkalkulierbaren Ergebnissen bei Abstimmungen auf der Hauptversammlung. Die neue Möglichkeit, nach SRD II Aktionäre zu ermitteln, hilft dabei, diesen blinden Fleck auszuleuchten. Insgesamt entlastet der neue Prozess die Kapazitäten in der IR, da aufwendige Recherchen und die anschließende Datenaufbereitung. Dadurch kann sich die IR auf ihre Kernaufgaben konzentrieren und sich zusätzlich um Prävention kümmern, wie z.B. die frühzeitige Erkennung feindlicher Übernahmen.

Wo entstehen Probleme bei der Umsetzung der Aktionärsidentifikation?

Größtes Problem war nach unserer Erfahrung die Erstimplementierung bei den Intermediären und den Zentralverwahrern. Inzwischen haben sich diese gut eingefunden und es ist möglich geworden, hier i.d.R. bereits zu Beginn der Abfrage eine hohe Identifikationsquote zu erreichen. Selbst wenn einzelne Intermediäre noch nicht gemäß SRD II liefern können, konnten wir Lösungen finden, mit denen wir, zwar mit teils manuellen Prozessen, die Rückmeldequote deutlich erhöht haben.
Sofern Intermediäre gar nicht oder verspätet liefern, kommt es allerdings weiterhin zu Lücken im zu erklärenden Bestand. Diese werden jedoch stetig kleiner. Die Identifikationsquote ist jetzt bereits auf einemhöheren Niveau, als das mit der klassischen Share ID jemals der Fall gewesen ist. Dennoch entspricht diese nicht unseren selbstgesteckten Zielen und denen des Gesetzgebers.

Zusätzlich verpflichtet ARUG II deutsche Emittenten, Unternehmensereignisse in die Intermediärskette zu übermitteln.  Wie gelingt das in der Praxis?

Das Netzwerk, über das Emittenten Daten zu ihrem Aktionariat sammeln, funktioniert auch in die andere Richtung zur Kommunikation. Nahezu alle Emittenten in Deutschland haben die gesetzliche Verpflichtung zur Kommunikation von Unternehmensereignissen (Corporate Actions) umgesetzt. Der überwiegende Teil nutzt dazu die Plattform DPAii der Bundesanzeiger Verlag GmbH. Unternehmensrelevante Daten und Corporate Actions werden so entsprechend den gesetzlichen Vorgaben an die Aktionäre weitergegeben.

Die Plattform DPAii der Bundesanzeiger Verlag GmbHWie kann der Prozess vereinfacht werden – durch eine Plattform wie die DPAii?

Für uns war es immer wichtig, den neuen SRD II-Ansatz ganzheitlich zu denken, um in Konsequenz die IR-Arbeit insgesamt zu erleichtern. Einiges davon haben wir mit der DPAii auch heute schon umgesetzt. Neben der besseren Identifikation des Aktionariats bieten wir heute schon zahlreiche Auswertungsmöglichkeiten für die IR. Zudem unterstützen wir auch die Kommunikation mit dem Aktionär, indem die Corporate-Action-Funktion umfänglich abgebildet wurde. Darüber hinaus können wir die Corporate Actions auch direkt nach der Veröffentlichung im Bundesanzeiger zuführen, um Doppelarbeiten zu verhindern und damit die IR-Arbeit zu erleichtern. Die neue Verpflichtung über ARUG II sowie die bestehende Verpflichtung der Veröffentlichung im Bundesanzeiger können damit gleichzeitig in einem Prozessschritt erfolgen.

Darüber hinaus entstehen in Zusammenarbeit mit den Emittenten derzeit viele neue Produkte. Entsprechend arbeiten wir aktuell an einem Dashboard zur Veränderungsanalyse des Aktionariats. Ein weiteres Beispiel ist unser Paket „HV +“. Damit haben Emittenten die Möglichkeit, den Prozess der Hauptversammlung optimal zu steuern und zu analysieren. Indem vor der Hauptversammlung an unterschiedlichen Tagen zwei Aktionärsidentifikationen durchgeführt werden, kann das Delta analysiert und bei Besonderheiten zusätzlich in Teilsträngen nachrecherchiert werden.

Wie funktioniert Ihre Plattform bzw. wie kommt also der Emittent via DPAii an die Aktionärsdaten?

Die DPAii stellt dem Nutzer der Plattform die Aktionärsdaten als Excel und XML Download zur Verfügung. Der Emittent hat die Möglichkeit über seinen persönlichen Zugang die Reports im vorgegebenen Rhythmus aktualisiert runterzuladen. Der erste, initiale Download steht dem Auftraggeber zum gewünschten Rückmeldedatum zur Verfügung, nach 14 und nach 28 Tagen stellt die DPAii einen aktualisierten Datensatz zur Verfügung.

„Meiner Einschätzung nach werden durch die DSGVO die Persönlichkeitsrechte entsprechend berücksichtigt.“

Was entgegnen Sie Kritikern, die in den neuen Richtlinien eine „Durchleuchtung des Aktionärs“ sehen?

Meiner Einschätzung nach werden durch die DSGVO die Persönlichkeitsrechte entsprechend berücksichtigt. Auf der anderen Seite wurde die Finanzkrise 2008 durch viel Intransparenz ausgelöst. Die EU versucht jetzt, Transparenz zu schaffen, um die damaligen Folgen künftig zu vermeiden. Entsprechend begrüße ich den Gedanken der SRD II für die Gesellschaft und schätze ihn als hilfreich und sinnvoll ein, um einen transparenten Finanzmarkt zu fördern.

„Im Sinne des Digitalisierungsgedankens ist das ESEF-Format ein Schritt in die richtige Richtung.“

Unternehmen sind zudem seit 2020 in Deutschland verpflichtet, ihre Jahresfinanzberichte im ESEF-Format einzureichen. Wie läuft es hier bisher?

Auch hier gab es Startschwierigkeiten, da die handelnden Akteure allesamt die Herausforderungen der neuen regulatorischen Vorgaben nicht hinreichend früh antizipiert haben. Hierzu haben wir im ersten Jahr der Anwendung sehr viel kommuniziert, koordiniert und abgestimmt. Für das zweite Jahr der ESE-FAnwendung sehen wir die Emittenten, Wirtschaftsprüfer, Software- und Serviceprovider jedoch gut vorbereitet. Wir selbst unterstützen bei dem Thema ESEF mit einem Full-Service-Partner, der das Tagging und die Aufbereitung der Berichte für den Emittenten übernimmt. Darüber hinaus bieten wir die führende Lösung für das Self-Service Tagging, anschließende Aufbereitung sowie nachgelagerte Überprüfung der Ergebnisse durch den Wirtschaftsprüfer in Deutschland an. Im Sinne des Digitalisierungsgedankens ist das ESEF-Format ein Schritt in die richtige Richtung. So wie es aussieht, kommt mit der Umsetzung der CSRD-Richtlinie ein weiterer Anwendungsfall für das Format in Europa zum Tragen. Darauf bereiten wir uns derzeit vor, um frühzeitig Lösungen bieten zu können.

Herr Ramolla, vielen Dank für das gute Gespräch.

 


ZUM INTERVIEWPARTNER

TOBIAS RAMOLLA
Head of IR Solutions,
Bundesanzeiger Verlag GmbH
tobias.ramolla@bundesanzeiger.de