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Seit den „Hypejahren“ 2017/18 haben sich Token Offerings in Deutschland wie Europa von ersten Gehversuchen und vermeintlich regulierungsfreien Hypes bei Initial Coin Offerings (ICOs) über Seriositätsgewinn und „Reifung“ mittels Security Token Offerings (STOs) zuletzt in eine Vielzahl von unterschiedlichen „Offerings“ diversifiziert. Von Tanja Aschenbeck und Thorge Drefke

So namentlich Initial Exchange Offerings (IEOs) über Kryptobörsen, Continuous Token Offerings (CTOs), die (zukünftige) Einnahmen des Emittenten versprechen, und Initial Future Offerings (IFOs), die ein Derivat auf noch zu schaffende Token emittieren. Allen gemein ist, dass die Regulierung von Kryptobörsen/- Exchanges – nicht zuletzt seit der deutschen Regulierung von Kryptoverwahrgeschäften Anfang 2020 – wie auch Emittenten von Token komplex und unübersichtlich ist. Da Token weiterhin zunehmend als Wertpapiere über ein STO strukturiert werden, rücken Prospektregime – insbesondere die europäische Wertpapierprospektregulierung, aber auch die Fondsregulierung und Vermögensanlagenprospektpflichten – immer mehr in den Fokus der Krypto-Unternehmensfinanzierung.

Derzeit lassen sich Token (digitale Werteinheiten – häufig auf Blockchainbasis, sodass auf Intermediäre wie Banken verzichtet werden kann) in der Praxis in drei Kategorien einteilen: Currency Token, Security Token und Utility Token. Bei deutschen ICOs handelte es sich in der Vergangenheit überwiegend um Utility Token (vergleichbar mit digitalen Gutscheinen). Spätestens seit 2019 ist ein massiver Zulauf in STOs bzw. IEOs, die überwiegend Security Token anbieten, zu beobachten (wobei das STO-Handelsvolumen laut einer PwC-Studie seit Mitte 2019 stagniert). Dabei ist die Emission von Security Token mittels IEO, also über eine Kryptobörse, die als Gatekeeper und Intermediär fungiert, zuletzt populärer geworden, da diese als Kontrollinstanz eine Selektion der Projekte gewährleisten soll. Die Idee von IEOs ist allerdings nicht neu, sondern dem Prinzip der Crowdfunding-Plattformen abgeguckt – „Crowdfunding 2.0“ sozusagen. Die bei IEOs erforderlichen Kryptobörsen (z.B. Binance oder Bittrex Global) haben – nach EU-Maßstäben – umfangreiche Pflichten, u.a. im Anti-Money-Laundering-(AML-)Bereich. Dies erfordert u.a. eine Registrierung der Investoren mit Klarnamen und Identitätsnachweis. Einige Kryptoenthusiasten sehen hierin einen Verlust der von ihnen im Kryptobereich gewünschten (Pseudo-)Anonymität. Zudem werden teils hohe Gebühren für die Listung verlangt, teilweise 10% des Emissionsvolumens.

STO Token
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CSOs sowie IFOs fristen dagegen (noch) ein Nischendasein. CSOs dürften nur für am Markt bereits erprobte Unternehmen möglich sein, da nur diese und nicht Start-ups – das übliche ICO-Finanzierungsklientel – bereits laufend Einnahmen generieren dürften. IFOs schließlich dürften – auch aufgrund der sehr mittelbaren Tokenisierung (ein Token wird erst zukünftig erschaffen) – bisher schlicht nicht seriös wirken.

Prospektpflichten bei Angebot von Security Token

Kernfrage bei der Ausgabe von Security Token (über STO oder IEO) sind die aufsichtsrechtliche Bewertung und daraus resultierende Folgepflichten. Hier ist eine Einzelfallbetrachtung erforderlich, Security Token können rechtlich insbesondere Wertpapiere (neben Investmentvermögen oder Vermögensanlagen) darstellen.

Security Token und Wertpapierprospekt

Token gelten als Wertpapiere im Sinne des Wertpapierprospektrechts, das in der seit Mitte 2019 EU-weit unmittelbar geltenden Wertpapierprospektverordnung und dem deutschen Wertpapierprospektgesetz besteht, wenn die Token keine reinen Zahlungsmittel, übertragbar und handelbar auf den Finanzmärkten sind sowie mitgliedschaftliche Beteiligungs- oder schuldrechtliche Vermögensrechte verkörpern (vergleichbar zu EK-basierten Aktien oder FK-basierten Anleihen oder Schuldverschreibungen). Generell dürften Security Token diese Voraussetzungen erfüllen und damit häufig als Wertpapiere unter eine detailliert geregelte Wertpapierprospektpflicht fallen.

Jedoch bestehen auch weitgehende Prospektpflichtausnahmen. So können Wertpapiere EU-weit bis 1 Mio. EUR und in Deutschland aufgrund einer Öffnungsklausel sogar bis 8 Mio. EUR Volumen prospektfrei emittiert werden, was Zeit und Kosten spart. Allerdings sind bei Nutzung der 8-Mio.-EURAusnahme Einzelanlageschwellen für nicht professionelle Kunden (bis max. 10.000 EUR), die Veröffentlichung eines von der Bafin genehmigten dreiseitigen Informationsblatts und der Vertrieb ausschließlich mittels eines regulierten Wertpapierdienstleistungsunternehmens – also eines Intermediärs/Gatekeepers – zu beachten.

Security Token als Fondsanteile oder Vermögensanlagen

Grundsätzlich können Security Token auch Fondsanteile oder – subsidiär – Vermögensanlagen darstellen und bei Vertrieb in Deutschland einer entsprechenden Fondsregulierung bzw. Vermögensanlagenprospektpflicht unterliegen. I.d.R. werden Security Token aber aufgrund der Ausgestaltung der Emittenten bzw. der subsidiären Anwendbarkeit nicht unter diese Prospektregime fallen.

Gesetzgeber bringt elektronische (FK-)Wertpapiere auf den Weg

Einem Quantensprung für STOs und die Verbreitung von Security Token gleichkommen dürfte die zivilrechtliche Entmaterialisierung des Wertpapierbegriffs, also die rein elektronische Abbildung von Wertpapieren. Bislang ist – bis auf Bundesschuldverschreibungen – die Verkörperung von Wertpapieren in einer (zentralverwahrten Global-)Urkunde erforderlich. Zukünftig sollen die Funktionen der Urkunde laut Eckpunktepapier der Bundesregierung im Rahmen der Blockchainstrategie durch ein digitales Wertpapierregister (z.B. Blockchain) ersetzt werden. Zudem sollen Tokenwerte bzw. -rechte in der Datenbank eingesehen werden können. Depotbank und (zwingende) Clearstream-Verwahrung wären obsolet. Es ist jedoch davon auszugehen, dass an die digitale Registerführung strenge Anforderungen gestellt werden, die ein ähnliches Schutzniveau einer „Verbriefung“ gewährleisten. Ein Gesetzentwurf zu fremdkapitalbasierten Wertpapieren, also Schuldverschreibungen, soll kurz bevorstehen. Hingegen soll ein Gesetzentwurf zu eigenkapitalbasierten Wertpapieren wie Aktien aufgrund der komplexeren Themen später folgen.

Fazit

2020 dürfte im Zeichen des Wandels der alternativen Finanzierung hin zu digitalen Ausgestaltungen stehen. Sowohl die Einwerbung als auch die Verwaltung und Dokumentation dürften Zug um Zug digitaler werden. Dies bedeutet aber weiterhin keine Regulierungsfreiheit. Vielmehr sollten Unternehmen genau prüfen, ob ihre Token regulatorischen Vorgaben – insbesondere nach Wertpapierrecht – unterfallen.

Dieser Artikel erschien zuerst am 28. März in unserem Jahres-Special Corporate Finance Recht 2020.

Autor/Autorin

Tanja Aschenbeck, LL.M.

Tanja Aschenbeck, LL.M. (San Francisco), RAin/FAinStR, ist Partnerin und Leiterin des Sektors Financial Services der Kanzlei Osborne Clarke in Köln. Schwerpunkte sind die Beratung zu Bankaufsichtsrecht und die Strukturierung von Kapitalanlagen.

Thorge Drefke

Thorge Drefke ist als Rechtsanwalt bei der Kanzlei Osborne Clarke in Köln tätig. Seine Schwerpunkte liegen im Investmentund sonstigen Aufsichtsrecht und in der Strukturierung von Kapitalanlagen / alternativen Investments, insbesondere von (geschlossenen) Investmentfonds, Genussrechten, Crowdfunding sowie ICOs/STOs.