Thorsten Vetter, Portfoliomanager, Flossbach von Storch AG

Aktiennahe Erträge bei nur anleiheähnlichem Risiko? Das geht, und zwar mit dem „Zwitter“ aus Aktie und Anleihe: der Wandelanleihe. Abgesehen von der oftmals schwierigen Bewertung und komplexen Gestaltung sind Wandelanleihen – so attraktiv sie auch erscheinen mögen – für viele Investoren entweder gar nicht auf dem Radar oder schlecht erreichbar. Das GoingPublic Magazin sprach mit dem Fondsspezialisten Thorsten Vetter.

GoingPublic: Herr Vetter, sind Unternehmensanleihen gegenwärtig eine attraktive Anlagemöglichkeit?

Vetter: Auf jeden Fall. Früher hat eine RWE-Anleihe vielleicht 5% gebracht und eine deutsche Staatsanleihe 4%. Der Spread lag bei einem Prozentpunkt. Heute rentieren Staatsanleihen mittlerer Laufzeit bei deutlich weniger als einem Prozent, damit ist der Renditeaufschlag bei vielen Unternehmensanleihen inzwischen die ausschlaggebende Größe bei der Gesamtrendite. Zumal heute die meisten Staatsanleihen den Nimbus des risikolosen Schuldners verloren haben.

GoingPublic: Mit welcher Folge für Corporate Bonds?

Vetter: Im Vergleich zur Staatsanleihe ist deren Attraktivität enorm gestiegen. Kürzlich brachte eine deutsche Staatsanleihenneuemission eine negative Rendite, d.h. Anleger haben dafür bezahlt, dass sie ihr Geld beim Staat parken durften. Das ist eine Anomalität, bei der man langfristig natürlich nicht investieren kann. Wir nennen das zinsloses Risiko. Auch Deutschland ist mit 80% Verschuldung vom BIP nicht eben ein Musterschüler.

GoingPublic: Wandelanleihen sind etwas komplizierter. Sind die etwas nur für professionelle Investoren?

Vetter: Zwar sind sie komplexer, aber das ist nicht das eigentliche Problem. Die Stückelung von oftmals 100.000 EUR ist für Privatanleger häufig weniger geeignet. Deshalb sollte ein Privatanleger schon aus Diversifikationsgründen Wandelanleihen über einen Fonds abdecken. Wer Wandelanleihen nicht berücksichtigt, verzichtet auf aktiennahe Erträge bei jedoch nur rentennahem Risiko. Mit der Anlage in Wandelanleihen kann man seine Rendite erhöhen, das Risiko aber senken, was jedes sogenannte „Balanced Portfolio“ schlägt: Partizipation nach oben, aber Begrenzung des Risikos nach unten.

GoingPublic: 2008 waren die Verluste mit Wandelanleihen trotzdem ungefähr genauso hoch wie andernorts auch.

Vetter: 2008 war ein sehr spezielles Jahr. Hedgefonds haben Probleme bekommen, als ihre Kreditlinien gestrichen wurden und Investoren ihr Geld zurückforderten. Diese Fonds mussten viele ihrer Positionen ungeachtet der Aussichten einfach verkaufen. Das führte überall zu Verlusten. Umgekehrt brachten Wandelanleihen dann in der anschließenden Erholung auch eine sehr gute Outperformance gegenüber normalen Unternehmensanleihen.

GoingPublic: In welchem Umfeld sind Wandelanleihen am besten zu handhaben?

Vetter: Naturgemäß wenn die Aktienmärkte gut laufen, Sie aber noch die Zinsen der Wandelanleihen zusätzlich haben. Problematisch ist es nach einer längeren Phase von Aktienkurssteigerungen, nach denen die rechnerischen Renditen der Wandelanleihen schon teilweise negativ sind.

GoingPublic: Wo finden Sie gegenwärtig die attraktivsten Wandelanleihen?

Vetter: In Europa. Im vergangenen Jahr sind die Spreads deutlich auseinander gelaufen. In Asien hat man leider nur wenige Large Caps mit Wandelanleihen, sondern riskante, da hochverschuldete Unternehmen. In den USA dagegen sind die Strukturen vieler Wandelanleihen sehr komplex.

GoingPublic: Welche Sektoren gefallen Ihnen und welche nicht?

Vetter: Aktuell gefällt uns der zyklische Konsum, weil diese Unternehmen durch die Antizipation einer Rezession – namentlich in Europa – schon stark abgestraft worden sind. Auch Wandelanleihen auf Immobilientitel sind hier zu nennen, da wir das Thema Sachwerte bei Flossbach von Storch ja recht hoch halten.

GoingPublic: Seit Herbst 2010 gibt es sogenannte Mittelstandsanleihen. Was halten Sie davon?

Vetter: Das hat seine Berechtigung und macht im aktuellen Umfeld verengter Bankenfinanzierungen auch Sinn. Für Institutionelle ist dort allerdings nur schwer zu investieren aufgrund der niedrigen Emissionsvolumina. Die Liquidität ist für uns das Hauptproblem: Vielleicht kommt man über die Zeichnung zwar hinein in eine Position, aber später nicht mehr heraus, wenn man das möchte. Wir haben bei normalen Unternehmensanleihen eine Mindestgrenze von 300 Mio. EUR und bei Wandelanleihen von 100 Mio. EUR. In einzelnen Fällen dürfen wir davon abweichen, aber das ist eher die Ausnahme.

GoingPublic: Aber z.B. Air Berlin, notiert am Bondm, mit Volumina von 200 Mio. EUR oder darüber, müsste dann doch für Sie in Frage kommen.

Vetter: Air Berlin hatte in der Tat Wandelanleihen am Markt, die sie mit den Emissionserlösen aus ihren „Mittelstandsanleihen“ größtenteils zurückkauften. Derzeit stehen nur noch kleinere Reste davon aus. Es gibt aber eine einfache Regel in Börsenkreisen: Never buy airlines.

GoingPublic: Herr Vetter, vielen Dank für die interessanten Einschätzungen.

Das Interview führte Falko Bozicevic.

 

Thorsten Vetter ist seit 2000 Portfoliomanager und Analyst bei der Flossbach von Storch AG, seit 2005 Senior-Portfoliomanager. Er managt den Flossbach von Storch Wandelanleihen Global, Wandelanleihen Europa und den Bond Diversifikation. Flossbach von Storch (Köln) zählt mit einem betreuten Vermögen von über 5 Mrd. EUR und über 65 Mitarbeitern zu den führenden unabhängigen Investmentmanagern in Deutschland.

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