Die Deutsche Börse, CEWE Color, IWKA oder zuletzt Balda. Immer wieder sehen sich Vorstände und Aufsichtsräte mit zum Teil sehr aggressiven Aktionären konfrontiert, die ihre Rechte aktiv ausüben und massiven Einfluss auf strategische Unternehmensentscheidungen, die Besetzung der Organe oder die Geschäftspolitik zu nehmen versuchen. Dieses als Shareholder Activism bezeichnete Verhalten dient naturgemäß eigenen Interessen, muss deshalb aber keineswegs zum Schaden der Gesellschaft sein. Um das Heft des Handelns allerdings jederzeit in der Hand zu behalten, sollten Vorstände und Aufsichtsräte offen kommunizieren sowie frühzeitig und entschlossen reagieren.

Thomas Licharz

Deutsche Unternehmen verstärkt im Fokus

Auch wenn die ganz spektakulären Fälle schon einige Zeit zurückliegen, hat das Engagement aktiver Aktionäre auf deutschen Hauptversammlungen in den vergangenen Jahren deutlich zugenommen. Immer öfter werden Anträge auf Erweiterung der Tagesordnung gestellt oder sogar außerordentliche Hauptversammlungen mit dem Ziel einberufen, Aufsichtsräte auszutauschen oder strategische Unternehmensentscheidungen zu beschleunigen. „Rund zwei Dutzend aktive Aktionärsgruppen wird es in Deutschland derzeit wohl geben“, sagt Thomas Licharz, Geschäftsführer bei registrar services. Ihre genaue Anzahl sei allerdings insofern schwer zu quantifizieren, als sie oft im Hintergrund agieren würden. „In jedem Fall haben die Governance-orientierten Investoren deutlich zugenommen und sie befinden sich weiter auf dem Vormarsch.“ Hinzu kommt die wirtschaftlich herausragende Stellung Deutschlands, die die hiesigen Gesellschaften zusätzlich in den Blickpunkt international ausgerichteter aktiver Investoren rückt. Zu ihnen zählen einzelne oft sehr laut und medienwirksam auftretende Hedgefonds genauso wie herkömmliche Publikumsfonds, Pensionsfonds und klassische Finanzinvestoren.

Hohe Wahrscheinlichkeit

Für aktivistische Aktionäre besonders interessant sind unterbewertete Firmen, bei denen sich Effizienzlücken schließen lassen, sowie Gesellschaften, die über hohe überflüssige Barmittel verfügen oder einen massiven tatsächlichen oder vermeintlichen Konglomeratsabschlag aufweisen. Auch eine deutliche Underperformance gegenüber der Peergroup kann der Auslöser für gesteigerten Shareholder Activism sein. „Gleiches gilt bei jeglichem Verhalten, welches einer guten Corporate Governance zuwiderläuft“, wie Licharz ergänzt. „Dies kann beispielsweise die Zahl der unabhängigen Aufsichtsräte oder die Besetzung der verschiedenen Komitees betreffen. Auch die Anzahl der Mandate, die die jeweiligen Aufsichtsräte insgesamt und insbesondere als Aufsichtsratsvorsitzende innehaben, ist hier immer wieder ein wichtiges Thema.

Beschaffung von Mehrheiten

Die Beteiligung einzelner aktivistischer Shareholder an einem Unternehmen liegt meist unter 10% des stimmberechtigten Kapitals. Zwar hat sich die durchschnittliche Hauptversammlungspräsenz während des vergangenen Jahrzehnts kontinuierlich reduziert, eine signifikante Einflussnahme ist ihnen damit in aller Regel aber dennoch nur bei Überzeugung anderer Anteilseigner möglich. Dies kann durch persönliche Ansprache genauso geschehen wie durch eine breit angelegte Pressearbeit, bei der die Medien durch die gut aufbereitete Darstellung der eigenen Ideen sowie tatsächlicher oder behaupteter Fehler der Unternehmensleitung als Multiplikatoren genutzt werden. Eine immer wichtigere Rolle spielt auch das Internet. So versuchte etwa der amerikanische Hedgefonds Octavian Advisors im Vorfeld der von ihm beantragten außerordentlichen Hauptversammlung der Balda AG am 8. Februar 2012, bei der es insbesondere um den Austausch des Aufsichtsrates ging, über die Internetseite www.shareholdersforbalda. com gleichgesinnte Anteilseigner zu mobilisieren (siehe HV Magazin 1/2012, S. 36–38). Dabei sind bei derartigen Bemühungen natürlich stets die engen Grenzen des Wertpapierhandelsgesetzes zu beachten.

Außerordentliche HV und Ergänzungsanträge

Ein anderer Weg, Einfluss auf die Gesellschaft bzw. ihre Organe zu nehmen, ist die Nutzung der hierzu im Aktiengesetz vorgesehenen Möglichkeiten. Als „schärfste Waffe“ bezeichnet der Gesellschaftsrechtler Dr. Thomas Heidel in diesem Zusammenhang das allgemeine Frage-, Auskunfts- und Informationsrecht der Aktionäre. „Umfassende Information sowie die Verpflichtung der Organe, für hinreichend Transparenz zu sorgen, sind schließlich die Grundvoraussetzung für die sinnvolle Ausübung sämtlicher weiterer Aktionärsrechte.“ Während diese Rechte unabhängig vom Stimmenanteil für alle Anteilseigner gelten, sind andere Maßnahmen an bestimmte Quoren gekoppelt. Ab einem Anteil von zusammen mindestens 5% des Grundkapitals können Aktionäre beispielsweise die Einberufung einer außerordentlichen Hauptversammlung verlangen (§ 122 Abs. 1 AktG). Gleiches gilt für Ergänzungsanträge, mit denen neue Themen auf die Tagesordnung gesetzt werden, wobei hier alternativ auch ein anteiliger Betrag von 500.000 EUR am Grundkapital ausreicht (§ 122 Abs. 2 AktG).

Dr. Thomas Heidel

Sonderprüfer und besonderer Vertreter

Da über die Abwahl des Aufsichtsrates sowie die Bestellung eines Sonderprüfers oder eines besonderen Vertreters durch die Hauptversammlung nur dann beschlossen werden kann, wenn die entsprechenden Punkte auf der Tagesordnung stehen, gelten diese Quoren auch hierfür. „Dabei hat der Sonderprüfer einen praktisch ungehinderten Zugang zu allen Papieren der Gesellschaft sowie das Recht, das herrschende und verbundene Unternehmen wie auch die Organe zu befragen, um auf diese Weise bestimmte Sachverhalte aufzuklären“, erläutert Heidel. „Ein entsprechender Antrag erübrigt sich natürlich, wenn die Organe von vornherein für hinreichend Transparenz sorgen.“ Bei Ablehnung durch die Hauptversammlung können Aktionäre, die einen Anteil von mindestens 1% am Grundkapital oder den anteiligen Betrag von 100.000 EUR halten, die gerichtliche Bestellung eines Sonderprüfers beantragen (§ 142 Abs. 2 AktG). Bezüglich des besonderen Vertreters weist Heidel übrigens darauf hin, dass dieser keineswegs im Interesse der Aktionäre, sondern allein im Interesse der Gesellschaft tätig wird, was in der Öffentlichkeit häufig missverständlich dargestellt würde. „Der besondere Vertreter ist ein Organ der Gesellschaft und damit auch nur dieser verpflichtet.“ (Zu möglichen aktienrechtlichen Maßnahmen aktiver Aktionäre siehe ausführlich HV Magazin Februar 2012, S. 24–26).