Hanryk Deter, Vorstand, cometis AG

Keine Volksaktien und schon gar kein New-Economy-Boom konnten in Deutschland die Aktie als Geldanlage in der Breite der Gesellschaft nachhaltig verankern. Fallen Privataktionäre – die Kleinanleger – bei der IR-Arbeit durchs Raster? Oder wird ihnen im Gegenteil ein gemessen an ihrem Aktienanteil viel zu großer Stellenwert zugesprochen? Die erste Runde 2013 des IR-Panels geht der Frage auf den Grund, wie es um die Rolle der Privatanleger in den IR-Abteilungen bestellt ist – in der strategischen Zielsetzung und im Investor-Relations-Alltag. Und ob IR-Manager positiv auf die Aktienkultur in Deutschland einwirken können.

Die unbekannten Großaktionäre
„Privatanleger“ – so unterschiedlich man diesen Begriff auch definieren kann, fast 90% der befragten IR-Manager sehen sich in der Lage, diese Investoren nicht nur von den „Institutionellen“ abzugrenzen, sondern auch eine Schätzung über ihren Anteil am Aktionariat abzugeben. Und dabei zeigen sich die vermeintlichen Kleinanleger aggregiert oft als wahre Großaktionäre: 28% der befragten Aktiengesellschaften, die nicht in einem Index geführt werden, schätzen den Anteil von Privataktionären am eigenen Aktionariat auf mindestens 40%. Bei den indexgelisteten Unternehmen sind es immerhin noch 16%. Etwa die Hälfte der im Zuge des IR-Panels befragten TecDAX-Unternehmen geht davon aus, dass der Anteil der Privatanleger bei mindestens 30% liegt. In den darüber angesiedelten Indizes ist der Anteil erwartungsgemäß noch geringer. Die im DAX notierten Organisationen schätzen den eigenen Privatanlegeranteil auf maximal 25%.

DAX legt Wert auf Kleinanleger
Umso erstaunlicher, dass es gerade die Indexunternehmen sind, die den Privataktionären eine höhere Bedeutung beimessen. Obwohl drei Viertel aller Firmen Privatanleger als loyale und im Vergleich zu institutionellen Investoren längerfristig am Unternehmen interessierte Anleger sehen, treten in der Beurteilung der Relevanz dieser Anlegergruppe spürbare Unterschiede zutage. 63% der Indexunternehmen halten Privatanleger für sehr wichtige oder wichtige Aktionäre ihres Unternehmens – bei den DAX-Werten sind es sogar 75%. Bei den nicht in einem Index vertretenen Unternehmen äußert sich nicht einmal jedes zweite der befragten Unternehmen entsprechend (45%).

Noch augenfälliger: 67% der teilnehmenden DAX-Unternehmen geben an, ihre IR-Aktivitäten mit Blick auf die Privatanleger künftig verstärken zu wollen. Der Durchschnitt der in einem Index vertretenen Firmen liegt hier bei 37%. Bei den nicht in einem Index notierten Gesellschaften planen dies dagegen verschwindend geringe 4%. Fühlen sich die Blue Chips hier etwa in die Pflicht genommen, die Aktionärskultur in Deutschland zu stärken? Denn auch bei den IR-Managern der Indexunternehmen geben gerade einmal 16% an, als strategisches Ziel einen höheren Anteil an Privatanlegern anzustreben. Aber 84% stimmen der Aussage zu, dass sich gute IR-Arbeit längerfristig positiv auf die Aktionärskultur in Deutschland auswirkt.

Gefragt wurden die IR-Manager auch, wie sie die Bedeutung der Privatanleger vor sechs Jahren – und damit vor der Finanzkrise – einschätzen. Die Tendenz: Ihr Stellenwert war vor den aus der Finanzkrise resultierenden Umbrüchen höher. Dramatisch ist diese Entwicklung aber an sich nicht, bedenkt man, dass die Zahl der direkten Aktionäre in Deutschland im gleichen Zeitraum zeitweise von über 4 Mio. auf unter 3,5 Mio. abgenommen hatte.

Quelle: cometis AG


Selbstverständlicher Service

Sowohl bei den Indexunternehmen als auch bei den Nebenwerten geben 84% der IR-Verantwortlichen an, die Betreuung von Privatanlegern als „selbstverständlichen Teil des Aktionärsservices aufzufassen“. So hoch die Zustimmung zu dieser Aussage auch ist, lässt sie dennoch Interpretationsspielraum: Einerseits wird die Betreuung der Privatanleger als selbstverständlich angesehen, andererseits suggeriert das Statement, die Privatanleger würden als notwendiges Übel aufgefasst.

Quelle: cometis AG


Bei Nebenwerten zählt die Effizienz

Ist es vielleicht der Arbeitsaufwand, der viele IR-Verantwortliche davon abhält, die Privatanleger als Zielgruppe ins Visier zu nehmen? Fast zwei Drittel aller befragten Unternehmen taxieren den Arbeitsaufwand in der IR-Arbeit mit den Privatanlegern im Vergleich zum Arbeitsaufwand mit institutionellen Anlegern auf maximal 20%. In der Einzelauswertung zeigt sich: Obwohl der Stellenwert der Privatanleger bei den Indexunternehmen höher eingeschätzt wird, stufen sie den mit ihnen entstehenden Arbeitsaufwand – im Verhältnis – als geringer ein. Drei Viertel der am IR-Panel teilnehmenden indexgelisteten Organisationen schreiben der IR-Arbeit mit Privatanlegern einen maximalen Arbeitsaufwand von 20% im Vergleich zur IR-Arbeit mit institutionellen Investoren zu. Bei den nicht in einem Index notierten Betrieben ist es nur knapp mehr als die Hälfte. Rund ein Viertel bezeichnet den Aufwand für Privatanleger gar als genauso hoch wie bei den institutionellen Investoren. Ein Indiz, dass gerade die kleineren Unternehmen sehr genau darauf achten, die eigene IR-Arbeit in ein ökonomisch sinnvolles Aufwands-Ertrags-Verhältnis zu stellen. Denn obwohl der auf eigenen Einschätzungen der Panel-Teilnehmer basierende Privatanlegeranteil bei den Nebenwerten höher ist, gaben nur 12% der befragten IR-Manager der nicht in einem Index vertretenen Unternehmen an, der Arbeitsaufwand sei im Verhältnis zum Anteil am Aktionariat überdurchschnittlich. Bei den indexnotierten Gesellschaften sind es immerhin 26%.

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