GoingPublic: Sehr geehrter Herr Konsul Hebda, Polen gilt im Vergleich zu anderen Staaten Mittel-und Osteuropas immer noch als attraktiver Standort, beinahe gleichauf mit Österreich – welche Rolle übernehmen Sie bei der Etablierung ausländischer Unternehmen in Polen?

Hebda: Ziel der Abteilung für Handel und Investitionen des Generalkonsulates der Republik Polen in Köln ist es, polnische und deutsche kleine und mittelständige Unternehmen bei der Knüpfung von Wirtschaftskontakten tatkräftig zu unterstützen. Die Förderung des polnischen Exports, die Gründung von Wirtschaftskooperationen sowie Werbung für Polen als Investitionsstandort zählen zu unseren Arbeitsschwerpunkten. Wir veranstalten z.B. Kooperationsbörsen, Networking-Treffen, Informationsveranstaltungen und begleiten polnische Firmen auf Fachmessen. Auch Pflege der wirtschaftlichen Beziehungen zwischen deutschen und polnischen Partnerstädten bzw. -regionen fällt in unseren Kompetenzbereich. Wir unterliegen dem polnischen Wirtschaftsministerium, aber organisatorisch sind wir in den Rahmen der konsularischen Vertretung Polens in Deutschland eingebunden. Unsere konsularische Vertretung ist für vier Bundesländer zuständig: Nordrhein-Westfalen, Hessen, Rheinland-Pfalz und Saarland. Die anderen Bundesländer werden von unseren Kollegen in Berlin betreut.

GoingPublic: Wo sehen Sie gute  Wachstumschancen im polnischen Markt?

Hebda: Polen hat mit über 38 Mio. Einwohnern den größten Binnenmarkt unter den mittelosteuropäischen EU-Mitgliedern und zählte 2013 wieder zu den sich am schnellsten entwickelnden Volkswirtschaften der Gemeinschaft. Die BIP-Dynamik fiel zwar mit 1,6% überschaubar aus. Die Zukunftsprognosen sind jedoch optimistisch: 2014 sollen über 3% Zuwachs erreicht werden, 2015 ist laut Wirtschaftsexperten sogar eine vier vor dem Komma realistisch. Der Aufschwung der vergangenen Jahre und die Stabilität während der Krise beruhen aber vor allem auf einer starken Binnennachfrage der polnischen Bevölkerung. Wie in vielen anderen Ländern des ehemaligen Ostblocks sind die Bedürfnisse der Menschen nach Konsumgütern und ihre Shoppinglust nach Jahrzehnten der Mangelwirtschaft groß. Shopping ist in Polen 24 Stunden am Tag, sieben Tage die Woche gesetzlich erlaubt. Kauffreudigen Kunden stehen in Polen mittlerweile riesige Einkaufszentren zur Verfügung, wie zum Beispiel das dreistöckige „Zlote Tarasy“ (Goldene Terrassen) in Warschau mit seinen 200 Läden.

GoingPublic: Und die Richtung der Wirtschaft stimmt auch?
179772580
Deutch-polnischer Handschlag

Hebda: Das Potential der polnischen Wirtschaft ist größer geworden. In den vergangenen 10 Jahren flossen aus dem EU-Budget 61 Mrd. EUR netto nach Polen, das bedeutet 1.600 EUR pro Einwohner Polens. Das sind Zahlen, die nur mit dem Marshall-Plan zu vergleichen sind. In der neuen EU-Finanzperspektive 2014-20 sind für Polen die größten Finanzmittel der EU-Geschichte reserviert. Es ist berechtigt festzustellen, dass Polen heute – neben Deutschland, Großbritannien, Frankreich – einer der wichtigsten EU-Mitgliedstaaten ist.

GoingPublic: Wie könnte man diese Märkte attraktiv für z.B. deutsche Investoren machen?

Hebda: Trotz vieler Erfolge bei der Transformation von Kommando- zur Marktwirtschaft befindet sich die polnische Ökonomie in einem Aufhol- und Modernisierungsprozess. Das verschafft  deutschen Firmen exzellente Chancen, an diesem Prozess zu partizipieren. Es gibt in vielen Bereichen Nachholbedarf. Die polnische Industrie soll modernisiert werden, um einen guten Platz in der Reindustrialisierung Europas einzunehmen. Die Energiebranche steht vor großen Herausforderungen. Energiekapazitäten und Netze müssen erneuert werden. Nach vorläufigen Plänen der polnischen Regierung sollen 6,3 Mrd. EUR aus der neuen EU-Finanzperspektive für die Jahre 2014 bis 2020 in die Energetik und den Umweltschutz investiert werden.

GoingPublic: Welche weiteren  Märkte hätten aus Ihrer Sicht Relevanz für potentielle Investoren?

Hebda: Polen investiert kräftig in die Abfallwirtschaft, um die Umweltstandards der Europäischen Union zu erfüllen. Großen Wachstums erfreuen sich in Polen die IKT-Branche, Umwelttechnologien und das Gesundheitswesen. Der polnische Automobilmarkt hat auch interessante Perspektiven. Das Jahr 2013 war das beste Verkaufsjahr von Neuwagen in Polen. Das Premium- und Luxussegment erlebt insgesamt einen starken Aufwärtstrend: Der Verkauf im Luxussegment ist im Jahr 2013 um 97% gestiegen.

GoingPublic: Welche Rolle spielen dabei der Standort innerhalb der EU und das Lohn-Kosten-Verhältnis?

Hebda: Die Tatsache, dass Polen nicht nur attraktiver Absatzmarkt, sondern auch ein strategisch günstiger Produktionsstandort mit Vorteilen, wie  Lage in Zentral-/Osteuropa, Tor nach Russland, Technologiestandort/F&E,  relativ niedrige Lohnkosten, qualifiziertes Personal, EU-Fördergelder, Steuererleichterungen in den 16 Sonderwirtschaftszonen,   ist, wird durch die Entscheidung von VW ein weiteres Werk in Września zu bauen, belegt. Das neue Werk soll fast 1 Mrd. EUR kosten und jährlich etwa 85.000 Neuwagen herstellen.

GoingPublic: Deutsche Unternehmen nutzen seit Jahren das immense Potential des polnischen Marktes für sich. So zum Beispiel Opel in Gleiwitz, Volkswagen in Posen oder  Einzelhändler wie Lidl und Netto. Hingegen sind  polnische Unternehmen in Deutschland weniger bekannt.
Altstadt von Warschau
Altstadt von Warschau

Hebda: Dafür gibt es viele Gründe – anzumerken ist aber, dass sich die Wirtschaftslage für die Expansion polnischer Unternehmen auch auf dem deutschen Markt sehr positiv entwickelt. Deutschland ist seit Jahren der größte und wichtigste Handelspartner Polens und zudem der größte Auslandsinvestor in unserem Land. Momentan sind in Polen über 6.300 Firmen mit deutschem Kapital aktiv. Auch ist Polen selbst zum wichtigsten deutschen Handelspartner im östlichen Europa aufgestiegen, wobei es sogar Russland überholt hat. Solaris-Busse, Pesa-Züge oder Orlen-Tankstellen (in Deutschland unter dem Logo “Star” bekannt) haben sich inzwischen  auf dem deutschen Markt als ernstzunehmende Marken etabliert. Nach polnischer Wirtschaftsstatistik (GUS) ist die polnische Ausfuhr nach Deutschland im Jahr 2013 um 7,8% gestiegen. Das zeugt von einem großen Expansionspotenzial und von der Wettbewerbsfähigkeit der polnischen Wirtschaft. Der Begriff „Polnische Wirtschaft” wird in Deutschland nicht mehr mit Rückständigkeit und Unordnung assoziiert, sondern vielmehr mit Fortschritt und einem attraktiven Angebot.

GoingPublic: Wie könnte man attraktive polnische Unternehmen auf dem deutschen Markt etablieren?

Hebda: Da gibt es mehrere Ansätze. So wurde beispielsweise das Projekt „Made in Poland“ gestartet, das die 15 polnischen Wirtschaftssektoren mit dem größten Exportpotential fördern soll. Die das Projekt begleitende Informationskampagne, die vom polnischen Wirtschaftsministerium eingeleitet wurde, verfolgt das Ziel, Polen als verlässlichen Wirtschaftspartner für Unternehmen aus dem Ausland dauerhaft zu etablieren.  Wir wollen der Welt zeigen, dass unser Land über attraktive Exportgüter aus eigener Produktion verfügt und dass polnische Unternehmen mit ihren Geschäftspartnern aus aller Welt erfolgreich zusammenarbeiten. Mit der Kampagne sollen Investoren aus dem Ausland über polnische Marken und die Vorzüge unserer heimischen Produktionsgüter informiert werden.

GoingPublic: Ein anderes interessantes Investitionsfeld bieten Mittelstandsanleihen an den deutschen Börsen, auch für ausländische Unternehmen. Wäre eine derartige Option auch für polnische Unternehmen attraktiv?

Hebda: Ich finde, dass die Mittelstandsanleihen durchaus auch für polnische Firmen interessant sein könnten. Die meisten dieser Firmen sind jedoch eher vorsichtig und sicherheitsbezogen als risikobereit, wenn es um Investitionen und Kapitalmanagement geht. Mit der Zeit werden sicher auch polnische Unternehmen, die oftmals überwiegend in Familienbesitz sind, die Vorteile dieser innovativen, bankenunabhängigen Finanzierungsmöglichkeit sehen.

GoingPublic: Die polnische Börse in Warschau ist hier noch beinahe unbekannt. Welche Anlagemöglichkeiten sehen Sie für deutsche Investoren?

Hebda: Warschau ist ein guter Ort für Investoren. Mit den Finanzplätzen Hongkong und Dubai kann Warschau zwar noch nicht mithalten, aber wegen des Wirtschaftsbooms gehört die Warschauer Börse seit Jahren zu den besonders schnell wachsenden Handelsplätzen. Analysten sind sich weitgehend einig: Polen wird auch in Zukunft attraktiv bleiben. Man könnte fast schon sagen, dass Polen das heutige China Europas ist: Unser Land hat das Wachstumspotenzial eines Emerging Markets und als EU-Mitglied bietet es gleichzeitig die Infrastruktur und die Regulierung eines Industriestaates. Gleichzeitig lohnt es sich, bei dem heutigem Zinsniveau in der Eurozone, einen Blick nach Polen zu werfen um überdurchschnittliche Gewinne zu generieren, ob nun durch den Direktkauf von Staatsunternehmen oder den Erwerb vom Aktien z.B. aus dem Energiesektor.

GoingPublic: Herr Konsul Hebda, vielen Dank für das aufschlussreiche Gespräch.

Autor/Autorin