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In einer Ära, in der die Grenzen der Wissenschaft neu definiert werden, denkt auch Bayern weiter und verbindet ­Biotechnologie und Nanotechnologie. Dabei hat der Freistaat auch stets das Potenzial digitaler Technologien im Blick. Er sieht seine Rolle als Vorreiter in der Entwicklung und Anwendung neuer Technologien, die auf globaler Ebene ­biotechnologische Herausforderungen adressieren. Wie löst er dieses Selbstverständnis ein?

 

In den letzten Jahrzehnten haben sich die Forschungs- und Entwicklungs­bereiche der Biotechnologie und der Nanotechnologie jeweils enorm weiter­entwickelt. Dabei haben sie sich immer weiter aufeinander zubewegt und zunehmend größere Schnittmengen gebildet. ­Zunächst ausgehend von Fortschritten im Bereich von biokompatiblen Werkstoffen (z.B. Carbon Nanotubes) bzw. Biomate­rialien wie Biopolymeren eröffnen solche Innovationen völlig neue Anwendungen in der Medikamentenverabreichung (Drug Delivery) oder der Verpackung von ­komplexen Wirkstoffen wie Chemotherapeutika oder viraler Nukleinsäure in Nanopartikeln (z.B. Core-Shell-Systeme und nicht-virale Nanovesikel). Solche Nano­verpackungen werden bereits heute in der funktionellen Bildgebung oder im Bereich der Biosensorik genutzt (Stichwort: Lab on a Chip). Auch die Entwicklung des mRNA-COVID-19-Impfstoffs basiert auf dem ­Zusammenspiel beider Technologien.

Speziell an diesem Beispiel wird aber auch deutlich, wie komplex und entscheidend funktionierende Lieferketten und wirtschaftlich ausgerichtete Pläne zum Upscaling sind. Gerade an der Schnitt­stelle der Bio- und Nanotechnologie kommt zunehmend die Inte­gration wei­terer innovativer und disrup­tiver Tech­nologien zum Einsatz, etwa die künstliche Intelligenz (KI) mit ihren neuro­nalen ­Netzen und Large Language Models (LLMs) für die umfassende Nutzung von (Gesundheits-)Daten, aber auch Quantentechnologien.

Nanobiotechnologie mit Mehrwert für Bayern

Bayern ist mit seinen jeweiligen Clustern Biotechnologie und Nanotechnologie ­bereits hervorragend aufgestellt. Entsprechendes gilt auch für einzelne Unternehmen in diesen Bereichen (z.B. tilibit nanosystems, leon-nanodrugs oder NanoStruct), die auch schon unterschiedlich stark in der Biotechnologie aktiv sind. Diese ­Unternehmen sind teilweise VC-finanzierte Ausgründungen aus bayerischen Universitäten (LMU, TUM und FAU) sowie dem Max-Planck-Institut für Biochemie in ­Martinsried. Gerade Start-ups und KMU können durch die gemeinsame Zusammenarbeit erfolgreich sein.

Symbolbild "AI". Copyright: greenbutterfly - stock.adobe.com
Symbolbild „AI“. Copyright: greenbutterfly – stock.adobe.com

Die Zusammenarbeit zwischen Nano- und Biotechnologie hat aufgrund der ­bereits vorhandenen Kompetenz das ­Potenzial, nachhaltig einen erheblichen Wert für Bayern und Mehrwert für die ­Unternehmen zu schaffen. Dies ermöglicht die (Weiter-)Entwicklung hochprä­ziser Diagnose- und Therapieverfahren, auch schon im Bereich der Prävention. Hierzu gehören die gezielte Medikamentenabgabe, bildgebende Verfahren auf der Nanoskala oder die Erforschung und Entwicklung von Nanorobotern. Diese Innovationen können den Wirtschaftsstandort stärken und die Position der Region als biomedizinisches und hochinnovatives Forschungs- und Innovationszentrum ­weiter ausbauen. Eine enge Zusammen­arbeit der beiden Cluster bietet die ­Chance, Produkte schneller und effektiver in den Markt zu bringen. Sektorübergreifende Aktivitäten sind auch attraktiv im Bereich der Nachwuchsförderung und der Aus- und Weiterbildung von Fachkräften. Die enge Verzahnung der Industrie mit Hochschulen und Forschungseinrichtungen treibt innovative Technologien weiter voran und fördert die anwendungsbezo­gene Ausbildung talentierter Wissenschaftler und Ingenieure. Dies führt zu ­einer erhöhten Wettbewerbsfähigkeit auf nationaler und internationaler Ebene, ­besonders wenn die Bereiche der KI/LLMs und Quantenbiologie kurz- und mittelfristig integriert werden.

KI in allen Bereichen der ­Biotechnologie: AI4Biotech

Neben der Verknüpfung von Bio- und ­Nanotechnologie steht übergeordnet die Integration von künstlicher Intelligenz. Der Einsatz intelligenter Software (zusammen mit den entsprechenden Hardwarekomponenten und in der Zukunft auch Quantencomputern) zur Analyse, ­Interpretation und Nutzung biomedizi­nischer Daten ermöglicht die Förderung von Innovationen in der Biotechnologie und Biomedizin. BioM legt clusterweit mit „AI4Biotech“ den Schwerpunkt auf ein ­innovatives Konzept, das KI und fortschrittliche (digitale) Technologien nutzt, um die Disziplin und verschiedene Aspekte der gesamten Biotechnologie in Bayern, insbesondere der Arzneimittelentwicklung, zu revolutionieren. Dieses „intelligente Ökosystem“ in Kombination mit bayernweiten Initiativen zielt darauf ab, die Forschung und Entwicklung biotechnolo­gischer Innovationen im Allgemeinen zu verbessern. Ebenso soll die Entwicklung innovativer Medikamente, hochauflösender Diagnostik und effektiverer, kostensparender Therapieverfahren vorangetrieben werden.

Für eine zunehmende Digitalisierung der Biotechnologie und die strategische Nutzung von KI ist es notwendig, auch ­internationale Daten/Netzwerke nutzen zu können und den Zugang zu vielfältigen ­Datenquellen zu erleichtern. Deshalb ­sollen auch digitale Produktionslabore von akademischen und industriellen Partner­einrichtungen (TUM, Schwarz-Stiftung) eingebunden sowie die Zusammenarbeit mit etablierten Branchenführenden wie Apple, AWS, Google und Microsoft genutzt werden, um Synergien zu schaffen und das Wissen zu erweitern. Zudem kann in diesem Schwerpunkt auch die Entwicklung einer innovations- und industriefreund­lichen Daten- und Analysecloud als ­„trusted data environment“ in Bayern ­unterstützt werden.

Disruptiv, den Datenschutz immer im Blick

Zusammenfassend soll AI4Biotech als ­disruptives Konzept modernste KI-Funktionen in die Biotechnologie integrieren. Dank der Leistungsfähigkeit der KI hat ­AI4Biotech das Potenzial, schon die frühe Arzneimittelentwicklung zu beschleu­nigen. Es gilt allerdings zu ­beachten, dass KI weitreichende Möglichkeiten bietet. Deshalb erfordert ihre Implementierung in der Biotechnologie und ­verwandten Bereichen eine sorg­fältige Abwägung ethischer, datenschutzrechtlicher und regulatorischer Aspekte, um sicherzustellen, dass ­Patientendaten verantwortungsvoll und sicher verwendet werden. Eine ordnungsgemäße ­Validierung und Verifizierung von KI-­Modellen sind ebenfalls ­unerlässlich, um ihre Genauigkeit und Zuverlässigkeit im realen medizinischen Umfeld sicher­zustellen.

Wir müssen die Chancen, die uns digitale Technologien liefern, ergreifen und umsetzen – und zwar interdisziplinär, ­sektorübergreifend und überregional. So können wir Innovationen vorantreiben und werden unserer Rolle als Vorreiter ­gerecht.

Autor/Autorin

Prof. Dr. Ralf Huss

Prof. Dr. Ralf Huss ist Geschäftsführer der BioM Biotech Cluster Development GmbH und Sprecher des Bayerischen Biotech-Clusters. Als gelernter Pathologe verfügt er über langjährige Erfahrung sowohl in der internationalen akademischen Forschung als auch in biopharmazeutischen Unternehmen. Seine Forschungs­schwerpunkte lagen in der Immunologie, der Krebs- und Stammzellforschung sowie aktuell in der Anwendung von künstlicher Intelligenz und Daten in der digitalen Medizin und Diagnostik. Bevor er zu BioM kam, war Prof. Dr. Huss stellvertretender Ärztlicher Direktor am Universitätsklinikum Augsburg und Gründungsdirektor des Instituts für Digitale Medizin (IDM).