Während international Wachstumsraten zu verzeichnen sind, bleibt die deutsche Medizintechnik-Branche unter Druck. Vor allem der Zwang zu niedrigen Preisen sowie geringere Versorgungspauschalen machen heimischen Herstellern das Leben schwer. Trotz steigender Umsatzraten, müssen die Unternehmen fallende Gewinne hinnehmen. International haben vor allem M&A-Aktivitäten deutlich zugenommen.

Nach Angaben der offiziellen Wirtschaftsstatistik des Bundes legte der Gesamtumsatz der produzierenden Medizintechnikunternehmen in Deutschland im Jahr 2013 um 2,2% auf 22,8 Mrd. EUR zu. Allerdings war der Umsatz in den Vorjahren noch deutlicher gestiegen, nämlich um 4% in 2012 und knapp 7% in 2011. 2010 verzeichnete die Branche sogar über 9% Wachstum.

Dr. Mainrad Lugan,Vorstand BVMed,Quelle:BVMed
Dr. Mainrad Lugan,Vorstand BVMed,Quelle:BVMed

Jedoch geht der Bundesverband Medizintechnologie (BVMed) davon aus, dass der Umsatz durch die demografische Entwicklung in den nächsten Jahren wieder steigen wird. Bislang resultiert das Umsatzwachstum in erster Linie aus dem guten Auslandsgeschäft. „Die Exportquote liegt bei über 65%“, erklärt BVMed-Vorstand Meinrad Lugan. So stieg der Auslandsumsatz im vergangenen Jahr um 2,5% auf 15,5 Mrd. EUR.

Die meisten Produkte gehen ins europäische Ausland, wenngleich die USA weiterhin das wichtigste Zielland bleibt und auch die Nachfrage aus China weiter steigt.

Jobmotor in Deutschland

In Deutschland sind rund 190.000 Menschen in der Medizintechnik beschäftigt, vor allem im Mittelstand: 95% der Firmen beschäftigen jedoch weniger als 250 Mitarbeiter. 51% der Unternehmen haben Arbeitsplätze geschaffen, und nur 8% Arbeitsplätze abgebaut, heißt es in der aktuellen Herbstumfrage des BVMed. Gesucht werden überwiegend Medizintechniker und Ingenieure. Offene Stellen gibt es zudem im Vertrieb. Gleichzeitig warnt der Verband jedoch vor dem zunehmenden Mangel an Fachkräften. Grund sei neben dem demografischen Wandel auch die mitunter mangelhafte Ausbildungsreife vieler Schulabgänger.

Als innovativsten Forschungsbereich schätzen 45% der vom BVMed befragten die Kardiologie ein. Es folgen Onkologie (33%), Neurologie und Diagnostik (jeweils 28%) und die Chirurgie (16%). Trotzdem sorgen  „innovationsfeindlich eingestellte Krankenkassen“, so der BVMed, langwierige bürokratische Prozesse, niedrige Erstattungspreise und Unsicherheiten über künftige Nutzenbewertungen von Medizintechnikprodukten für eine Gefährdung künftiger Innovationsprozesse – was in der Konsequenz auch Investoren von einem Engagement abhalten könnte.

Starker Anstieg der weltweiten M&A-Aktivitäten

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Quelle:BVMed

Auf dem internationalen Medizintechnik-Markt stiegen die Umsätze US-amerikanischer und europäischer Hersteller gemeinsam um gut 4% – blieben damit jedoch weit entfernt von den vor dem Ausbruch der weltweiten Wirtschafts- und Finanzkrise erzielten Wachstumsraten. Beeindruckend ist die deutliche Zunahme der weltweiten M&A-Aktivitäten: Um 135% auf knapp 86 Mrd. USD stieg der Gesamtwert von Fusionen und Übernahmen von US-amerikanischen und europäischen Medtech-Unternehmen. Darin enthalten sind auch sogenannte „Mega-Deals“, also Transaktionen mit einem Volumen von mehr als 10 Mrd. USD. In den zwölf Monaten seit Juli 2013 erhöhte sich deren Wert um 28% auf über 29 Mrd. USD, wie der aktuelle „Medizintechnik-Report 2014“ der Prüfungs- und Beratungsgesellschaft EY (vormals Ernst & Young) berichtet.

Angetrieben wurden die gestiegenen M&A-Aktivitäten von Akquisitionen, mit denen die Firmen ihr Know-how in bestimmten Krankheitsfeldern erweitern oder in neue Märkte vorstoßen wollten. Vor allem Akquisitionen in Schwellenländern waren gefragt.

IPOs versechsfachen sich

Gleichfalls erfreulich war die Zahl der Börsengänge in den USA und Europa. Zwischen Juli 2013 und Juni 2014 wagten 31 Unternehmen den Sprung aufs Parkett. Damit betrug das Emissionsvolumen gegenüber dem vergleichbaren Vorjahreszeitraum 1,5 Mrd. USD, was einen Anstieg um beachtliche 600% bedeutet.

Allerdings verharrten die Risikokapitalinvestitionen mit 4,4 Mrd. USD ungefähr auf gleichbleibendem Niveau. Ausgeglichen wurden diese durch höhere Investitionen von Unternehmen sowie strategischen Anlegern. Zum Vergleich: In deutsche Life Sciences-Unternehmen, darunter auch Medizintechnik-Unternehmen, flossen im vergangenen Jahr laut Branchenverband BVK rund 453 Mio. EUR Beteiligungskapital.

Preisdruck nimmt zu

Siegfried Bialojan,EY
Siegfried Bialojan,EY,Quelle:EY

Beeindruckende Zahlen, doch Siegfried Bialojan, Leiter des Mannheimer EY-Life Science-Kompetenzzentrums, warnt: „Wir sehen, dass die klassischen Branchenregeln zunehmend an Bedeutung verlieren und Unternehmen neue Strategien entwickeln müssen, um nachhaltigen Erfolg zu erzielen“, so Bialojan. „Jedes Unternehmen wird eine andere Strategie wählen und muss neue Möglichkeiten finden, mit denen es beweisen kann, dass seine Produkte höchste Qualitätsstandards erfüllen. Es muss seine Marktanteile erhöhen und die Kosten senken“, appelliert der Life Sciences-Kenner. Schon heute beklagen 79% der deutschen Medizintechnik-Firmen laut BVMed einen stärkeren Preisdruck.

Fazit

Die Medizintechnik erfreut sich national und international weiterhin wachsender Umsatzzahlen, allerdings weit entfernt vom Vorkrisenniveau. Während auf den internationalen Märkten, allen voran in den USA, beeindruckende M&A-Volumina und eine steigende Zahl von Börsengängen für Aufmerksamkeit sorgen, profitiert die deutsche Branche in erster Linie vom starken Auslandsgeschäft. Der Kampf um die Märkte im Ausland, vor allem in Europa und in den Schwellenländern, ist in vollem Gang. Dieser garantiert deutschen Herstellern noch immer vergleichsweise hohe Beschäftigungszahlen, doch leiden die Firmen zunehmend am Mangel gut ausgebildeter Fachkräfte. Auch wünschen sich viele Verantwortlich eine Entbürokratisierung und Beschleunigung der Entscheidungswege, insbesondere bei Zulassungen neuer Produkte und Verfahren oder Erstattungen medizinischer Leistungen durch Krankenkassen. Langwierige Entscheidungs- und Zulassungsprozesse abseits der eigentlichen Forschung und Entwicklung können im Zweifelsfall wichtige Innovations- und Investitionsentscheidungen verhindern.

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