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Die erste Hauptversammlungssaison seit Inkrafttreten der EU-Durchführungsverordnung zur zweiten Aktionärsrechterichtlinie (DF-VO) ist für zahlreiche Emittenten bereits geschafft. Es ist also an der Zeit, Bilanz zu ziehen und zu prüfen, ob sich für die Umsetzung in der Praxis bereits ein Marktstandard herausgebildet hat und welche Erfahrungen geteilt werden können.

Das Ziel der DF-VO ist ein standardisiertes Format zum europaweiten Informationsaustausch zwischen den Intermediären. Die Verordnung will dabei die Harmonisierung und vor allem Beschleunigung der Kommunikation im Bereich Hauptversammlungen und Kapitalmaßnahmen erreichen – mittels maschinell verarbeitbarer Datensätze.

Jede und jeder Hauptversammlungsverantwortliche wird sich also im Zuge der Vorbereitungen mit Tabelle drei der DF-VO, dem sogenannten Golden Operational Record (GOR), beschäftigt haben, da der Emittent für die initiale Bestückung der Informationen in die Intermediärskette verantwortlich ist.

In der Tabelle wird die Mitteilung über eine anstehende Hauptversammlung (HV) als sogenanntes Unternehmensereignis definiert. Der GOR teilt sich auf in einen Pflichtbestandteil (Blöcke A bis C) und einen ergänzenden Teil, der auf die Website ausgelagert werden kann.

Der Pflichtbestandteil enthält dabei immer einen Link auf die Homepage des Emittenten, auf der sich alle Details (und in der Regel der Online-Service zur Anmeldung / Stimmrechtsausübung) befinden. Vielzählige Emittenten sahen deswegen die Möglichkeit, auf einen Druck und Versand von HV-Einladungsbroschüren zu verzichten. Aber wurde diese Möglichkeit auch genutzt? Bei einem Blick auf den DAX zeigt sich ein uneinheitliches Bild: Einige Emittenten verschickten wie 2020 die gesamte Einladung als gedruckte Broschüre, andere wiederum verzichteten auf eine gedruckte Einladung, versendeten aber ergänzende Informationen – zum Beispiel zu Aufsichtsratskandidaten oder den Angaben nach Tabelle drei als Beileger. Viele aber verschickten keinerlei gedruckte Einladung mehr an die Aktionäre.

Mindestangaben nach Tabelle drei, Block A bis C, müssen an alle Aktionäre verschickt werden

Bei Emittenten mit Inhaberaktien erfolgt der Einladungsversand durch die Depotbanken, so dass die Emittenten keinen Einfluss auf die Dokumente nehmen konnten. Hier existiert, zumindest in Deutschland, ein einheitliches Vorgehen: Alle Depotbanken übernehmen die Informationen aus den Blöcken A bis C der Tabelle drei in das Anschreiben für die Kunden. Teilweise wurden sie durch zusätzliche Dokumente ergänzt. In den Anschreiben wurden bei manchen Depotbanken Modifizierungen im Vergleich zum Vorjahr vorgenommen. So wurde zum Beispiel die „Eindeutige Kennung des Ereignisses“ neu aufgeführt. Andere Angaben wie das HV-Datum und die Uhrzeiten wurden nach wie vor im hiesigen Format wie in einem Briefwechsel des Emittenten oder der Bank üblich beschrieben (6. Mai 2021, nicht als 20210506).

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Emittenten mit Namensaktien durften in diesem Punkt tiefer gehende Überlegungen anstrengen, da sie ihre Aktionäre kennen und in der Regel selbst informieren. Intensive Diskussionen führten zu unterschiedlichen Lösungsansätzen. Falls ein Emittent nach wie vor eine gedruckte HV-Einladung an alle Aktionäre verschickte, wurden die Pflichtangaben dort meist zusätzlich ergänzt. Bei Emittenten, die ohne gedruckte Einladung Aktionäre über die Hauptversammlung informiert haben, stellte sich die Frage nach der Integration der GOR-Informationen.

Wie kann möglichst effizient und aktionärsfreundlich eingeladen werden?

Eine konsequente Umsetzung der Möglichkeiten nach ARUG II unter den Vorgaben der DF-VO machte in diesem Jahr die Allianz SE vor. Durch den Wegfall einer gedruckten Broschüre wurden etwa 15 Tonnen Papier gespart. Alle HV-Unterlagen wurden auf der Webseite zur Verfügung gestellt, die, mit QR-Code direkt zu erreichen ist. Die Informationen des GOR wurden in das einseitige Anschreiben an die Aktionäre integriert. Dabei wurde auf eine Darstellung der Informationen in einer technischen Formatierung nach DF-VO verzichtet. Privataktionäre bekamen so alle Informationen in einem gut lesbaren Format. Zusätzlich wurden Intermediäre nach DF-VO-Vorgaben informiert. Hierfür wurden die Information über technische Plattformen zur Weiterleitung in die Intermediärskette gegeben.

Wann ist der GOR zu veröffentlichen?

Zum Zeitpunkt der technischen Veröffentlichung des GOR bestand weiterer Diskussionsbedarf. Das Spannungsfeld ergab sich aus der Position der einen Seite, den GOR möglichst bereits direkt zum Zeitpunkt der Veröffentlichung im Bundesanzeiger einzureichen. Auf der anderen Seite ergibt sich mit einer so frühen Veröffentlichung die Gefahr, das Depotstimmrecht, vor allem von Privatanlegern, zu verlieren. Die Banken müssten die GOR-Informationen unverzüglich weiterleiten und könnten keine Abstimmungsempfehlung ergänzen.

Ein eleganter und dieses Jahr breit genutzter Lösungsweg war die GOR-Einreichung bei Clearstream im Status „Incomplete“ zum Zeitpunkt der Bundesanzeigerveröffentlichung mit einer zusätzlichen GOR-Einreichung im Status „Complete“ nach Ablauf der Tagesordnungsergänzungsfrist. Erst die Einreichung des Complete-GOR löst dabei die Weiterleitungspflicht bei den Intermediären in der Kette und an den Privataktionär aus.

Die frühere GOR-Einreichung im Status Incomplete ermöglicht es aber Intermediären bereits, die Informationen im standardisierten Format innerhalb der Intermediärskette zu technischen Vorbereitungen weiterzuleiten, um damit schnell und grenzübergreifend zu informieren. Damit können die Abstimmungssysteme bei den Kreditinstituten, aber auch bei den Proxy-Dienstleistern vorbereitet werden. Es wird außerdem eine neue, zusätzliche Mitteilung nach einem gültigen Tagesordnungsergänzungsverlangen vermieden.

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Hierzu haben sich auch die deutschen Banken positiv geäußert. Sowohl die HV-Dienstleister als auch die Plattformen zur Einreichung der GOR-Informationen verfahren bereits entsprechend. Neben der GOR-Einreichung bei Clearstream sollten ergänzende Informationen zum Ablauf, den Zeitpunkten und der Veröffentlichungsplattform zum GOR auch über die Wertpapiermitteilungen erfolgen. Dieser zusätzliche Kanal dürfte erforderlich bleiben, bis sich eine allgemeine Marktpraxis herauskristallisiert hat.

Möglichkeiten für 2022 nach Übergangsjahr 2021

Bei den technischen Einreichungen an Intermediäre mit den verschiedenen Zeitpunkten und dem Status Complete/Incomplete kann man bereits jetzt von einem Marktstandard sprechen. Für den Druck von HV-Einladungen und Informationen an Privataktionäre über Tabelle drei ist das noch nicht der Fall. Es wurden vielerlei verschiedene Wege beschritten und Lösungen gefunden. Insbesondere wurden Wege aufgezeigt, wie sich Vorteile aus der neuen Regulierung in einer effizienten, papier- und kostensparenden Weise nutzen lassen. Eine frühzeitige Diskussion, wie Privataktionäre informiert werden sollen, eröffnet nun die Chance, für 2022 Prozesssicherheit und mehr Einheitlichkeit in den deutschen Markt zu bekommen.

Johannes Müller

Über den Autor:
Johannes Müller ist Projektmanager Aktienregister & Hauptversammlung bei der ADEUS Aktienregister-Service-GmbH.

Autor/Autorin

Johannes Müller

Johannes Müller ist Projektmanager Aktienregister & Hauptversammlung bei der ADEUS Aktienregister-Service-GmbH.