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Zwei der drei Börseneinführungen in diesem Jahr wählten diese besondere Rechtsform: die SCHOTT Pharma AG & Co. KGaA sowie die thyssenkrupp nucera AG & Co. KGaA. Eine KGaA ist ein hybrides Rechtskleid, das Elemente der Personengesellschaft, der Kommanditgesellschaft (KG) und einer Aktiengesellschaft (AG) vereint. Das Besondere an der Struktur ist, dass der persönlich haftende Komplementär die alleinige Geschäftsführungskompetenz besitzt und nicht vom Aufsichtsrat, der von den Kommanditaktionären gewählt wird, bestellt oder abgesetzt werden kann. Damit wird die KGaA besonders für den Komplementär attraktiv. Von Prof. Dr. Wolfgang Blättchen und Uwe Nespethal

 

Überdies verfügt der Aufsichtsrat der KGaA über keine Zustimmungskompetenz für wichtige Entscheidungen der Geschäftsleitung und kann somit der Geschäftsführung auch keinen Katalog von zustimmungspflichtigen Rechtsgeschäften vorlegen. Der Komplementär hat sogar noch ein Vetorecht gegenüber Mehrheitsbeschlüssen der Kommanditaktionäre bei wesentlichen Entscheidungen wie Satzungsänderungen. Dem Aufsichtsrat fehlt auch die Einflussnahme auf die Vergütung des Komplementärs sowie für die Feststellung des Jahresabschlusses, die beide bei der Hauptversammlung liegen. Einzig zentrale Aufgabe des Aufsichtsrats ist die Kontrolle der Geschäftsleitung vertreten durch den Komplementär. Hierzu stehen dem Aufsichtsrat primär Informationsrechte zu. Dies gilt auch für den mitbestimmten Aufsichtsrat.

Prof. Dr. Wolfgang Blättchen

Die übermächtige Stellung des Komplementärs wird jedoch dadurch eingeschränkt, dass er keinen Einfluss auf die Zusammensetzung des Aufsichtsrats und auf die Person des Abschlussprüfers hat. Darüber hinaus hat der Komplementär die Möglichkeit, seine persönliche Haftung durch die Einsetzung einer juristischen Person (GmbH, AG oder SE) zu begrenzen. Dann kann die Mitbestimmung auf der KGaA-Ebene beschränkt werden, wenn der Komplementär eine SE ist.

In der Folge sind zahlreiche Empfehlungen des Deutschen Corporate Governance Kodex in Bezug auf die Rolle des Vorstands und Aufsichtsrats nicht anwendbar, da er nur die klassische AG oder SE kennt. Dies macht eine Rechtfertigung der Ausnahmen und Besonderheiten gegenüber Investoren nicht einfach und liefert auch den Grund dafür, dass die KGaA selten an der Börse zu finden ist.

In den letzten zehn Jahren sind an den deutschen Börsenplätzen sieben Emittenten als KGaA an die Börse gegangen, die entweder das klassische IPO oder ein Listing als Zugang wählten. Zum Vergleich fanden im selben Zeitraum 160 IPOs und Listings statt, sodass der KGaA-Anteil unter den Neuzugängen bei 4,4% liegt. Aktuell sind an der Frankfurter Börse unter den insgesamt 419 gelisteten Unternehmen des CDAX und des regulierten Freiverkehrssegments Scale 26 Emittenten bzw. 6,2% in einer KGaA-Struktur zu finden. Es befinden sich drei KGaAs im DAX (40), vier im MDAX (50), acht im SDAX (70) und eine im TecDAX (30).

Uwe Nespethal

Von den 26 KGaAs gehören 17 zu den familiengeführten Unternehmen, d.h., 65% der KGaA-Emittenten nutzen die starke Stellung des Komplementärs, um die Interessen der Eigentümerfamilie zu schützen. Um die persönliche Haftung des Komplementärs zu limitieren, werden verschiedene Rechtsformen unter den 26 börsennotierten KGaAs gewählt: 50% der KGaAs werden von einer der börsenfähigen Rechtsformen AG (sieben) oder SE (sechs) geführt. Interessant ist hierbei, dass der Komplementär damit einen eigenen Aufsichtsrat bekommt, der über die Kompetenzen einer typischen Aktiengesellschaft verfügt. So hat etwa der Aufsichtsrat des Komplementärs das Vergütungssystem für den Vorstand zu erstellen, das anschließend der Aufsichtsrat der KGaA den Kommanditaktionären zur Billigung vorzulegen hat. Die GmbH ist bei 23% (sechs) zu finden, gleichauf mit einer persönlich haftenden Person (sechs). In einem Fall (4%), nämlich CEWE, ist der Komplementär eine Stiftung.

Die KGaA privilegiert familiengeführte Unternehmen durch die starke Stellung des persönlich haftenden Komplementärs. Neben den bereits aufgezählten Vorteilen kann die KGaA auch in erbschaft- oder schenkungsteuerlicher Hinsicht interessant sein, wenn die unterschiedliche Besteuerung von Personen- und Kapitalgesellschaften ggf. Optimierungen ermöglicht. Für außenstehende Investoren ist diese Struktur allerdings kompliziert und insbesondere für ausländische Investoren fremd – daher ist die KGaA auch selten an der Börse zu finden. Auch wenn zwei von drei IPOs in diesem Jahr diese Rechtsform wählten, wird dies eine Ausnahme bleiben.

 

ZU DEN AUTOREN

Prof. Dr. Wolfgang Blättchen ist geschäfts­führender Gesellschafter der BLÄTTCHEN FINANCIAL ADVISORY GmbH und seit drei Jahrzehnten als unabhängiger Berater für Kapitalmarktstrategien aktiv. In dieser Zeit konnte er über 100 Pre-IPOs, IPOs und Follow-on-Mandate begleiten. Er ist aktives Mitglied in Aufsichts- und Beiräten sowie Ansprechpartner der Börsen.

Uwe Nespethal ist ebenfalls geschäftsführender Gesellschafter der BLÄTTCHEN FINANCIAL ADVISORY GmbH und seit über 20 Jahren als unabhängiger Berater in Kapitalmarktstrategien sowie in der Auflegung von kapitalmarktorientierten Incentivierungsprogrammen für Führungskräfte und Mitarbeiter tätig.