Besonders „nüchterne“ Experten sahen den Dow Jones schon in nicht allzu ferner Zukunft bei 16.000 Punkten, den DAX mindestens ebenso hoch – von den Prognosen für Nasdaq und NEMAX wollen wir da gar nicht mehr sprechen.

Vielerorts waren außerdem Prognosen über die Anzahl der bevorstehenden Neuemissionen zu lesen. Alle Erwartungen bewegten sich im dreistelligen Bereich. Zwischen 150 und 250 Unternehmen, je nach Börsenlage, sollten den Sprung aufs Parkett wagen. Nun ist das Jahr 2000 schon fast zur Hälfte vorbei und es ist an der Zeit eine erste Bilanz, den deutschen Neuemissionsmarkt betreffend, zu ziehen.

In der Zeit des Jahreswechsels war die Kenntnis von den Unternehmen, deren IPO-Termin für 2000 schon fest stand, noch begrenzt. Nur ein paar wenige Fixsterne waren bekannt. Dazu zählten natürlich die Megaemissionen des Jahres, allen voran der Siemens-Spin-off Infineon (6,06 Mrd. Euro Emissionsvolumen), gefolgt von dem ISP aus dem rosafarbenen Hause Telekom, die T-Online AG (2,54 Mrd. Euro). Der dritte im Bunde vollendete erst vor kurzem seinen Gang an den Kapitalmarkt. Die Rede ist von der Commerzbank-Tochter comdirect (0,87 Mrd. Euro). Werden alle vollzogenen Emissionen bis zum 16.6. zusammengerechnet, so sind es insgesamt 89 neue Werte an der Börse. Davon entfällt, Sie werden es bereits ahnen, der Großteil, nämlich 70 Neulinge, auf das Segment Neuer Markt. 15 Unternehmen zogen den Amtlichen Handel/Geregelter Markt vor. Nur 2 Companies präferierten bisher eine Notierung im Freiverkehr.

Wesentlich interessanter als die Verteilung auf die einzelnen Segmente, ist jedoch die Performance der einzelnen Werte. Dabei wenden wir den Blick insbesondere auf die Kursperformance zur Erstnotiz, schließlich kommt immer nur ein Bruchteil der interessierten Anleger bei der jeweiligen Zeichnung zum Zuge. Außerdem ist die Höhe des Zeichnungsgewinnes nicht nur auf die Attraktivität des betreffenden Wertes zurückzuführen, sondern immer auch ein gutes Stück weit Resultat der allgemeinen Börsenstimmung zum Zeitpunkt des IPO.

Das Analyse-Tool von GoingPublic förderte dabei einige interessante Dinge zutage. Absoluter Spitzenreiter ist mit einer bisherigen Kursperformance von 157 % ggü. der Erstnotiz die Kretztechnik-Aktie. Das ist umso beachtlicher, als die Notierungsaufnahme (27.3.) in die Zeit fiel, in der sich die Stimmung an den Kapitalmärkten schon zuzuspitzen begann. Das beweist auch der Zeichnungsgewinn von fast schon lächerlichen 3,8 %. Bei Kontron verhält es sich genauso: Von einem Zeichnungsgewinn kann bei 1,28 % eigentlich schon gar nicht mehr gesprochen werden. Trotzdem legte der Kurs im Nachhinein bis dato knapp 110 % zu. Auf diesen Prozentsatz kommt auch der Medienwert TV-Loonland. Allerdings war der Zeichnungsgewinn mit 160 % schon ein beachtlicher Anfangserfolg. Die drei o.g. Megaemissionen schafften es dagegen nicht unter die Top 10. Ein Indiz dafür, daß manchmal sogar die Größe selbst mitverantwortlich an einer unterdurchschnittlichen Performance ist.

Was glauben Sie nun, sind wohl die schlechtesten IPOs des bisherigen Jahres? Ja natürlich, Lycos Europe und Pironet, das sind Aktien, die mit teils astronomischen Bewertungen an den Markt kamen, und deshalb zurecht unter den Verlierern zu finden sind. Die schlechtesten sind es dennoch nicht. Den einsamen Rekord der schlechtesten Performance nach Notierungsaufnahme hielt bis vor kurzem das deutsche Portal Web.de mit einem Kursrückgang von 76 %. Zwar konnte der Titel Ende letzter Woche wieder etwas aufholen, die bisherige Entwicklung kann trotzdem nicht anders als katastrophal bezeichnet werden. Ähnlich schlecht entwickelte sich ISION Internet. Der Wert verlor bisher stolze 63 %.

Was helfen uns aber nun diese ganzen Daten, welche Schlußfolgerungen und Handlungsanweisungen können daraus abgeleitet werden? Zumindest bei der Höhe des Emissionsvolumens gilt anscheinend der Spruch „Size doesn´t matter!“ Auf die Größe kommt es nicht an. Außerdem, was noch viel wichtiger ist: Die Höhe des Zeichnungsgewinns sagt in vielen Fällen rein gar nichts über die Qualität der Aktie aus. Der Markt hat eben nicht immer recht. Vielmehr kann ein hoher Zeichnungsgewinn, wie es bei Web.de und ISION der Fall war, schnell zum Verhängnis werden. Genau hinschauen und nicht von anderen beirren lassen, ist also ein Schlüssel zum Börsenerfolg.

Die GoingPublic-Kolumne erscheint börsentäglich in Zusammenarbeit mit dpa-AFX.

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