Sabine Traub, Leiterin Primary Market Group, Börse Stuttgart

Wie stark müssen private Anleger an die Hand genommen werden bei Investitionsentscheidungen? Die Börse Stuttgart führte dazu im Februar dynamische Risikoklassenkennzahlen ein. Das GoingPublic Magazin sprach mit Sabine Traub über Branchen, Kennzahlen und Risiken – sowie ggf. Nebenwirkungen.

GoingPublic: Frau Traub, wie sieht Ihre Bestandsaufnahme jetzt nach einem weiteren Jahr aus? Vor einem Jahr an gleicher Stelle war Bondm ja gerade mal wenige Monate alt und die anderen regionalen Segmente noch nicht mal da.

Traub: Die neu geschaffene Möglichkeit für Mittelständler, sich am Kapitalmarkt zu refinanzieren, hat sich bewährt und wird im Finanzierungsmix von Unternehmen auch in Zukunft eine wichtige Rolle spielen. Es handelt sich bei den Mittelstandsanleihen schlicht um eine zusätzliche Finanzierungsalternative für Unternehmen: Das haben wir mit Bondm auf den Weg gebracht. Natürlich gibt es stets Optimierungspotenzial, aber das ist sicher nicht ungewöhnlich, wenn man etwas Neues an den Markt bringt.

GoingPublic: Hierzu wird häufig eingewandt, dass dies auch die Möglichkeit nahe legt, dass nun gerade solche Emittenten eine Anleihe bewerkstelligen, die bei ihren Banken abgewiesen wurden.

Traub: Eine Mittelstandsanleihe sagt nichts über die Bonität eines Unternehmens aus. Die Bonität spiegelt sich im Unternehmensrating wider. Zudem sorgen die Zulassungs-, Folge- und Publizitätspflichten der Börse Stuttgart dafür, dass Mindeststandards eingehalten werden, die eine Risikoeinschätzung durch Investoren ermöglichen.

GoingPublic: Also mit anderen Worten: So weit zufrieden nach knapp eineinhalb Jahren seit Start?

Traub: Als im Herbst 2010 die ersten Unternehmen mit Emissionen gestartet sind, hätten wir nicht gedacht, dass nach eineinhalb Jahren 20 Anleihen in Bondm notiert sein würden. Und vergessen Sie nicht die wechselhafte Börsenlage im zweiten Halbjahr 2011, als einige Zeit eine Art „Käuferstreik“ herrschte – im Übrigen nicht nur bei Anleihen. Im ersten Quartal 2012 hat sich die Situation merklich aufgehellt und die Emissionstätigkeit wurde wieder aufgenommen.

GoingPublic: Hat sich am Regelwerk in dieser Zwischenzeit noch mal etwas geändert?

Traub: Kleinere Anpassungen im Regelwerk gibt es in regelmäßigen Abständen. Einer der wesentlicheren Punkte war beispielsweise, dass ein Unternehmen, das bei Notierungsaufnahme freiwillig ein Rating erstellen lässt, dann auch zu turnusmäßigen Folgeratings verpflichtet ist. Dieser Fall tritt ein, wenn Unternehmen ein Rating vorlegen, obwohl deren Aktien bereits an einem regulierten Markt notieren.

GoingPublic: Nach wie vor kein Mindestrating für Bondm?

Traub: Diesen Punkt sehen wir kritisch. Wie geht man mit Emittenten um, wenn sie durch ein Folgerating das Mindestrating nicht mehr erfüllen? Jetzt, in der seit einigen Monaten ziemlich gebeutelten Solarbranche, wäre das bereits eine akute Frage.

GoingPublic:

Bei Bondm wird häufig genau das Klumpenrisiko im Bereich Clean Technologies moniert. Hätte man das anders machen können?

Traub: Vor circa einem Jahr stellte sich die Situation in dieser Branche noch völlig anders dar. Es war schlicht nicht vorhersehbar, dass sich in einer Branche die politischen und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen so plötzlich und drastisch ändern. Unser Ziel ist es, ein breitgefächertes Branchenbild des Mittelstands abzubilden, was uns mit zunehmender Anzahl an Emittenten auch gelingt.

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