Dr. André Zimmermann, Partner, SHS Gesellschaft für Beteiligungsmanagement mbH

Die Life Sciences sind eine der wichtigsten Zukunftsbranchen. Globale Trends wie die wachsende Weltbevölkerung, ein stetig steigendes Durchschnittsalter besonders in den Industriestaaten und die erstarkenden Mittelschichten der Schwellenländer lassen die Nachfrage nach medizinischen Produkten und innovativen Technologien langfristig steigen. Der ausdifferenzierte Markt für Medizintechnikprodukte wird global bereits auf rund 300 Mrd. EUR geschätzt und weiter wachsen. Deutsche Life-Science-Unternehmen profitieren darüber hinaus auch von ihrem Heimatmarkt: Deutschland ist der weltweit drittgrößte Medizintechnikmarkt und der größte Europas.

Starke Wettbewerbsposition

Life-Science-Unternehmen aus Deutschland und den deutschsprachigen Nachbarländern sind ideal aufgestellt: Die DACH-Region zeichnet sich seit vielen Jahrzehnten durch ihre Leistungsfähigkeit und Innovationskraft aus, die ihren technologischen Ursprung in der ingenieurtechnisch geprägten Feinmechanik hat. Zudem begünstigen attraktive staatliche Förderprogramme und öffentliche Forschungs- und Bildungseinrichtungen die Entwicklungstätigkeit. Befördert wird die Innovationskraft der Branche aber nicht zuletzt auch durch die Investitionsfreude von Beteiligungsgesellschaften sowie günstige regulatorische Rahmenbedingungen. Davon profitieren besonders junge Unternehmen, deren innovative Technologien wiederum einen wichtigen Beitrag zur Entwicklung in den Life Sciences leisten. Diese hohe Innovationskraft ist auch von großer wirtschaftlicher Relevanz: Deutsche Medizintechnikunternehmen erzielen fast ein Drittel ihrer Umsätze mit Produkten, die jünger als drei Jahre sind.

Im Vergleich zu den traditionell ebenfalls innovationsstarken USA haben es Medizintechnikunternehmen durch bessere Rahmenbedingungen in Europa wesentlich einfacher: Neuesten Zahlen zufolge ist das europäische Zulassungsverfahren zehnmal kostengünstiger und wird durchschnittlich drei Jahre schneller abgeschlossen als in den Amerika. Ein klarer Wettbewerbsvorteil für europäische Unternehmen: Produkte kommen schneller und kostengünstiger in die klinische Testphase – damit auch früher auf den Markt – und erwirtschaften entsprechend schneller Umsätze und Gewinne. Insbesondere Start-up-Unternehmen vereinfacht dies die Investorensuche: Die Kosten für ein Investment – Pharma ausgenommen – sind vergleichsweise niedrig, die Zeit bis zur Marktreife eines Produkts ist kürzer und die Exit-Möglichkeiten sind attraktiver, da innovative Technologien zunehmend das Interesse von international operierenden Großkonzernen finden.

Allerdings sind die verschiedenen Bereiche der medizinischen Life Sciences durch unterschiedliche Entwicklungsgeschwindigkeiten und – meist technologisch begründete – Vor- und Nachteile charakterisiert.

Beispiel Indien: In den Schwellenländern verbreitert sich die Mittelschicht, die Gesundheitsausgaben der Haushalte verzeichnen einen starken Anstieg. Quellen: SHS Gesellschaft für Beteiligungsmanagement mbH/McKinsey Global Institute, „The Rise of India’s Consumer Market, 2007

Diagnostik: Neue Technologien erhöhen Spezifität und senken Kosten

Diagnostik ist heute zu oft noch unspezifisch und mit unklaren therapeutischen Konsequenzen verbunden. Vor dem Hintergrund endlicher Budgets im Gesundheitssystem und der zunehmenden Suche nach Einsparpotenzialen werden zahlreiche Tests aufgrund schlechter Kosten-Nutzen-Relation vom Markt verschwinden. Umgekehrt werden Tests gewinnen, die spezifischer und idealerweise auch noch kostengünstiger sind. Dazu gehören Tests, die nicht an einem Marker hängen, sondern kostengünstig eine Vielzahl von Markern für die Diagnose nutzen, idealerweise nicht-invasiver Natur sind, also Biopsien oder sonstige Eingriffe vermeiden, sowie Wiederholungen („Mehrfachdiagnostik“) reduzieren. Dazu gehören Tests auf Basis molekulargenetischer oder proteomischer Analytik, aber auch durch neue, physikalische Verfahren wie die NMR (Nuclear Magnetic Resonance).

Gehirndruckmonitor Spiegelberg; Quelle: Spiegelberg (GmbH & Co.) KG, SHS Gesellschaft für Beteiligungsmanagement mbH

Medizintechnik: Interdisziplinarität für eine verbesserte Lebensqualität

Mit zunehmender Lebenserwartung häuft sich der Bedarf an medizinischer Betreuung. Innovative Pflege- und Rehaprodukte verbessern die Lebensqualität, reduzieren zugleich Klinikaufenthalte und Pflegeaufwand und treffen damit wachsende Nachfrage. Technologietrends wie intelligente IT, Mikrosystemtechnik und neue Materialien ermöglichen diese Produkte. Dazu zählen intelligente Beatmungssysteme oder Monitoring-Systeme. Insbesondere die DACH-Region hat hier eine starke Position, da Produktinnovationen durch zunehmende Zusammenarbeit unterschiedlicher wissenschaftlicher Disziplinen gepaart mit medizinischem Wissen begünstigt werden: Biologie, Materialwissenschaften, Physik, Oberflächenchemie, Mikrosystemtechnik und IT stecken beispielsweise in intelligenten Implantaten und Messsystemen.

Pharma

Die klassische Wirkstoffentwicklung hat noch viele unbestellte Felder, trifft aber auf immer komplexer und aufwändiger, also teurer werdende Zulassungsbarrieren. Hier kollidieren die Bedürfnisse nach maximaler Sicherheit und medizinischem Fortschritt.

Lösungsansätze gibt es im Bereich der „personalisierten Medizin“, also einer genaueren Abstimmung der Medikation auf das individuelle Patientenprofil durch stratifizierende Diagnostik.

Ein weiterer Trend ist die Darreichung der Wirkstoffe in hochentwickelte neue Abgabesysteme, z.B. Transdermalsysteme. Viele Wirkstoffe werden heute noch suboptimal appliziert, mit dem Ergebnis lästiger bis schädlicher Nebenwirkungen oder sogar der Wirkungslosigkeit. Dieses Segment wächst stärker als der Pharmamarkt insgesamt, für den nur noch ein Wachstum von 1 bis 2% prognostiziert wird.

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