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Die Frage nach einer im Chancen-Risiko-Profil ausgewogenen Incentivierung von Mitarbeitern und Führungskräften stellt sich über den gesamten Lebenszyklus eines Unternehmens. In der Anfangsphase ist oberste Priorität für Gründer und Finanzierer ein hohes und schnelles Wertwachstum. Zugleich ist hier allerdings das Risiko am größten, durch Fehleinschätzungen komplett zu scheitern. In der reiferen Phase ist ein überdurchschnittliches Wachstum nur noch äußerst schwer realisierbar. Dieses sich ändernde Anforderungsprofil sollte in einem Incentivierungssystem durch geeignete Instrumente abgebildet werden.

In den jüngsten Vergütungsberichten deutscher börsennotierter Gesellschaften findet sich zunehmend das Instrument „Restricted Share Unit“ (RSU) oder „gesperrte Aktieneinheit“. Im Unterschied zu virtuellen Aktien oder Aktienoptionen, die am Ende eine erzielte Wertsteigerung entlohnen, kann der Begünstigte bei RSUs trotz negativer Kursentwicklung eine Vergütung erhalten.

Das liegt daran, dass neben der reinen Wertentwicklung zusätzliche finanzielle und nicht-finanzielle Erfolgskriterien (KPIs) im RSU-Zielsystem einbezogen und gewichtet werden können. Nach Ablauf einer Andienungsfrist (oft zwei bis drei Jahre) kann die ursprünglich gewährte Anzahl von RSUs je nach Zielerreichungsgrad erhöht oder reduziert werden. Bei Ausübung der RSUs wird den Begünstigten in der Regel die gleiche Anzahl von Aktien des Unternehmens übertragen – wofür nur der Nominalwert je Aktie zu entrichten ist. Diese Aktien stammen entweder aus dem genehmigten Kapital oder aus eigenen Aktien. Ein wertadäquater Barausgleich ist ebenfalls möglich. Der Begünstigte hat bei Ausübung der RSUs den erhaltenen geldwerten Vorteil zu versteuern, wie es bei Aktienoptionen oder virtuellen Aktien ebenfalls der Fall ist.

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Obwohl das Instrument aus der angelsächsischen Venture-Capital-Szene stammt, werden RSUs auch bei reiferen börsennotierten Unternehmen eingesetzt. Die Möglichkeit, das Zielsystem auf kurs- oder wachstumsorientierten KPIs stärker oder minder zu gewichten, macht das Instrument für Unternehmen in allen Lebenszyklen attraktiv. Es ist davon auszugehen, dass sie daher den etablierten Instrumenten wie virtuelle Aktien oder Aktienoptionen Konkurrenz machen werden.

Dennoch bleibt die Aktienoption für börsennotierte, verlusttragende Wachstumsunternehmen das geeignete Incentivierungsinstrument. Sie sind standardisiert und können mit bedingtem Kapital bezahlt werden. Inwieweit die für Aktienoptionen gesetzlich vorgeschriebene Wartefrist von vier Jahren sinnvoll ist, darf bezweifelt werden. Ebenso ist zu hinterfragen, ob der für deutsche AGs oder SEs geltende Ausschluss einer aktienbasierten Vergütung für den Aufsichtsrat noch zeitgemäß ist.

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Weshalb sollte der Aufsichtsrat nicht auch eine langfristige, risikoausgewogene Vergütungskomponente erhalten? So überrascht es nicht, dass vor allem unter Wachstumsunternehmen mit einer ausländischen Rechtsform geliebäugelt wird (1).

CureVac, im Rechtskleid einer N.V., ließ sich jüngst RSUs für einige ihrer Aufsichtsräte durch die Hauptversammlung billigen. Nachdem neuerdings die Hauptversammlung bei börsennotierten AGs dem Vergütungssystem auch für den Aufsichtsrat zustimmen muss, ist das Argument eines möglichen Interessenkonflikts kaum noch haltbar.

(1) Siehe auch DAI-Positionspapier zur Bundestagswahl 2021 vom 1. Juni 2021.

Autor/Autorin

Prof. Dr. Wolfgang Blättchen

Prof. Dr. Wolfgang Blättchen ist geschäftsführender Gesellschafter der BLÄTTCHEN FINANCIAL ADVISORY GmbH und seit drei Jahrzehnten als unabhängiger Berater für Kapitalmarktstrategien aktiv. In dieser Zeit konnte er über 100 Pre-IPOs, IPOs und Follow-on-Mandate begleiten. Er ist aktives Mitglied in Aufsichts- und Beiräten sowie Ansprechpartner der Börsen.

Uwe Nespethal

Uwe Nespethal ist ebenfalls geschäftsführender Gesellschafter der BLÄTTCHEN FINANCIAL ADVISORY GmbH und seit über 20 Jahren als unabhängiger Berater in Kapitalmarktstrategien sowie in der Auflegung von kapitalmarktorientierten Incentivierungsprogrammen für Führungskräfte und Mitarbeiter tätig.