„Der Gesundheitsmarkt braucht Private Equity“

Interview mit Dr. Oliver Treptow, Kanzlei Heuking Kühn Lüer Wojtek

Bildnachweis: HEUKING KÜHN LÜER WOJTEK.

Private Equity gewinnt im Gesundheitsmarkt eine immer größere Bedeutung. Nachfolgeregelungen, Wachstum und Konsolidierung sind gängige Finanzierungsanlässe. Immer mehr Investoren engagieren sich im lukrativen Healthcaremarkt. Die Sicherung der hochwertigen medizinischen Versorgung der Patienten ist ein wichtiges Argument. Trotzdem gibt es Herausforderungen und Kritiker.

 

Plattform Life Sciences: Herr Dr. Treptow, immer häufiger engagieren sich Private-Equity-Investoren im Gesundheitsmarkt. Ist das Thema durch Corona und die erfolgreiche Suche nach einem Impfstoff noch einmal zusätzlich gepusht worden?

Dr. Treptow: In viele Segmenten des Life-Sciences-/Healthcaremarkts, etwa im Healthcare-Services-Bereich, ist das Interesse der Investoren schon vor Corona stetig gewachsen. Ein Beispiel ist der Bereich Pflege oder Reha und insgesamt vor allem der Trend weg von der stationären und hin zur ambulanten Versorgung. Auch die Investitionen in die ambulante ärztliche Versorgung, Stichwort ­„Medizinische Versorgungszentren“ (MVZ), ist ein Trend. Man hat gesehen, dass dieser Gesundheitsbereich gut mit Krisen umgehen kann und einigermaßen resistent gegen Konjunkturschwankungen ist. Mein Eindruck ist, dass dies auch Skeptiker überzeugt hat, in den Healthcaremarkt zu investieren. Die Konsolidierung des Markts schreitet voran und die Volumina der Transaktionen werden größer. In der klassischen Life Science wurde und wird ebenfalls weiterhin investiert, vor allem im Venture-Bereich. Weite Teile des Markts sind bereits durch forschende Arzneimittelunternehmen besetzt. Private Equity könnte hier in Zukunft eine größere Rolle spielen, wenn beispielsweise die Unternehmen, die aktuell Impfstoffe entwickeln, weiter wachsen.

Welches sind die wesentlichen Finanzierungsanlässe? Geht es um Wachstum, Nachfolgeregelungen oder eine Konsolidierung des Markts?

Auf der Abgeberseite sind es vor allem Nachfolgethemen. Ambulante Arztpraxen oder Rehaeinheiten, die bislang privat geführt wurden, haben zunehmend Probleme, den gewünschten Verkaufspreis zu realisieren oder Nachfolger zu finden, die bereit sind, etwa zusätzlich zu ihrer eigentlichen beruflichen Tätigkeit auch ins Unternehmertum zu gehen. Hier ist Private Equity eine gute Lösung, zumal viele Verkäufer durchaus bereit sind, auch nach einem Verkauf in der Praxis oder dem Unternehmen weiterzuarbeiten. Das heißt, Investoren finden zahlreiche Targets auf der Anbieterseite. Gleichzeitig wird auf diese Weise die Konsolidierung des Markts beschleunigt, was durchaus Vorteile mit sich bringt. Diese Konsolidierung – um mit einem Vorurteil aufzuräumen – geht in der Regel mit einer Verbesserung der Versorgungsqualität einher. Es geht also mitnichten um rein wirtschaftliche Vorteile der Investoren, sondern um Themen wie Investitionen in Infrastruktur, Qualitätssicherung, Monitoring oder Datenschutz, was viele kleinere Praxen oder Unternehmen häufig nicht gleichermaßen leisten können. Die Hoffnung ist natürlich auch, dass eine Konsolidierung zusätzliche Unternehmenswerte schafft, die über die bloße Addition kleinerer Standorte hinausgeht. Das trifft aus meiner Sicht einen wesentlichen Trend im Gesundheitswesen, nämlich die Flexibilisierung sowohl auf der Patienten- als auch auf der Mitarbeiterseite. Nehmen wir als Beispiel nur verlängerte Öffnungszeiten, frühmorgens, spätabends oder am Wochenende, welche von größeren Praxen mit einer größeren Belegschaft wesentlich einfacher bedient werden können.

Welches sind die spannendsten Segmente für Investitionen im Gesundheitswesen?

Es gibt drei typische Cluster im Healthcaremarkt: die ambulante und stationäre ärztliche Versorgung, den Pflege- und den Rehabereich. Diese Cluster sind auch durch den allgemeinen Trend „von stationär zu ambulant“ und zur sektorübergreifenden Versorgung miteinander verbunden. Auch im Bereich der Hilfsmittel, man denke etwa an Sanitätshäuser, wird gerne investiert. Der gesamte Gesundheitsmarkt ist historisch sehr fragmentiert. Deshalb bietet sich an allen Stellen eine Konsolidierung an. Im Pharmabereich stellt sich die Situation etwas anders dar: Hier ist der Markt weit weniger fragmentiert, da etwa für die Entwicklung eines neuen Medikaments erhebliche Ressourcen notwendig sind.

Welche Art von Investoren treffen wir an – ausgewiesene Experten im Gesundheitswesen oder auch „fachfremde“ Investoren?

Die ersten Investoren, die vor allem zu Konsolidierungsanlässen auf den Markt kamen, waren in der Regel Spezialisten, die sich im Markt gut auskannten. Die Herausforderungen sind vielfältig. Wie funktioniert die regulierte Preisgestaltung? Wie muss die Leistungserbringung organisiert werden? Wie werden Leistungen abgerechnet? Diese Regelungen ziehen sich durch das gesamte Gesundheitswesen. Dazu kommen spezifische Themen, etwa die Frage des Markt­zugangs. Beispielsweise kann nicht jeder Interessierte ohne Weiteres ein Medizinisches Versorgungszentrum gründen. Letztlich benötigen Investoren besonderes Branchen-Know-how. Dieses wurde und wird aber zunehmend aufgebaut und nahezu alle größeren Private-Equity-Gesellschaften sind inzwischen auf dem deutschen Gesundheitsmarkt engagiert. Je größer die Investitionsvolumina ausfallen, desto mehr ausländische Gesellschaften sieht man nun auch auf dem deutschen Markt.

Welches sind die wesentlichen rechtlichen Hürden, mit denen sich Investoren konfrontiert sehen? Immerhin geht es um die Gesundheit von Menschen.

Das ist eine gute Frage. Aus rechtlicher Sicht geht es natürlich um Regularien, etwa um Ausbildungs- oder Qualitätsstandards in der Leistungserbringung. Das sind einerseits rechtliche Themen, die im Kern aber insbesondere wirtschaftliche Auswirkungen haben. So ist etwa eine ausgebildete Fachkraft in der Regel teurer oder schwerer auf dem Arbeitsmarkt zu bekommen. Spezifische rechtliche Themen existieren vor allem in der ambulanten ärztlichen Versorgung. Im Rahmen des Erwerbs und des Betreibens eines MVZ sind bestimmte Regularien einzuhalten. Hier ist die gesamte Transaktionsstrukturierung sehr verrechtlicht.

Registrieren Sie mitunter auch eine gewisse Skepsis gegenüber Private Equity im Gesundheitswesen? Wie kann dieser erfolgreich begegnet werden?

Das kommt sehr darauf an, wem Sie diese Frage stellen. Vor allem aufseiten der Politik scheint aus meiner Sicht abstrakte Skepsis gegenüber Investoren im Gesundheitswesen zu existieren. Es bestehen insbesondere im Bereich der ärztlichen Versorgung politische Bestrebungen, Private Equity einzuschränken. Häufig wird etwa behauptet, dass Investoren eine Gefahr für die Gesundheitsversorgung seien. Allerdings registrieren etwa Ärzte und Inhaber von Pflege- oder Rehaeinrichtungen, dass Private Equity eine gute Lösung für die Nachfolgeplanung sein kann. Von Private-Equity-Gesellschaften betriebene medizinische Einrichtungen werden durchaus als attraktive Arbeitgeber wahrgenommen. Die Lösung dieses Konflikts ist ein politischer Prozess. Institutionen wie die Bundeszahnärztekammer oder die Kassenzahnärztliche Bundesvereinigung stellen sich gegen das Engagement von Private Equity, wie es etwa im Rahmen des Terminservice- und Versorgungsgesetzes (TSVG) deutlich wurde. Aus meiner Sicht wird hier vor allem emotional und wenig sachlich argumentiert. Seriöse Untersuchungen belegen, dass Private Equity kein Problem für die Gesundheitsversorgung darstellt. Im Gegenteil: Der Markt wird Private Equity brauchen. So sind viele Ärzte heute nicht mehr bereit, mit einer eigenen Praxis große wirtschaftliche Risiken einzugehen oder 50 Stunden in der Woche zu arbeiten. Ein weiterer Aspekt ist die Ressourcennutzung und Finanzierung des Gesundheitswesens. Das Gesundheitssystem steht hier vor enormen Herausforderungen in der Zukunft und die Politik wird sich überlegen müssen, ob etwa die Beschränkung der Größe von zahnärztlichen medizinischen Versorgungszentren durch das TSVG zielführend sein kann. Ein wichtiger Punkt, der in der politischen Diskussion aus meiner Sicht zu oft übersehen wird, ist die Tatsache, dass die Leistungserbringung völlig unabhängig vom Betreiber einer Gesundheitseinrichtung bereits umfassend reglementiert ist. Es gibt sozialrechtliche, berufsrechtliche und abrechnungsrechtliche Vorgaben, die von allen Marktteilnehmern eingehalten werden müssen. Dieses System funktioniert – unabhängig davon, ob der Betreiber etwa ein in einer Arztpraxis niedergelassener Arzt ist oder ein Private-Equity-Unternehmen. Eine vom Bundesgesundheitsministerium in Auftrag gegebene Studie hat kürzlich belegt, dass die bestehenden Regelungen hinsichtlich Private Equity in der ambulanten ärztlichen Versorgung völlig ausreichend sind. Vielleicht kann dies zu einer zunehmenden Versachlichung der politischen Diskussion beitragen.

Herr Dr. Treptow, ich bedanke mich für das interessante Gespräch!

Das Interview führte Holger Garbs.

 

ZUM INTERVIEWPARTNER

Dr. Oliver Treptow ist Equity Partner im Münchner Büro von HEUKING KÜHN LÜER WOJTEK. Er ist Co-Leiter der Praxisgruppe Healthcare, Pharma & Life Sciences und spezialisiert auf die Beratung von Investoren und Leistungserbringern bei Transaktionen sowie Strukturierungen im Bereich des Gesundheitswesens.

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