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Das Restrukturierungsverfahren „LEONI“ hat hohe Wellen geschlagen. Zur Abwendung der drohenden Zahlungsunfähigkeit hatte die Gesellschaft einen Restrukturierungsplan eingereicht, der unter anderem eine Kapitalherabsetzung auf null mit einer anschließenden Kapitalerhöhung vorsah. Das Pikante an dieser Modellierung: Nur der bisherige Großaktionär durfte die Kapitalerhöhung zeichnen; die anderen Aktionäre konnten sich an der Sanierung nicht beteiligen.

Sanieren durch Ausscheiden

Aber weg vom Einzelfall LEONI. Galt bislang der Grundsatz: „Sanieren oder Ausscheiden“, erlaubt das Gesetz über den Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmen für Unternehmen (StaRUG) das Sanieren und Ausscheiden und eröffnet so die Möglichkeit sowie den Missbrauch, sich anlässlich der Restrukturierung von Minderheitsaktionären zu trennen. Mit dem Argument, die Aktien hätten in einer Restrukturierungssituation ohnehin keinen Wert, erlaubt es das StaRUG mit der sogenannten gruppenübergreifenden Mehrheitsentscheidung und Prioritätsregelung, eine verweigerte Zustimmung der Aktionäre zu überspielen. Verkannt wird dabei, dass die vermeintliche Wertlosigkeit der Aktien aufgrund einer Prognoseentscheidung getroffen wird, die einen Zeitraum von mindestens zwei Jahren umfasst. Die Prognose stellt der Vorstand auf, das Prognoserisiko trägt der Aktionär.

Ausschluss des Bezugsrechts ohne sachlichen Grund

Die Rechtsstellung namentlich der Minderheitsaktionäre wird dadurch weiter geschwächt, dass nach der wohl herrschen den Meinung ein sachlicher Grund für einen Bezugsrechtsausschluss nicht vorliegen muss. Wo kein Bezugsrecht, da auch kein finanzieller Ausgleich für das Bezugsrecht.

Ungleichbehandlung der Aktionäre zulässig

Das StaRUG ermöglicht es, die Gruppe der Aktionäre ungleich zu behandeln, also beispielsweise den Großaktionär an der Kapitalerhöhung teilnehmen zu lassen, alle anderen Aktionäre hiervon aber auszuschließen. Die Möglichkeit, die Restrukturierung zugleich zur „Neuorganisation“ des Aktionärskreises zu nutzen, liegt hierbei auf der Hand.

Sanierungsrechtlicher „Squeeze-out“ ohne Abfindung?

Die Regelungen des StaRUG ermöglichen einen „Squeeze-out ohne Abfindung“ in
verfassungsrechtlich bedenklicher Weise. Stattdessen wird dringend eine Stärkung der Aktionärsrechte auch im Restrukturierungsverfahren benötigt. Das Kräfteverhältnis zwischen Aktionären und Gläubigern, auch das zwischen den Aktionären untereinander, muss neu bestimmt werden. Es darf nicht die absolute Maxime gelten, dass die Aktionäre für die Restrukturierung jeden Preis zahlen müssen – auch nicht den Preis der entschädigungslosen Aufgabe ihres Eigentums in Form der Teilhabe am sanierten Unternehmen.

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Autor/Autorin

Markus Kienle
Rechtsanwalt, Mitglied des Vorstands, SdK Schutzgemeinschaft der Kapitalanleger e.V. at SdK Schutzgemeinschaft der Kapitalanleger e.V. | Website

Markus Kienle ist Rechtsanwalt und seit 1999 Sprecher der Schutzgemeinschaft der Kapitalanleger e.V. (SdK), seit dem Jahr 2011 auch Vorstandsmitglied. Er hat in dieser Zeit mehrere hundert Hauptversammlungen besucht.