Beim Therapiekonzept der Personalisierten Medizin werden Medikamente erst eingesetzt, wenn ein diagnostischer Test (Companion Diagnostic) gezeigt hat, dass das Medikament bei dem Patienten voraussichtlich wirken wird, keine oder weniger problematische Nebenwirkungen bereitet oder welche Dosierung für ihn am besten geeignet ist. Therapieabbrüche, vergebliche Therapieversuche oder Nebenwirkungen können dadurch vermindert bzw. ihre Auswirkungen reduziert werden. Zusätzlich kann auch der Therapiefortschritt durch fortlaufende diagnostische Tests überwacht werden. Personalisierte Medizin ermöglicht so innerhalb bestimmter Erkrankungen eine differenzierte Therapie für einzelne Patientengruppen – vergleichbar mit dem Angebot von Bekleidung in verschiedenen Konfektionsgrößen statt „einer Größe für alle“. Von Dr. Siegfried Throm

 

Der größte medizinische Nutzen der Personalisierten Medizin besteht darin, dass ein Patient auf Basis eines diagnostischen Tests ohne langes Herumprobieren das für ihn am besten geeignete Medikament in der für ihn adäquaten Dosierung erhält. Dies erhöht sowohl die Versorgungs- als auch die Lebensqualität.

Nur validierte und qualitätsgesicherte diagnostische Tests

Den diagnostischen Tests kommt daher besondere Bedeutung zu. Aus Sicht der forschenden Arzneimittelhersteller ist unbedingt auf eine sachgerechte Validierung und Qualitätssicherung aller genutzter diagnostischer Tests (auch von in Diagnostiklaboren selbst entwickelten Tests) zu achten, um falsch positive/falsch negative Testergebnisse zu vermeiden – im Interesse der Ergebnissicherheit für den Patienten, denn falsche Testergebnisse würden die Patienten um die Vorteile der Personalisierten Medizin bringen. Alle Beteiligten sollten daher an zuverlässigen und aussagekräftigen diagnostischen Tests interessiert sein.

Derzeit gibt es in Deutschland bereits intensive Bemühungen zur Qualitätssicherung. So führen die Pathologielabore zur Validierung neuer Untersuchungsmethoden z.B. Ringversuche durch, die die Vergleichbarkeit der Ergebnisse und deren Korrektheit sichern sollen. Labore, die die Qualitätsstandards erfüllen, werden formell akkreditiert. Ringversuche und Akkreditierung sind aber weder verpflichtend noch für alle Einrichtungen gleichermaßen gültig. Deshalb bedarf es gemeinsamer Anstrengungen für konkrete Maßnahmen zur Qualitätssicherung in Deutschland. Das gilt auch für die Kostenträger, die aktuell nicht umfassend bereit sind, sich an der Finanzierung der Validierungs- und Qualitätssicherung zu beteiligen. Künftig sollten nur noch qualitätsgesicherte diagnostische Tests von den Krankenkassen erstattet werden.

Sicherstellung der angemessenen Erstattung der eingesetzten Untersuchungsmethoden

Die Finanzierung der Companion Diagnostics sollte möglichst sektorenübergreifend (gleichsinnig stationär und ambulant) organisiert werden. Hierzu müssen bestehende Regelungen mit Einfluss auf die Erstattung praxisnah angepasst werden, z.B. IV-Verträge, ASV, EBM, DRG etc. Auch sollte im Rahmen der frühen Nutzenbewertung der Zusatznutzen personalisierter Arzneimittel entsprechend gewürdigt werden; personalisierte Arzneimittel und die zugehörigen validierten Tests müssen zeitnah und angemessen honoriert werden.

Die Erstattung muss beide Elemente (Arzneimittel und diagnostischen Test) sachgerecht erfassen. Die Abrechnungsmodalitäten von diagnostischen Methoden sind teilweise unzureichend und behindern den medizinischen Fortschritt. So werden aktuell die realen Kosten der Diagnostik häufig nicht kostendeckend abgebildet, auch weil die Festsetzung einer sachgerechten Erstattung von Untersuchungsmethoden zu lange dauert. Beides kann einen Anreiz darstellen, mit klinisch nicht validierten, kostengünstigeren Methoden zu testen oder auf die Testung von vornherein zu verzichten – und somit auch auf personalisierte Therapie optionen.

2017 wurden mit dem GKV-Arzneimittelversorgungsstärkungsgesetz (AMVSG) u.a. auch Regelungen für die zeitnahe Erstattung von Companion Diagnostics verabschiedet. Ob diese die aufgezeigten Probleme wirklich nachhaltig lösen, ist derzeit noch nicht abzusehen. Einige positive Signale (wie zuletzt der Beschluss des Bewertungsausschusses nach § 87 SGB V, die Untersuchung zirkulierender Tumor-DNA in einem bestimmten Fall anzuerkennen) gab es dazu in der letzten Zeit.

Neben der nach wie vor bestehenden Erstattungslücke zwischen Anwendungsmöglichkeit nach Marktzugang des Arzneimittels und Anpassung des EBM erst nach dem Nutzenbewertungsbeschluss des GBA ist der Fall ungeregelt, wenn die Durchführung einer Begleitdiagnostik in der Fachinformation des Arzneimittels nicht zwingend vorgeschrieben ist, sondern „nur“ empfohlen wird. Da die nationalen und europäischen Zulassungsbehörden – anders als die amerikanische Zulassungsbehörde – keine konkreten Tests in der Zulassungsentscheidung vorschreiben, bleibt ggf. unklar, welche Testung herangezogen und erstattet werden soll.

Auch die Erstattungsproblematik im Bereich der stationären Versorgung muss angegangen werden. Die Kosten einer Testung sind dort in den Fallpauschalen (DRG) häufig nicht oder nicht kostendeckend abgebildet. Den Krankenhäusern bleibt dann nur der Weg über die Beantragung von zusätzlichen NUB-Entgelten nach § 6 Abs. 2 KHEntgG, um eine ausreichende Erstattung der Diagnostik zu erhalten. Da dies dauern kann, überweisen Krankenhäuser teilweise ihre gesetzlich krankenversicherten Patienten zur Durchführung der Testung in den ambulanten Bereich, da dort die Vergütungssituation besser geregelt ist. Dies ist für die teilweise schwerkranken Patienten aber kein tragbarer Ansatz.

Daher sollten alle Stakeholder im System gemeinsam die beschriebenen Probleme angehen, damit die Personalisierte Medizin ihren Nutzen für den Patienten auch in der Praxis realisieren kann.

Die Umsetzung der 2017 von der Europäischen Kommission verabschiedeten Verordnung über In-vitro-Diagnostika (InVitro Diagnostics Regulation, IVDR), könnte ein wichtiges Element werden, die Qualität diagnostischer Tests zu verbessern. Darin werden „therapiebegleitende Diagnostika“ definiert und deren klinische Entwicklung/ Akzeptanz unter Einbeziehung der Zulassungsbehörden klar geregelt. Allerdings kommt diese Neuregelung erst Ende Mai 2022 zur Anwendung.

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