Sind (Zahn-)Arztpraxen in Investorenhand der „Killer“ für das Gesundheitssystem? Wäre vielleicht eine stärkere Regulierung geboten? Sollte womöglich grundsätzlich der Erwerb (zahn)ärztlicher Einrichtungen durch Investoren verboten werden? Wie ist die Beteiligung von Private-Equity-Fonds an (Zahn-)Arztpraxen einzuschätzen? Von Dr. Florian Brombach, LL.M. und Dr. Eylem Kaya, LL.M.

 

Bisher wurde die Diskussion um die Beteiligung von Private-Equity-Fonds an (Zahn-)Arztpraxen vor ­allem von Vertretern der Ärzteschaft, ­Gesundheitspolitikern und weiteren Experten aus dem Healthcarebereich geführt. Doch nun hat das Thema auch die breite Öffentlichkeit erreicht: Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach hatte in ­einem an Heiligabend 2022 veröffentlichten Interview mit der BILD-Zeitung angegeben, den Erwerb von Medizinischen Versorgungszentren (MVZ) durch Investoren ­(sogenannte investorengetragene MVZ; i-MVZ) gesetzlich unterbinden zu wollen. Investoren bezeichnete er als „Heuschrecken“ mit „absoluter Profitgier“, in deren Einrichtungen „Hamsterradmedizin mit unnützen Behandlungen in schlechter Qualität“ zur Erreichung „absurder Profitziele“ betrieben würde. Zuletzt griff die Süddeutsche Zeitung am 17. Februar 2023 das Thema auf. In dem Beitrag schloss sich die Autorin im Ergebnis den Stimmen an, die eine stärkere Regulierung von i-MVZ fordern oder den Erwerb von ärztlichen Einrichtungen durch Investoren vollständig verbieten wollen.

Wie groß ist der Einfluss von Investoren wirklich?

Ausgangspunkt der Diskussion ist die im Gesundheitssektor zu verzeichnende ­Beobachtung, dass Finanzinvestoren in den letzten Jahren verstärkt (Zahn-)Arztpraxen aufgekauft und damit begonnen haben, MVZ-Ketten aufzubauen. Aktuell befinden sich bundesweit rusnd 27% der MVZ in Investorenhand. In der ambulanten zahnärztlichen Versorgung wird der Anteil von i-MVZ gemessen an der ­Gesamtanzahl der Versorgungseinheiten (sogenannter Versorgungsanteil) je nach Maßstab in unterschiedlichen Analysen auf 0,5% bis 0,9% beziffert; in der ambulanten ärztlichen Versorgung liegt beispielsweise für das Land Bayern je nach ­Maßstab der Versorgungsanteil von i-MVZ bei 0,5 % bis 1,0 %. Gemessen an der ­Gesamtanzahl der ambulanten ärztlichen Versorgungseinheiten bundesweit ist der Anteil von MVZ mit 3 % im Verhältnis zu anderen Praxisformen (demgegenüber 78 % Einzelpraxen und 19 % Berufsausübungsgemeinschaften) klein. Die Fakten und Zahlen sind demnach mit den Aus­sagen im eingangs erwähnten Artikel der Süddeutschen Zeitung nicht in Einklang zu bringen. Dort heißt es etwa: „Es gibt schon Gegenden, in denen findet man kaum noch einen Arzt, der Herr seiner ­eigenen Praxis ist.“

Plankrankenhäuser als Vehikel für MVZ-Ketten

Beim Aufbau von MVZ-Ketten nutzen die Käufer sogenannte Plankrankenhäuser als Vehikel, um mittelbar Zugang zur vertrags(zahn)ärztlichen Versorgung zu erlangen. Hintergrund ist, dass gemäß § 95 Abs. 1a SGB V MVZ nicht nur von ­zugelassenen Ärzten, sondern auch (u.a.) von zugelassenen Krankenhäusern gegründet werden können. Nach der aktuellen Rechtslage müssen das Krankenhaus einerseits und das MVZ andererseits ­weder die gleiche Fachrichtung noch ­einen regionalen Zusammenhang auf­weisen. Entgegen anderslautenden Darstellungen in einzelnen Medien können sich beliebige Dritte jedoch nicht an (Zahn-)Arztpraxen beteiligen.

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Fehlende Evidenz für Erosion der Gesundheitsversorgung

Betrachtet man die aktuellen Zahlen und wertet man die diversen Gutachten rund um i-MVZ aus, ist eine Erosion der ­Gesundheitsversorgung durch sie ebenso wenig zu befürchten wie eine wirtschaft­liche Verdrängung anderer vertrags(zahn)ärztlicher Versorgungsformen. Die Hypothese strukturellen Fehlverhaltens und ­einer Über- bzw. Fehlversorgung durch i-MVZ hat sich schlichtweg nicht bestätigen lassen. Es ist vielmehr an der Zeit, die Debatte zu versachlichen. Nicht nur in i-MVZ, sondern in allen MVZ und darüber hinaus sonstigen (Zahn-)Arztpraxen muss selbstredend die Qualität der medizinischen Versorgung stimmen, was durch eine entsprechende (staatlich organisierte) Datenerhebung und Überwachung ­geprüft werden könnte. Der Gesetzgeber sollte an dieser Stelle ansetzen.

Eine hohe Profitabilität in i-MVZ allein auf den Umstand der Investorenbeteiligung zurückzuführen verkennt den Zusammenhang von Ursache und Wirkung: Schließlich konzentrieren sich Investoren von ­Natur aus auf profitable Fachbereiche (wie etwa die Labormedizin, Radiologie, Augen- und Zahnheilkunde). Umgekehrt formuliert, ist nicht die Investorenbeteiligung selbst Ursache für eine hohe Profitabilität. Bestehende Vergütungsstrukturen und -anreize in der ambulanten Versorgung können ­sicherlich überdacht werden, aber dann auch für nicht-investorengetragene MVZ und sonstige (Zahn-)Arztpraxen. Schließlich darf eines nicht außer Acht gelassen werden: Auch in eigenen MVZ und (Zahn-)Arztpraxen tätige Ärzte sind Unternehmer, die daran interessiert sind, mit ihrer Tätigkeit Gewinne zu erzielen.

MVZ-Register überflüssig?

So manche Forderung wie etwa die nach Einführung eines sogenannten MVZ-­Registers lässt außer Acht, dass die ­Einsichtnahme in das elektronische Handelsregister seit Sommer letzten Jahres kostenlos möglich ist. Trägergesellschaften von i-MVZ sind üblicherweise in der Rechtsform der Gesellschaft mit beschränk­ter Haftung (GmbH) organisiert, welche wiederum in den jeweiligen Handelsregistern erfasst sind. Über die dort elektronisch hinterlegten Gesellschafterlisten können Inhaberstrukturen nachvollzogen werden.

Darüber hinaus kann gerne zusätzliche Transparenz geschaffen werden, sofern die bestehenden Informationen als nicht ausreichend angesehen werden. Dabei sollte jedoch bedacht werden, dass öffentliche MVZ-Sonderregister verfassungsrechtlich unverhältnismäßig sein dürften und die „Gefahr der gleichheitswidrigen Belastung von MVZ-Inhabern im Vergleich zu Inhabern sonstiger Leistungserbringer im GKV-System“ besteht (so das Fazit ­eines vom Bundesministerium für Gesund­heit (BMG) in Auftrag gegebenen Rechtsgutachtens um den Gesundheitsrechts­experten Prof. Dr. Andreas Ladurner von der Hochschule Aalen aus November 2020).

Ausblick

Sollten die aktuell diskutierten Forderungen nach einer deutlich schärferen Regulierung gleichwohl umgesetzt werden, würden die im Gesundheitswesen tätigen Investoren ihre Dealaktivitäten in diesem Bereich wohl einstellen oder zumindest erheblich einschränken. Ein vollständiges Verbot von i-MVZ erscheint allerdings ­unwahrscheinlich. Sofern sich künftige gesetzliche Änderungen lediglich auf die Einführung zusätzlicher administrativer Hürden beschränken, wird sich eine Buy-and-Build-Strategie auch im Gesundheitswesen weiterhin umsetzen lassen. Ab ­welchem Zeitpunkt die neue Rechtslage gelten wird, lässt sich ohnehin noch nicht absehen. Bis auf Weiteres ist der Erwerb von (Zahn-)Arztpraxen durch Investoren jedenfalls nach wie vor möglich.

Lesen Sie mehr zum Thema im E-Magazin der Ausgabe 1_23 „Smarte Medizin“ der Plattform Life Sciences: https://www.goingpublic.de/aktuelles-epaper-lifesciences/

Zu Heuking Kühn Lüer Wojtek:

Als Kanzlei mit mehr als 400 fachlich spezialisierten Rechtsanwälten, Steuerberatern und Notaren an insgesamt neun Standorten widmet sich Heuking Kühn Lüer Wojtek mit über 35 Kolleginnen und Kollegen dem Bereich Healthcare und Life Sciences. Schwerpunkte sind dabei Healthcare-M&A, die regulatorische Beratung, Digital Healthcare, Healthcare Compliance und Beschaffung im Gesundheitswesen.

Autor/Autorin

Dr. Florian Brombach
Rechtsanwalt und Partner at Heuking Kühn Lüer Wojtek | Website

Dr. Florian Brombach, LL.M. ist Partner bei Heuking Kühn Lüer Wojtek und Co-Head der Praxisgruppe Healthcare & Life Sciences. Er ist auf den Erwerb und Verkauf von (Zahn-)Arztpraxen, Medizinischen Ver­sorgungszentren, Laboren und sonstigen Unternehmen aus der Gesundheitsbranche spezialisiert.

Dr. Eylem Kaya
Rechtsanwältin, Salaried Partnerin at Heuking Kühn Lüer Wojtek | Website

Dr. Eylem Kaya, LL.M. ist Salaried Partnerin bei Heuking Kühn Lüer Wojtek und Mitglied der Praxisgruppe Healthcare & Life Sciences. Ihr Spezialgebiet ist die regulatorische Beratung im Gesundheitswesen. Sie berät Leistungserbringer und Investoren sowohl im Zuge von Healthcaretransaktionen als auch laufend regulatorisch – vor allem bei Gründung und Umstrukturierung von MVZ.