Was ist das aber auch für eine erbsenzählerische Haltung: Weil man ein paar mehr Milliarden Neuverschuldung als vor zwei Jahren in der mittelfristigen Finanzplanung vorgesehen aufnehmen muss, irgendwas um 90 Mrd. statt 5 oder 6 oder so, könne man jetzt doch keine Steuersenkungen versprechen! Ganz offensichtlich glauben solche Leute wie Günther Oettinger oder Wolfgang Böhmer tatsächlich, die ganzen Schulden müssten oder könnten tatsächlich einmal zurückgezahlt werden.

Putziger Gedanke: Den letzten ausgeglichenen Bundeshaushalt hat mal eine bundesdeutsche Regierung vorgelegt, da war Bayern München noch kein einziges Mal Deutscher Meister. Selbst in beispiellosen Boomjahren wurden immer neue Schulden angehäuft. Das kann kein Zufall sein, sondern ist System. Das haben Angela Merkel und Horst Seehofer erkannt: Im Prinzip ist der Schuldenstand ziemlich egal, Hauptsache der Kreislauf von Geld und Waren bleibt in Schwung. Also kann man auch Steuersenkungen versprechen. Denn nach der Rekordverschuldung ist nichts weiter als vor der nächsten Rekordverschuldung.

Die Kapitalmärkte stellen sich schon darauf ein. Kreditversicherungen auf Staatsanleihen sind mittlerweile der Renner. Versicherbar sind nicht nur Forderungen gegenüber Ländern, deren Finanzsystem dadurch gekennzeichnet ist, dass man Kreditkarten zwar akzeptiert, Bargeld aber bevorzugt, sondern auch solche von Industriestaaten. Kalifornische Anleihen zum Beispiel werden derzeit stark abgesichert. Das würde niemand machen, wenn er nicht die Möglichkeit eines Staatsbankrottes zumindest theoretisch einräumen würde.

Also: Das Wahlversprechen der CDU lässt sich nicht anders deuten, als dass nicht im Traum daran gedacht wird, die Schulden dereinst zurückzuführen oder gar zu begleichen. Das würde im Übrigen ja nur für völliges Chaos auf den Finanzmärkten führen, wenn jetzt alle Staaten beginnen würden, ihre Schulden zurückzuzahlen. In was, bitte, sollte denn das ganze Geld investiert werden? In eine bessere Welt? Nein: finanzpolitische Avantgarde, das ist dort, wo die Bundeskanzlerin ist. Alles andere ist haushaltspolitische Folklore.

Stefan Preuß

Die GoingPublic Kolumne ist ein Service des GoingPublic Magazins, Deutschlands großem Kapitalmarktmagazin. GoingPublic ist allein für die Inhalte der Kolumne verantwortlich. Informationen zu einzelnen Unternehmen stellen keine Aufforderung zum Kauf bzw. Verkauf von Aktien dar. Die Kolumne erscheint wöchentlich in Zusammenarbeit mit dpa-AFX.

Autor/Autorin